Der leuchtende Pfad zum 'Synodalen Atheismus'.

7. Juli 2021 in Kommentar


Und es mag am deutschen Wesen einmal noch die Welt genesen - Ein kath.net-Kommentar von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

In der Sommerpause wird der eine Bischof eine Kneippkur wagen, Wasser treten und nach Luft schnappen. Der andere sucht vielleicht Entspannung am Stadtrand von Sao Paulo. Ein Teil des Klerus wird ausgewählte Badestrände aufsuchen, ein anderer Teil wird Urlaubshöhepunkte beim Bergwandern erleben, auch im zweiten Coronasommer. Vielleicht sollte man die üblichen Manifestationen von katholisch.de also einfach unkommentiert ins Leere laufen lassen. DBK-Generalsekretärin Gilles erklärt die Frage nach der Priesterweihe für Frauen für "virulent". Na und? Die Frage ist entschieden. Das weiß doch auch die promovierte Theologin aus Hückeswagen. Die fast 40-jährige Berufsjugendliche Lisi Maier blickt auf ihre engagierte BDKJ-Tätigkeit zurück und beteuert nebenbei, der katholische Glaube sei das Fundament ihres Gehaltsanspruchs gewesen. Na gut. Wenig glaubwürdig, das alles, und sehr politisch. Aber doch auch nichts Neues unter der Sonne.

Nichts Neues ist an sich auch im fast schon schlüpfrigen "Standpunkt" von Andreas Püttmann zu finden. Denn was ist der Standpunkt des Puddings an der Wand? Er lobt diesmal den überforderten Bischof von Mainz. Wie immer: ein bisschen schräg von oben herab. Peter Kohlgraf sagt ja nicht nur dummes Zeug. Keineswegs. Aber warum ist der Pax Christi-Präsident jetzt anscheinend der neue Favorit des scheinkonservativen Kommentators aus Bonn? Püttmann argumentierte doch früher stramm "rechts" und ließ erst seit dem Pontifikatswechsel 2013 allmählich durchblicken, was er meint, wenn er von "Menschenrechten" spricht. Grundgesetz statt Katechismus? Nein, nein: diesmal bleibt die 'rainbow flag' eingerollt, kein Sterbenswörtchen dazu. Püttmann ist ein geborener Schlaumeier und hätte sicher nach derzeitigen Maßstäben das Zeug zum Bischof gehabt, wären seine Interessen nicht so eindeutig darauf ausgerichtet gewesen, als gottbegnadeter Politologe in die Annalen der Adenauer-Stiftung einzugehen.

Ich bin von den Linkskatholiken nach "rechts" geprügelt worden, obwohl ich politisch dort nicht zuhause bin. Also habe auch ich allen Anlass, der Mahnung von Kohlgraf beizupflichten: Schluss mit dem kircheninternen Krieg ... In Deutschland scheint der interne Dialog allerdings unmöglich zu sein. Zumindest steht schon vorab fest, wer daran teilnehmen darf. Der amtsmüde ZdK-Präsident zeigte sich erfreut, dass im neu zusammengesetzten ZdK ein "repräsentativer Querschnitt" des Gottesvolkes vertreten sei. (Von "Wahl" sollte man da nicht reden.) Es gibt aber keine Informationen darüber, wieviele Komiteekatholiken direkt oder mittelbar im Sold der Kirche stehen. Zwei Drittel oder drei Viertel? Repräsentativ dürfte der Querschnitt für das Weltbild von Thomas Sternberg deshalb sein, weil die Erwählten vermutlich zu 98% unter der Fahne des "Synodalen Wegs" marschieren. Denn dieser leuchtende Pfad hin zu neuen, heroischen Epochen des deutschen Christentums gilt für seine Mitpilger als alternativlos und sakrosankt. Aber auf welches Ziel hin marschiert man da?

Die Argumente "von links" werden immer dürftiger, weil sie im Milieu des konfessionellen Arbeitnehmertums nicht mehr aus Wissenschaft oder Praxis hergeleitet werden, sondern nurmehr als Ausfluss der dort herrschenden Mentalität aufgesagt werden, der man sich aus dienstlichen Erwägungen verpflichtet fühlt. Einfach gesagt: Der Block kirchlicher Mitarbeiter ist selber Missionsland. Joseph Ratzinger sprach schon 1958 sinngemäß von den "getauften Heiden". Er meinte damit allerdings vor allem die Menschen draußen, außerhalb der kleinen Herde. Es wäre damals undenkbar gewesen, dass kirchliche Beschäftigte in ihrer Sakramentenpraxis, in ihrem Familienleben, wie insgesamt, nicht wenigstens den guten Willen haben, inmitten des Gottesvolkes selber Vorbild zu sein.

Bischof Kohlgraf erinnert zurecht an den kirchlichen "Weltauftrag". Aber womit soll das Salz wieder salzig werden, wenn es seinen Geschmack verloren hat? Vom persönlichen Glauben zu sprechen geriet schon allmählich außer Mode, mitten in der Kirche, als ich noch ehrenamtlicher BDKJ-Funktionär in Kevelaer war. Damals fragte ich in der Lokalzeitung: "Ist der BDKJ ein Bund ohne Grund?" Daran besteht heute kein Zweifel mehr, 35 Jahre danach. Aber die Struktur hat den systematischen Atheismus überlebt, auch bei den Frauen-, Familien- und Gedönsverbänden. Übrigens gab ich mit 20 alle Aufgaben in der kirchlichen Jugendarbeit ab, weil man sich in dem Alter einigermaßen erwachsen fühlte. Heute könnte ich wieder als BDKJ-Vorsitzende kandidieren, wäre ich nur weiblich. Die Stelle ist vakant.

Beim 'Synodalen Weg' scheint allerdings auch die Stelle Gottes vakant zu sein. Hier muss man religionswissenschaftlich unterscheiden. Die Wörter kommen noch vor im Palaver: Gott, Jesus, Geist ... Rein begrifflich liegt kein Atheismus vor. Der Vorzug unserer Religion war es jedoch, dass der Seele ein persönlicher Weg zu Gott vermittelt wird in Jesus Christus. Wenn dieses intime Band zerschnitten wird, dann sind Glaube und Gnade verloren. Ob die Seelenkatastrophe im Einzelfall vollzogen ist, das kann kein Dritter von außen beurteilen. Aber es gibt doch Anzeichen: Schwindet das Gebet? Meidet der Katholik die Sakramente, speziell Buße und Eucharistie? Nistet sich hartnäckiger Glaubenszweifel ein, mitunter leichtfertig beiseite gewischt unter Berufung auf theologischen oder wissenschaftlichen Fortschritt? Wie sieht es mit der tätigen Liebe aus? Wo diese auf Engagement oder Forderungen, Gesinnung oder Haltung konzentriert erscheint, da ist die persönliche Caritas eher fern.

Der hermetische Kommunikations- und Erlebnisraum des katholischen Konzerns hierzulande erschwert die Diagnose. Man bevorzugt dort einen "wertschätzenden" Sprachstil. Die direkte Ansage ist selten. Den richtigen Ton zu treffen, die korrekte Phrase zu drechseln ist wichtiger als die aufrichtige Aussage. Nach Jahrzehnten in klerikaler Laufbahn, auch bei beamteten Laien, weiß man, wie man sich zu gebärden hat. Aber jede Originalität, jede Spontanität von Mensch zu Mensch ist oft weggespült, aberzogen. Es spricht Einiges dafür, dass in deutschen Landschaften vor allem Kulissen eines devoten Atheismus anzutreffen sind, in denen Glaube, Hoffnung und Liebe ums Überleben ringen. Aber von "rechts" - eigentlich: aus der religiösen Mitte der Kirche - darf keine Kritik aufflammen. 'Konstruktive Kritik' ist ausschließlich der pastoralen Linken vorbehalten, denn da steht man auf der historisch und moralisch richtigen Seite. 'Brüder, zur Sonne, zur Freiheit ...!' Ähem, jetzt natürlich: Schwestern zur Sonne, zur Freizeit. Fast ist es ein bisschen schade, dass sich Frau Dr. Gilles nicht mit Lisi Maier verloben wird. Das wäre doch ein eklatantes Signal des bischöflichen Feminismus gewesen.

Eine Annehmlichkeit der Geschichte besteht darin, dass sie weitergeht. Jede Prognose ist unzuverlässig, auch meine. Aber ich denke doch, dass die kirchlich-konservative Interpretation des jüngsten Konzils obsiegt. Ich bin mir sicher, dass die lateinische Liturgie erhalten bleibt. Ich glaube, dass kein Dogma der Kirche jemals umgestürzt wird, auch nicht die Lehre des Ersten Vatikanum. Die Feldherren (und -damen) der deutschen Kirche bevorzugen jedoch die Hoffnung, die Emanuel Geibel schon 1861 vortrug, nur hundert Jahre vor der Geburt des Großen Bätzing: "Und es mag am deutschen Wesen / einmal noch die Welt genesen." Der Leser des 21. Jahrhunderts merkt auf: Einmal noch? Bitte, nicht schon wieder! Und bitte nicht auf dem Gebiet der Religion.

 

 

Foto: (c) kath.net

 


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