Haiti: Bischöfe entsetzt über Gewalt-Eskalation

12. Juli 2021 in Weltkirche


Bischofskonferenz äußert sich nach Ermordung von Präsident Moise


München-Wien (kath.net/KIN)

Die katholischen Bischöfe von Haiti haben sich nach der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse entsetzt gezeigt. „Dieses traurige Ereignis markiert einen unglücklichen Wendepunkt in der Geschichte unseres Volkes“, heißt es in einer Erklärung der haitianischen Bischofskonferenz, die dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN) vorliegt. Die aktuelle Eskalation sei gekennzeichnet „durch die bewusste Wahl von Gewalt …, die viele Teile der Bevölkerung seit einiger Zeit als Methode des Überlebens und der Konfliktbeilegung wählen“. Haiti befinde sich in einer „politischen Sackgasse“, stellen die Bischöfe fest. Sie schlagen einen runden Tisch vor, der jede Bevölkerungsgruppe einschließt und auf einen Waffenverzicht hinarbeitet.

 

Kürzlich hat die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der haitianischen Bischofskonferenz einen Bericht veröffentlicht, der allein für die Hauptstadtregion Port-au-Prince im ersten Vierteljahr 2021 131 gewaltsame Todesfälle dokumentiert. 31 Todesopfer hätten nicht einmal identifiziert werden können. Pro Tag ereigneten sich in der Hauptstadt durchschnittlich ein oder zwei Entführungen. An manchen Tagen werden bis zu sechs Personen verschleppt.

 

„Völliger Mangel an Stabilität“

 

„Der Mord an Präsident Moïse zeigt den völligen Mangel an Stabilität im Land“, erklärte der für Haiti zuständige Projektreferent von „Kirche in Not“ (ACN), Rafael d´Aqui. „Die aktuelle Lage ist eine große Herausforderung für die Kirche, die als Motor für den Frieden eine Schlüsselrolle spielt. Die haitianische Gesellschaft muss die Botschaft des Evangeliums von Gerechtigkeit, Versöhnung und Vergebung vertiefen.“ Rund 94 Prozent der Haitianer sind Christen, die meisten gehören der katholischen Kirche an.

 

„Kirche in Not“ unterstütze die Kirche auf Haiti seit Jahren, hob d’Aqui hervor. Dazu zählt zum Beispiel der Wiederaufbau kirchlicher Einrichtungen nach Erdbeben oder Wirbelstürmen, die Ausbildung von Priestern und Katecheten und die Unterstützung der Arbeit von Seelsorger in den Armenvierteln der Städte. Im vergangenen Jahr hat „Kirche in Not“ auf Haiti Projekte im Umfang von rund 690.000 Euro unterstützt.

 

„Die Kirche will den Menschen ein Mindestmaß an Menschenwürde gewährleisten, da der Staat seiner Aufgabe nicht gerecht wird. Wir können sie nicht alleinlassen“, erklärte der Projektreferent. Er rief im Namen von „Kirche in Not“ zum Gebet für die Menschen in Haiti auf: „Schließen wir uns dem Aufruf der Bischöfe an und bitten wir die Patronin von Haiti, Unsere Liebe Frau von der immerwährenden Hilfe, das Land von den Fesseln des Hasses und des Bösen zu befreien.“

 

Auf den Straßen haben Banden das Kommando übernommen

 

Der haitianische Präsident Jovenel Moïse war in der Nacht zum 7. Juli erschossen worden. Auch die Frau des Präsidenten, Martine Moïse, wurde schwer verletzt. Sie wird in einem Krankenhaus in den USA behandelt und schwebt in Lebensgefahr. Nach Polizeiangaben wurden mittlerweile 17 Tatverdächtige verhaftet und drei weitere getötet.

 

Seit über zehn Jahren befindet sich Haiti in einer politischen und wirtschaftlichen Dauerkrise. Regierung und oppositionelle Kräfte geben sich gegenseitig die Schuld an der Eskalation vor. Auf den Straßen haben vielfach bewaffnete Banden das Kommando übernommen. Nach dem Mordanschlag auf den Präsidenten hat die Regierung den Ausnahmezustand ausgerufen.

 

Foto: Kinder auf Haiti. © Kirche in Not


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