Der Papst nach der Operation, Analyse und Perspektiven. Ein Kommentar von ‚Il Sismografo’

9. Juli 2021 in Aktuelles


Wie Medien durch höfische Schmeicheleien ihre eigentliche Aufgabe verleugnen und ihre Leser in eine unwirkliche Scheinwelt hineinzerren. Was Papst Franziskus wirklich braucht und wie ganz anders die Zukunft sein wird. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) In Rom gibt es einen „Seismographen“, der versucht, alle Erschütterungen in der Weltkirche und besonders in deren Zentrum zu verzeichnen. „Il Sismografo“ ist eine para-vatikanische Informationsseite in Internet, die seit dem Jahr 2012 alles verzeichnet, was auf italienisch, spanisch, portugiesisch, englisch und französisch in der Presse über „die Kirche“ und vor allem über „den Papst“ veröffentlicht wird.

Dieser „Seismograph“ entstand aufgrund der Unfähigkeit der damaligen vatikanischen Medien, den Umständen entsprechend auf die Angriffe gegen Benedikt XVI. zu reagieren und den Heiligen Stuhl mit angemessenen und koordinierten Informationen zu versorgen und so zu schützen. Man denke nur an die schlechte Art und Weise der Kommunikation in Bezug auf die Rücknahme der Exkommunikation der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. im Jahr 2009. Damals musste der alleingelassene Benedikt XVI. sogar persönlich mit einem Brief an die Bischöfe der Weltkirche einschreiten. Ende 2011 begann dann der „Vatileaks-Skandal“ hochzuschschwappen. Viele Medien nutzten dies, um sich mit neuer Gewalt auf einen bereits geschwächten Benedikt XVI. zu stürzen – und der Vatikan tat an und für sich nichts anderes als eine ungeschützte Flanke zu bieten, einladend für alle möglichen Breitseiten gegen das im Sturm wankende Schiff der Kirche.

„Il Sismografo“ machte dann das, was lange Jahre vorher bereits von privaten Blogs getan wurde. Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang sind in Italien die verschiedenen „Papa Ratzinger Blogs“ von Raffaella (vgl. „Aufbruch und Niedergang der Blogozese“), die auch für die Journalisten in jenen Tagen zu einem wichtigen Instrument geworden waren. Doch auch im deutschsprachigen Raum hatte sich bereits seit Ende 2010 – „annus horribilis“ des deutschen Missbrauchsskandals – unter anderem eine Initiative deutschsprachiger katholischer Journalisten und Medien gebildet, deren Ziel es war, Vernetzung zu schaffen. Denn: oft ist gerade unter Journalisten nicht selten eine mangelnde Kommunikation festzustellen.

Luis Badilla Morales ist der Hauptkurator und Verantwortliche des „Sismografo“, der – wie gesagt primär – eine Sammelstelle ist, die dem Vatikan als Instrument dient. Immer öfter aber kam und kommt es in den letzten Jahren dazu, dass Badilla Kommentare zeichnet, die alles andere als neutral sind.

Badilla ist Chilene. Er war in den 70ger Jahren des letzten Jahrhunderts Aktivist in der Partei „Izquierda Cristiana“, die die Regierung von Salvador Allende unterstützte. Er wanderte nach dem Staatsstreich von 1973 als Exilant nach Europa aus. Viele Jahre arbeitete er bei Radio Vaticana. Er war in der Vergangenheit auch allgegenwärtig auf den Bildschirmen von TV 2000, dem Fernsehsender der italienischen Bischofskonferenz.

Badilla ist also „kritisch“ immer „auf der Seite des Papstes“, dies umso mehr seit dem Jahr 2013 als überzeugter Anhänger des sich seit dem 13. März 2013 installiert habenden „Neuen Kurses“. Umso wichtiger und bemerkenswerter sind seine Analysen und Kommentare aus der Welt der „Bergoglianer“ (zu denen er sich nicht zählen würde. Denn: er dient dem Papst, während viele der sogenannten „Bergoglianer“ und Neo-Papisten ihren eigenen Projekten und Ideologien dienen).

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„Il Sismografo“ vom 7. Juli 2021

Zuallererst möchten wir unsere besten Wünsche und Gebete für den Heiligen Vater Franziskus erneuern und Gott danken, der ihn in einem äußerst heiklen Moment beschützt hat, indem er ihm nicht nur die Fähigkeit zur Genesung, sondern auch Vitalität und Reaktionsfähigkeit gegeben hat und, woran zu erinnern ist, ein medizinisches Team und ein Gesundheitszentrum, das zu den besten der Welt gehört. Es gibt jedoch ein sehr bedeutendes Detail, das viele in diesen Stunden unterschätzen, ignorieren oder manipulieren: die Krankheit, mit der Papst Franziskus geschlagen ist, ist schwer und degenerativ. Sie kann sogar chronisch sein.

Von einer Passage im Bulletin des vatikanischen Pressebüros vom gestrigen Dienstag, dem 6. Juli, die uns versichert, dass der Pontifex „gefrühstückt“ hat, kann man ableiten, dass die Operation nicht besonders verheerend war, und das ist eine sehr gute Nachricht.

Sicherlich wird der Heilige Vater in den Vatikan zurückkehren, um seinen Weg in den Fußstapfen Petri fortzusetzen, aber er wird nicht derselbe sein. Die ganze Rhetorik über einen „Supermann“ Jorge Mario Bergoglio schadet seinem Image und Charisma. Die Menschen, die die Nachrichten lesen, hören oder sehen sind nicht dumm oder unfähig, zu reflektieren und sich Fragen zu stellen, auch weil es Millionen von Familien gibt, die ähnliche Erfahrungen mit ihren älteren Menschen gemacht haben. Wir wissen aus zahlreichen maßgeblichen Pressequellen, dass sich der Papst am Sonntagabend unter Vollnarkose und starken Beruhigungsmitteln zunächst einer laparoskopischen Operation unterzog (fast eine Art Auskundschaften des unteren Teils der Bauchhöhle mit sehr ausgeklügelten kleinen Sonden) und unmittelbar danach einer „offenen“ oder „open sky“-chirurgischen Operation, um mit den Händen in einem totalen Sichtfeld zu arbeiten.

Die Laparoskopie stieß auf unüberwindbare Hindernisse, und so entschieden sich der Chirurg und sein Team – der Patient hatte bei der Aufnahme sein Einverständnis zu dieser Möglichkeit gegeben – auf eine andere Methode umzusteigen, die es erlaubte, mehrere Zentimeter des Dickdarms zu entfernen, die nun einer strengen histologischen Kontrolle unterzogen werden.

Aus einer Passage im Bulletin des vatikanischen Pressebüros vom gestrigen Dienstag, dem 6. Juli, die uns versichert, dass der Pontifex „gefrühstückt“ hat, kann man ableiten, dass die Operation nicht besonders verheerend war, und das ist eine sehr gute Nachricht.

Die erwachsenen und reifen Gläubigen verstehen und begreifen, wenn auch mit Schmerz, dass Papst Franziskus das Leben, das Gott ihm schenken wird, mit vielen körperlichen und physiologischen sowie den Stoffwechsel betreffenden Einschränkungen leben wird. Er wird kontinuierlich mit wichtigen klinischen Analysen kontrolliert werden müssen und weitere Krankenhausaufenthalte sind zu vermuten, auch wenn sie nur kurz sein werden. Die absolut notwendigen Instrumente, um zu einem diagnostischen Bild zu gelangen, gibt es im Vatikan nicht und die Mittel der Gemelli-Klinik in Rom sind die technologisch modernsten.

Deshalb ist es gut, mit Zuneigung und Gelassenheit abzuwarten, was der Heilige Vater tun wird, damit alles die Frucht seiner Entscheidungen und derjenigen der Ärzte ist, die ihn beraten, ohne dass man sich dem Druck der Medien aussetzen muss.

Es gibt keinen Grund, irgendetwas zu erfinden, um Franziskus’ Profil hochzuhalten, am wenigsten die anstehenden internationalen und sogar interkontinentalen Reisen. Es ist klar, dass Franziskus gerne Mitte September nach Budapest zum Abschluss des 52. Internationalen Eucharistischen Kongresses und dann in die Slowakei fahren möchte, aber niemand weiß heute, ob diese Pilgerreise möglich sein wird. Es ist zu hoffen, dass diese Besuche Realität werden, aber mehr kann nicht gesagt werden.

Der Heilige Vater muss sich um seine Gesundheit kümmern und er muss von allen unterstützt werden, vor allem von den Katholiken. Er weiß, dass er sein Leben stark umstellen muss: Müdigkeit, Ruhe, Grenzen, Ernährung, körperliche Rehabilitationsübungen...

Eine kleine Möglichkeit, dem Papst nahe zu sein, während er wieder zu Kräften kommt – ein langsamer, allmählicher und komplexer Prozess – besteht darin, den höfischen Schmeicheleien in der Presse ein Ende zu setzen. Papst Franziskus braucht dies nicht.

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Bulletin vom 9. Juli 2021:

Seine Heiligkeit Papst Franziskus verbrachte einen ruhigen Tag mit einem normalen klinischen Verlauf. Er aß weiterhin regelmäßig und fuhr mit seinen geplanten Behandlungen fort.

Er ging in den Korridor und nahm seine Arbeit wieder auf, abwechselnd mit Momenten des Lesens von Texten.

Am Nachmittag feierte er die Heilige Messe in der Kapelle seiner Privatwohnung, in Anwesenheit all derer, die ihm in diesen Tagen des Krankenhausaufenthaltes beistehen.

Nach einem leichten fiebrigen Anfall (vom Vortag) hat der Heilige Vater kein Fieber mehr.

Am kommenden Sonntag wird der Angelus vom 10. Stock des Universitätsklinikums „A. Gemelli“ gebetet werden.

Der Heilige Vater dankt für die zahlreichen Botschaften der Zuneigung und Verbundenheit, die er täglich erhält, und bittet, weiterhin für ihn zu beten.

 


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