Ein polnischer Priester in Dachau

3. Mai 2004 in Interview


Interview mit P. Msgr. Kazimierz Majdanski, emeritierter Erzbischof von Stettin-Kamien, der das Konzentrationslager überlebt hat.


Warschau (www.kath.net / zenit) Die polnische Kirche hat den 29. April zum „Tag des Martyriums des polnischen Klerus während des Zweiten Weltkriegs“ erklärt. Ein Drittel aller Menschen, die in Dachau ermordet wurden, war polnischer Nationalität. Das Nazi-Regime hatte sich zum Ziel gesetzt, die Elite des besetzten Polens zu eliminieren.

Das Konzentrationslager Dachau, wohin man die polnischen Priester brachte, wurde somit zum Hauptort ihres Martyriums. 861 Priester kamen dort um, unter ihnen der Weihbischof von Wroclaw, Michal Kozal, den der Papst 1987 selig sprach, und der Bischof von Lublin, Wladyslaw Goral. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gab es 10.017 polnische Priester. Etwa 20 Prozent von ihnen starb in den Gefängnissen und den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Unter ihnen waren fünf Bischöfe. Weitere 30 Prozent erlitt Schikanen unterschiedlichster Art. Am Ende des Kriegs war der aktive Klerus auf diese Weise auf die Hälfte geschrumpft.

Einer von den Priestern, die die Hölle von Dachau überlebt haben und noch am Leben sind, ist Msgr. Kazimierz Majdanski, emeritierter Erzbischof von Stettino-Kamien. Majdanski war Seminarist in Wloclawek, als er am 7. November 1939 zusammen mit anderen Seminaristen und Professoren verhaftet wurde. Er wurde zunächst ins Lager nach Sachsenhausen gebracht, später nach Dachau.

In Dachau stellte man pseudowissenschaftliche Experimente mit ihm an – wenn jemand überlebte, war dies tatsächlich ein Wunder. Nach dem Krieg wurde er in Paris zum Priester geweiht und zur Fortsetzung seiner Studien nach Fribourg in die Schweiz geschickt. Zurück in Polen war er als Vizerektor des Seminars tätig, ehe er Weihbischof von Wroclawek und Erzbischof von Stettin-Kamien wurde. Er arbeitete aktiv beim 2. Vatikanischen Konzil mit und gründete 1975 ein Institut für Studien zur Familie in Lomianki, damals ein Pionierprojekt.

Anlässlich des Tages des Martyriums des polnischen Klerus führte Vladimir Redzioch ein Gespräch mit Erzbischof Majdanski, in dem dieser ein Zeugnis von den tragischen Jahren gab.

Wie erlebten Sie das Konzentrationslager Dachau?

Msgr. Majdanski: Am Eingang des Lagers standen die Worte: ‚Arbeit macht frei’. Aber in Wahrheit sollte die unmenschliche Arbeit in der Kälte des Winters und Hitze des Sommers, mit ungenügenden Essensrationen, mit Schlägen und Demütigungen, dazu dienen, den Menschen zu zerstören. Am Ende, wenn eine Person nicht mehr fähig war zu arbeiten, wurde sie mit den so genannten ‚Invalidentransporten’ in die Gaskammern geschickt. In der Absicht jener, die diese Konzentrationslager bauten, lag es, dass die Gefangenen das Lager im Rauch des Verbrennungsofens verlassen sollten.

Sie befanden sich unter den Gefangenen, die medizinischen Experimenten unterzogen wurden.

Msgr. Majdanski: Ja. In Dachau machte ein gewisser Prof. Schilling medizinische Pseudo-Experimente. In der Praxis wurde bei den Gefangen erprobt, wie sie auf Substanzen reagierten, die ihnen injiziert wurden. Ehe ich diesen Experimenten unterzogen wurde, bat ich meinen Professor im Seminar, meine Familie von meinem Tod zu informieren, und ich überließ ihm meinen „Schatz“, zwei Scheiben altes Brot. Dass ich überlebt habe, ist ein echtes Wunder. Leider starb P. Jozef Kocot, mein Zimmerkollege, ein Philosophielehrer im Seminar, in Stille und in unbeschreibbarem Leiden.

Was bedeutete das Konzentrationslager für euch Priester?

Majdanski: Wir dachten, dass die Tempel des Nero und Diokletian zurückgekehrt sind, die Tempel des Hasses gegen das Christentum und alles, was es repräsentierte. Das Konzentrationslager war die Inkarnation der Zivilisation des Todes. Nicht aus Zufall befanden sich Totenköpfe auf den Uniformen der Deutschen! Unsere deutschen Peiniger lästerten Gott, verleumdeten die Kirche und nannten uns die „Hunde von Rom“. Sie wollten uns zwingen, das Kreuz und den Rosenkranz zu schmähen. Im Letzten waren wir für sie nur Nummern, die ausgelöscht werden sollten. Es blieb uns die Verbundenheit mit Gott, das im Geheimen gesprochene Gebet, die geheime Beichte. Es fehlte uns so sehr die heilige Eucharistie. In dieser „Maschine des Todes“ waren die Priester zum Opfer des Lebens gerufen, treu zu sein bis zum Tod. P. Stefan Frelichowski hat zusammen mit P. Boleslaw Burian eine Art von Gemeinschaft gegründet, deren Mitglieder sich zur Aufgabe machten, alle Demütigungen und Leiden im Lager auf eine dem Geist des Evangeliums entsprechende Weise zu ertragen, und alles jeden Abend um 21 Uhr Maria zu übergeben. Als die Typhus-Epidemie ausbrach, hat sich P. Frelichowski freiwillig angeboten, um den Kranken zu dienen. Er starb, indem er sein Leben für die anderen gab, wie der heilige Maximilian Kolbe, den der Papst selig gesprochen hat.

Haben Sie viele Ihrer Kollegen sterben sehen?

Msgr. Majdanski: Die Hälfte der polnischen Priester, die in Dachau interniert waren, starb. Ich habe viele Priester auf heroische Art und Weise sterben sehen. Sie alle waren treu zu Christus, der zu seinen Jüngern gesagt hat: „Ihr werdet meine Zeugen sein“. Sie starben als katholische Priester und als polnische Patrioten. Manche konnten sich retten, aber niemand ist einen Kompromiss eingegangen: 1942 haben die Lagerbehörden den polnischen Priestern die Möglichkeit einer Sonderbehandlung angeboten, unter der Bedingung, sich der deutschen Nation zugehörig zu erklären. Niemand hat es getan. Als P. Dominik Jedrzejewski als Folge einer Intervention bei den deutschen Behörden die Freiheit angeboten wurde, unter der Bedingung, dass er auf seinen priesterlichen Dienst verzichte, antwortete er ruhig „Nein“. Und er starb. Das Martyrium des polnischen Klerus während der Nazi-Hölle war eine ruhmreiche Seite in der Geschichte der Kirche und in der Geschichte Polens. Schade, dass sich darüber ein Vorhang des Schweigens gesenkt hat.


© 2004 www.kath.net