Die Angst vor dem Sakralen, vor dem Heiligen

20. Juli 2021 in Aktuelles


Ein Aspekt der aktuellen Auseinandersetzung um den Gregorianischen Ritus: sorgen wir dafür, dass das Heilige seinen Platz findet, wo es zurecht hingehört. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Aurelio Porfiri, Komponist, Chordirigent, Organist, Pädagoge, Autor und Verleger, bietet uns diese Reflexion über die Angst, die die Kategorie des "Heiligen" in so vielen modernen Liturgikern zu wecken scheint- Auch der Zusammenhang mit dem Angriff, den Papst Franziskus mit “Traditiones custodes” brutal gegen das Motu Proprio “Summorum Pontificum” Benedikts XVI. und die von diesem in 14 Jahren generierte Bewegung des “Populus Summorum Pontificum” führt, wird dabei thematisch.

***

Die Angst vor dem Sakralen, vor dem Heiligen. Von Aurelio Porfiri

Der große Aufruhr, den das Motu Proprio von Papst Franziskus über die tridentinische Messe ausgelöst hat, hat zu zahlreichen Kommentaren geführt, die sich oft mit den Vorzügen des Dokuments selbst oder mit der Situation, die es schaffen würde, beschäftigt haben. Stattdessen möchte ich über die Situation nachdenken, die bei einigen Menschen, nicht wenigen, das Bedürfnis auslöst, die tridentinische Messe zu besuchen und nicht den Novus Ordo.

Ich denke, dass dies mit der Tatsache identifiziert werden kann, dass in der letzteren, mit sehr seltenen Ausnahmen, ein Verlust des Heiligen mit einem daraus resultierenden Mangel an Sinn für Anbetung stattgefunden hat.

Das “Heilige" ist eine sehr schwierig zu handhabende Kategorie, und sie geht offensichtlich weit über den Rahmen unseres spezifischen Katholizismus hinaus. Heilig, vom lateinischen “sacer”, ist das, was konsekriert ist, das, was für die Gottheit bestimmt ist. Es steht im Gegensatz zum Profanen und noch mehr im Gegensatz zur Unterhaltung (deren Musik heute von manchen als für die Liturgie geeignete Musik ausgegeben wird) in dem Sinne, den uns der Anthropologe Victor Turner gelehrt hat, wobei Unterhaltung, “intrettenimento”, (vom altfranzösischen “entretenir”) auch "getrennt halten" bedeutet, also eine Trennung, die der des Heiligen entgegengesetzt ist (Victor Turner , “Vom Ritual zum Theater”).

Doch diese Kategorie des Heiligen scheint viele moderne Liturgiker zu ängstigen, obwohl es diese Kategorie ist, die den Priester ausmacht (sacra dans), nicht andere, wenn auch edle Tätigkeiten. Auch der Priester ist abgesondert, “reserviert” für seine hohe Aufgabe, das Opfer zu feiern, das unsere Erlösung verdient. Alles andere, was mit der Rolle des Priesters zusammenhängt, von seiner Empathie bis zu seiner Umweltsensibilität, ist dieser Rolle, die ihn als "Mann des Heiligen" ausmacht, weitgehend untergeordnet.

Das Heilige macht Angst, weil es offensichtlich in ungesunde Richtungen ausbrechen kann. Mircea Eliade sagte zu Fausto Gianfranceschi: "Ja, es scheint mir jetzt, dass die Erfahrung des Heiligen nicht etwas Kontingentes ist, das sich nur auf bestimmte Perioden und bestimmte Bedingungen bezieht, sondern eine permanente Struktur des menschlichen Geistes darstellt, trotz Verfinsterungen und Verkleidungen" (in: “Kosmos und Geschichte. Der Mythos der ewigen Wiederkehr”).

Dieses Bedürfnis nach dem Heiligen, dem die Rolle der Religion entspricht (sich neu zu binden, an bestimmten Riten festzuhalten), ist durch tarnende Verstecken des sakralen Handelns im Novus Ordo furchtbar verdunkelt worden, ein verallgemeinerter Missbrauch, dem nie mit der nötigen Kraft und Entschiedenheit etwas entgegengesetzt wurde.

Mircea Eliade selbst sagte zu Alfredo Cattabiani: "Der Verlust der Sakralität führt stattdessen zur Angst angesichts des banalen Flusses der Existenz". Das Problem ist aber, dass dann das Heilige nicht einfach verloren geht, sondern zu etwas Unpassendem umgeleitet wird. Hier sehen wir so viele Priester, die, anstatt diejenigen zu sein, die das Heilige, das von Gott kommt, vermitteln, selbst "sakralisiert" werden, indem sie sich selbst in den Mittelpunkt stellen und den Ritus auf ihr eigenes Geschwätz und auf ein Geschwätz, das nichts mit der Liturgie zu tun hat, zentrieren.

Man sollte zugeben, dass das Wachstum der tridentinischen Messe das Scheitern des nachkonziliaren Reformprojekts deutlich anzeigt. Anstatt auf den "Traditionalisten" herumzuhacken, wäre es eine gute Idee, diejenigen zu bestrafen, die “Sacrosanctum Concilium” verraten haben, das etwas ganz anderes forderte als das, was wir in vielen, zu vielen Kirchen sehen.

Niemand sagt, dass die Messe im Novus Ordo nicht gültig ist, aber es ist eine Sache, wie gültig sie ist, und eine andere, wie erbaulich sie ist. Manchmal ist es zutiefst traurig, Priester zu beobachten, die vom liturgischen Text abweichen, unzureichende und schlecht vorgetragene Gesänge und völlig verwirrte Gläubige...es mag gültig sein, aber es ist sicherlich nicht erbaulich.

Und man soll mir nur nicht sagen, dass dies Ausnahmen sind, wir alle wissen, dass dies nun die Regel ist. Das Heilige, das dieser Seite entflicht und auf dieser Seite fehlt, wird dann auf einer anderen gesucht, und die beste Hypothese ist eben die der tridentinischen Messe (weil die große Mehrheit der Gläubigen in der Gemeinschaft mit Rom bleiben will, von wegen Spaltung oder Schisma), doch viele suchen es in anderen religiösen Bewegungen oder in den UFOs (die nicht zufällig ein Revival erleben).

Die Kirchen leeren sich mehr und mehr, es ist ein unaufhaltsamer Prozess. Sorgen wir dafür, dass das Heilige seinen Platz findet, wo es zu Recht hingehört, und lassen wir nicht zu, dass es in abweichende Manifestationen abwandert, die unaufhaltsam außer Kontrolle geraten und für manche ein Vehikel für den Untergang werden.

 


© 2021 www.kath.net