"Hüter der Tradition" klingt leider zynisch in vielen Ohren...

23. Juli 2021 in Interview


... wenn man gleichzeitig mit diesem päpstlichen Dokument genau gegen diese Tradition vorgeht. kath.net-Interview mit Bischof Marian Eleganti über seine Tätigkeiten als emeritierter Weihbischof und "Traditionis custodes" - Von Roland Noé


Chur (kath.net/rn)

kath.net: Was ist derzeit Ihre Aufgabe oder was macht ein emeritierter Weihbischof?

Eleganti: Ich stehe in der Verkündigung und Begleitung von vielen Menschen. Sie holen mich selbst. Ich bin offen und zugänglich, und gehe durch jede Tür, die der HERR mir öffnet.

kath.net: Aus der Ferne hat man das Gefühl, dass die katholische Kirche in der Schweiz kaum mehr existiert? Ist dieser Eindruck richtig oder gibt es auch in der Schweiz katholische Oasen, die blühen und Hoffnung?

Eleganti: Die mediale Präsenz bildet nicht das Wirken Gottes ab in den Herzen der Menschen. Natürlich gibt es auch in der Schweiz Oasen des Glaubens, z.B. das Oremus im Niederdorf von Zürich.

kath.net: Der Sommer-Aufreger ist seit einigen Tagen das Schreiben "Traditionis custodes", mit dem die sogenannte "Alte Messe"  eingeschränkt werden soll. Selbst viele Katholiken, die überhaupt nicht die "Alte Messe" besuchen, sehen hier eine ziemliche Ungerechtigkeit.  Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Eleganti: Meine Einschätzung ist, dass wir das dem Heiligen Geist überlassen sollten. Offensichtlich hat diese Liturgie viele junge Menschen angezogen weltweit. Wer will das verteufeln? Warum ist diese Liturgie für sie so anziehend? Wir sollten über die Weise nachdenken, wie der Novus Ordo gefeiert wird, um das Phänomen zu verstehen, dass so viele junge Menschen sich von der tridentischen Liturgie angezogen fühlen. Eine Antwort darauf ist die Entsakralisierung und Banalisierung der hl. Eucharistie im Novus Ordo. Das ist offensichtlich. Denken wir nur an die Fastnachtsgottesdienste mit Priestern in Maskerade, um nur ein Beispiel zu nennen. Letzteres zeigt, wie weit das gehen kann. Wer sollte sich davon nicht angewidert oder noch angezogen fühlen? Für Corona haben auch die sogenannten Liberalen, die sonst jede liturgische Rubrik gerne ignorieren, peinlich genau  die neuen Gottesdienstregeln eingehalten.

Man konnte über ihren neuen Gehorsam nur staunen, während seit Jahrzehnten gegen liturgische Vorgaben massenhaft und systemisch verstossen wurde, ohne dass jemand eingegriffen hätte. Darüber sollten wir nachdenken, bevor wir gegen die jungen Menschen vorgehen, welche sich vom Heiligen angezogen fühlen, dort, wo es erfahrbar wird, aber nicht nur junge Menschen, wie man sieht. Die ständig beklagte Rigidität ist auch in jenen, die jetzt dagegen rücksichtslos und ideologisch vorgehen und vom Papst dazu ermächtigt wurden. Die Eingangsworte "Hüter der Tradition" klingen leider zynisch in vielen Ohren, wenn man gleichzeitig mit diesem päpstlichen Dokument genau gegen diese Tradition vorgeht und die Haltung früherer Päpste in dieser Frage kassiert, was auch gegen die Kontinuität in der Lehre spricht. Alle sollten für den Dialog offen bleiben und bereit sein, dazu zu lernen und eigene Positionen zu revidieren, wo es um die Gegenwart Gottes in der hl. Messe geht und um eine liturgische Form, die der letzteren wirklich gerecht wird. Das ist doch das Kernproblem!

kath.net: Haben Sie einen Sommer-Wunsch an die kath.net-Leser oder eine besondere Botschaft für die Leser?

Eleganti: Beten wir gemeinsam, dass die Pläne der Mächtigen zuschanden werden und die Wahrheit siegt, die uns allen die Freiheit zurückbringen wird, in und ausserhalb der Kirche!

kath.net: Herzlichen Dank für das Interview

 

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