27. Juli 2021 in Kommentar
Schwere Kritik an Traditionis custodes aus den Niederlanden: Vom Papst „höre ich nie etwas über die vielen liturgischen Missbräuche, die es in unzähligen Pfarreien gibt... Sämtliche Waffen werden eingesetzt, um die Alte Messe zu verbannen.“
‘s-Hertogenbosch (kath.net/Blog Paarse Pepers/pl) kath.net dokumentiert den Blogbeitrag „Ein böses Edikt von Papst Franziskus“ von Rob Mutsaerts, Weihbischof von ‘s-Hertogenbosch (Niederlande) in voller Länge in eigener Übersetzung – © für die Übersetzung: kath.net
Ein böses Edikt von Papst Franziskus
Papst Franziskus fördert Synodalität: Jeder soll reden können, jeder soll gehört werden. Dies war bei seinem kürzlich erschienenen Motu proprio Traditionis Custodes allerdings kaum der Fall, einem imperialen Edikt, das der traditionellen lateinischen Messe sofort ein Ende setzen muss. Damit zieht Franziskus einen dicken fetten Strich durch das Summorum Pontificum, das Motu proprio von Papst Benedikt, das der alten lateinischen Messe viel Raum gab. Dass Franziskus hier ohne Rücksprache das Machtwort spricht, deutet auf einen Autoritätsverlust hin. Dies wurde bereits früher deutlich, als die Deutsche Bischofskonferenz den Rat des Papstes zum Synodalen Prozess nicht beachtete. Dasselbe geschah in den Vereinigten Staaten, wo Papst Franziskus die Bischofskonferenz aufforderte, kein Dokument über würdige Kommunion auszuarbeiten. Der Papst scheint gedacht haben: dann also dieses Mal keinen Rat, sondern einen Vollstreckungsbescheid jetzt, wo wir über die Alte Messe reden.
Die Sprache ist einer Kriegserklärung sehr ähnlich. Seit Paul VI hat jeder Papst immer Möglichkeiten für die Alte Messe offengelassen. Wenn irgendwelche Änderungen vorgenommen wurden, handelte es sich um geringfügige Revisionen, siehe zum Beispiel die Indults von 1984 und 1989. Johannes Paul II. war fest davon überzeugt, dass Bischöfe großzügig sein sollten in der Frage der Zulassung der tridentinischen Messe. Benedikt öffnete mit Summorum Pontificum die Tür sogar weit: „Was damals heilig war, ist heute noch“.
Franziskus knallt mit Traditionis Custodes diese Tür hart zu. Das fühlt sich wie Verrat an und ist ein Schlag ins Gesicht seiner Vorgänger. Die Kirche hat Liturgien nie abgeschafft. Nicht einmal Trient [hat das gemacht]. Mit dieser Tradition bricht Franziskus vollständig. Das Motu proprio enthält einige prägnante Aussagen und Befehle. Dies wird durch eine beigefügte längere Erklärung näher erläutert. Diese Aussage enthält einige sachliche Ungenauigkeiten. Eine davon ist die Behauptung, dass das, was Paul VI. nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil tat, dasselbe sei wie das, was Pius V. nach Trient tat. Dies ist absolut weit von der Wahrheit entfernt. Vergessen Sie nicht, dass vor dieser Zeit [des Trienter Konzils] verschiedene (transkribierte) Manuskripte im Umlauf waren und hie und da lokale Liturgien entstanden. Es war eine Katastrophe.
Trient wollte die Liturgien wiederherstellen, Ungenauigkeiten beseitigen und sie auf Orthodoxie prüfen. In Trient ging es weder um eine Neufassung der Liturgie, noch um neue Ergänzungen, neue eucharistische Gebete, ein neues Lektionar oder einen neuen Kalender. Es ging um die Gewährleistung einer ununterbrochenen, gewachsenen Kontinuität. Das Missale von 1517 geht auf das Missale von 1474 zurück und so weiter bis ins 4. Jahrhundert. Kontinuität gab es ab dem 4. Jahrhundert. Auch nach dem 15. Jahrhundert gibt es vier Jahrhunderte Kontinuität. Von Zeit zu Zeit wurden nur einige kleinere Änderungen vorgenommen oder eine Feier, ein Denkmal oder eine Rubrik hinzugefügt.
Das Zweite Vatikanum forderte laut dem Konzilsdokument Sacrosanctum Concilium liturgische Reformen. Alles in allem ist dies ein konservatives Dokument. Latein wurde beibehalten, gregorianische Gesänge behielten ihren legitimen Platz in der Liturgie. Die Entwicklungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sind jedoch weit von den Konzilsdokumenten entfernt. Der berüchtigte „Geist des Konzils“ ist in den Konzilstexten selbst nirgendwo zu finden. Nur 17% der Gebete des alten Messbuches (Trient) finden sich im neuen Messbuch (Paulus VI.). Dann ist es schwierig, von Kontinuität einer organischen Entwicklung zu sprechen. Benedikt hat dies erkannt und der Alten Messe deshalb reichlich Raum gegeben. Er sagte sogar, dass niemand seine Erlaubnis brauchte („Was damals heilig war, ist es auch heute noch“).
Papst Franziskus gibt nun vor, sein Motu proprio stünde in der gewachsenen Entwicklung der Kirche, doch dies widerspricht völlig der Realität. Indem er die lateinische Messe praktisch verunmöglicht, bricht er endgültig mit der uralten liturgischen Tradition der römisch-katholischen Kirche. Die Liturgie ist kein Spielzeug der Päpste, sondern ein Erbe der Kirche. Bei der Alten Messe geht es nicht um Nostalgie oder Geschmack. Der Papst sollte der Hüter der Tradition sein; der Papst ist der Gärtner, nicht derjenige, der mit seinen Händen etwas hervorbringt. Das Kanonische Recht ist nicht nur positives Recht, es gibt auch ein Naturrecht und ein Göttliches Recht, und außerdem gibt es so etwas wie Überlieferung, die man nicht einfach beiseiteschieben kann.
Was Papst Franziskus tut, hat nichts mit Evangelisation zu tun und noch weniger mit Barmherzigkeit. Es ist eher Ideologie.
Gehen Sie in eine Pfarrei, in der die Alte Messe gefeiert wird. Was findet man dort vor: Menschen, die einfach nur katholisch sein wollen. Das sind in der Regel weder Menschen, die theologische Auseinandersetzungen führen, noch sind sie gegen das Zweite Vatikanische Konzil (sondern sie sind gegen dessen [faktische] Umsetzung). Sie lieben die lateinische Messe wegen ihrer Heiligkeit, ihrer Transzendenz, ihrer zentralen Bedeutung für das Seelenheil, der Würde der Liturgie. Man trifft auf große Familien, die Leute fühlen sich willkommen. Sie [die Alte Messe] wird nur an wenigen Orten gefeiert. Warum will der Papst den Leuten das verweigern? Ich komme auf das zurück, was ich vorhin gesagt habe: Es ist Ideologie. Es ist das Zweite Vatikanum – einschließlich seiner Umsetzung mit all seinen Abweichungen – oder nichts! Die relativ kleine Zahl von Gläubigen (die übrigens wächst, während der Novus Ordo zusammenbricht), die sich bei der traditionellen Messe zu Hause fühlen, muss und wird ausgelöscht werden. Das ist Ideologie und Bosheit.
Wenn man wirklich evangelisieren will, wirklich Barmherzigkeit zeigen will und katholische Familien unterstützen will, dann ehrt man die tridentinische Messe. [Doch] Die Alte Messe kann ab sofort nicht mehr in Pfarrkirchen gefeiert werden (wo sonst?), Sie benötigt die ausdrückliche Erlaubnis Ihres Bischofs, der sie nur an bestimmten Tagen zulassen darf. Und für jene, die in Zukunft zum Priester geweiht werden und die die Alte Messe feiern wollen, muss sich der Bischof Rat aus Rom einholen. Wie diktatorisch, wie unpastoral, wie unbarmherzig will man denn noch sein!
Franziskus bezeichnet in Art. 1 seines Motu proprio den Novus ordo (also die aktuelle Messe) „die einzige Ausdrucksform der lex orandi des Römischen Ritus. Er unterscheidet daher nicht mehr zwischen der Normalen Form (Paulus VI) und der Außerordentlichen Form (Tridentinische Messe). Es wurde immer gesagt, dass beide Ausdruck der Lex Orandi sind, nicht allein nur der Novus ordo. Auch hier wurde die alte Messe nie abgeschafft! Ich höre von Bergolio nie etwas über die vielen liturgischen Missbräuche, die es landauf landab in unzähligen Pfarreien gibt. In den Pfarreien ist alles möglich, außer der tridentinischen Messe. Sämtliche Waffen werden eingesetzt, um die Alte Messe zu verbannen.
Warum eigentlich? Um Gottes Willen, warum? Was ist die Besessenheit von Franziskus, diese kleine Gruppe von Traditionalisten ausradieren zu wollen? Der Papst sollte der Hüter der Tradition sein; nicht ihr Gefängniswärter. Während Amoris Laetitia sich durch Unbestimmtheit auszeichnete, ist Traditionis Custodes eine völlig offene Kriegserklärung.
Ich habe den Verdacht, dass Franziskus sich mit diesem Motu Proprio selbst ins Bein schießt. Für die Priesterbruderschaft Pius X. wird das eine gute Nachricht sein. Sie hätten [zuvor] nie erraten können, dass sie dies Papst Franziskus verdanken werden …
+Rob Mutsaerts
Archivfoto Bischof Mutsaerts (c) Bistum ‘s-Hertogenbosch
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