2. August 2021 in Kommentar
Die "Bild am Sonntag" berichtet über einen katholischen Pfarrer im deutschen Flutkatastrophengebiet, der nicht mehr beten kann und mit Gott nicht mehr redet. Nicht nur die Leser sind erstaunt - Ein kath.net-Kommentar von Peter Hahne
Berlin (kath.net)
Leser fragen sich heute: Wo bleiben eigentlich die Bischöfe in solch einem Fall? Ja, wo sind sie überhaupt in dieser Katastrophe? Das Flutkatastrophen-Gebiet sei doch eine Hochburg des Katholizismus. Und selbst Margot Käßmann, sonst dem Zeitgeist wohl zugetan, ist erstaunt: Ob es denn dem Herrn Kollegen noch nichtmal zum Psalm 23 gereicht hätte. So die Bild am Sonntag. Die hatte das Ganze überhaupt erst ins Rollen gebracht mit einer Balkenüberschrift auf der Titelseite: „Pfarrer: ich rede nicht mehr mit Gott.“ Eine Woche lang habe ich überlegt, ob man das thematisieren soll. Ich fasse es einfach nicht, wie jemand so denken, ja vor allem reden kann.
Natürlich gibt es Momente, wo man mit Jesus Christus schreien möchte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?!“. Doch als Christ weiß man doch aus der Heiligen Schrift, was danach kam, die letzten Worte Jesu am Kreuz, Worte der Gewißheit in allem Zweifel und der Zuflucht im größten Elend: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Ihm kann ich mein Leben, mein Schicksal, ja sogar meinen Unglauben bringen. Weiß das alles der Herr Pfarrer nicht, Seelsorger in dem meist betroffenen Ort des Katastrophengebietes. „Beten Sie?“ fragt die Reporterin. Antwort: „Nein, ich rede im Moment gar nicht mit Gott…. Die Worte, die ich sonst gebraucht habe, passen nicht.“ Ich wäre hier der Letzte, der einen Stab über diesem armen Mann brechen würde. Nein, wir alle können in eine solche Lage kommen.
Doch genauso wenig, wie ein Kanzlerkandidat, wenn er jemals als Autorität ernst genommen werden will, mitten in den Trümmern des Elends lachen darf, so darf um alles in der Welt ein Pfarrer so etwas öffentlich nicht sagen. Denn der Zeitung, der meist gelesenen Sonntagszeitung Europas, ging es ja darum, die Menschen zu trösten. Deshalb der Anruf beim Pfarrer. Ich fasse es immer noch nicht. Er habe am Telefon geweint, hieß es. Ja, das verstehe ich. Aber ich kenne auch das Lied von Julie Hausmann, das aus tiefster Not geboren ist: „Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch bei der Nacht. So nimm denn meine Hände….“
Karl Carstens, einer der großen unter den Bundespräsidenten (typisch, dass er vergessen ist), erzählte mir als blutjungem Reporter einst, wie er durch das Zeugnis seiner Frau Veronika zum lebendigen Glauben an Jesus Christus gekommen ist. Sie war eine angesehene Ärztin. Und dann sein Rat an den Jungspund: „Christen müssen immer identifizierbar bleiben, egal ob Schüler oder Lehrer, ob Ärztin oder Hausfrau.“ Und es würde die Zeit kommen, dass das Evangelium nicht mehr von Kanzeln und Funktionären zu den Leuten gelangt: „Es ist der normale Mensch in seinem Alltag, der Jesus bezeugen wird und die Menschen zum Glauben ruft. Wie es die Bibel sagt: Wenn der Klerus verstummt, schreien die Steine.“ Und wie die schreien! Da ist der Tiefbau-Unternehmer, der einen ganzen Landstrich vor dem Untergang bewahrte. Er zog unter Lebensgefahr den „Stöpsel“ einer Talsprerre: „Ich habe gebetet, ich habe mich segnen lassen. ich wußte: Gott hilft mir.“
Was für ein Zeugnis! Oder der Feuerwehrmann, der sich in reißender Flut an ein steinernes Grabkreuz klammerte, sechs lange Stunden: „Das Kreuz von Jesus hat mir das Leben gerettet.“ Das Kreuz, das der zeitgeistliche Oberklerus in Jerusalem verleugnet hat! Ja, es ist die Stunde der „Laien“. Eine tief gläubige Frau aus Ahrweiler berichtet, wie einzig ihr Haus in der ganzen Straße von allem Schaden bewahrt blieb. Einzig und allein. „Wir leben mit Jesus. Und er läßt uns nicht im Stich.“ Glaube ist keine Leid-Verhinderungs-Versicherung. Das ist wahr. Und Gott macht das Leid vielleicht nicht erklärlicher. Aber auf jedenfall erträglicher. Trost heißt: Gegenwart Gottes im Leid.
Diese Lektion will ich neu wieder lernen. Vielleicht tut es ja auch der Pfarrer aus dem Katastrophengebiet. Ach so: in einem stimme ich ihm zu. Er sagte der Bild am Sonntag: „Mit Kirche habe ich momentan nichts am Hut. Das Allerletzte, woran ich gerade denke, ist das System Kirche. Gehen Sie davon aus, dass ich für den Laden Kirche gerade gar nichts mache.“ Klar, der beschäftigt sich auf seinen synodalen Irr- und Holzwegen ja auch gerade mit viel Wesentlicherem, mit Gender, Liturgie-Verboten, Schlepper-Schiffen, Pseudo-Rücktrittsangeboten, der Zerstörung der kleinen, effektiven pastoralen Einheiten etc pp. Ja, das alles ist erbärmlich. Des Erbarmens (und der Fürbitte) würdig. So wie jener Pfarrer, der nicht mehr beten kann.
BUCHTIPP
Peter Hahne
Leid - Warum lässt Gott das zu?
160 Seiten
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