Strafbefehle gegen zwei katholische Priester wegen Artikel über "homosexuelle Cliquen" in der Kirche

4. August 2021 in Interview


„Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom“ – „Theologisches“-Herausgeber Prof. Manfred Hauke verteidigt im kath.net-Interview Artikel, die sich mit kriminellen Aktivitäten befassen würden, sieht akademische Meinungsfreiheit in Gefahr


Köln (kath.net/mk) Das Amtsgericht Köln hat vor kurzem gegen zwei katholische Priester Strafbefehle wegen Volksverhetzung über jeweils mehrere 1000 € erlassen. Der eine Beschuldigte, der Pole Prof. Dr. Dariusz Oko, hatte einen Artikel verfasst mit der Überschrift „Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen“. Der andere, Prof. Dr. Johannes Stöhr, ist Chefredakteur der Zeitschrift „Theologisches“, in der der beanstandete Artikel vor einigen Monaten erschien. Das Strafverfahren gegen die beiden Akademiker setzt die (akademische) Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit aufs Spiel.

Ein brisantes Detail: Angezeigt hat die beiden kein Unbekannter, nämlich der in München tätige Priester Dr. Wolfgang Rothe, der sich seit längerer Zeit für die Rechte Homosexueller in der Kirche engagiert und im Mai auch an den bundesweiten Segnungsgottesdiensten für homosexuelle Paare beteiligt war. Rothe war bis 2004 Subregens des St. Pöltner Priesterseminars unter Bischof Krenn gewesen und wurde nach dem dortigen Skandal (er soll in homosexuelle Handlungen mit Seminaristen verwickelt gewesen sein) vom Priesteramt suspendiert. Er bestritt alle Vorwürfe. Der Vatikan enthob ihn schließlich aller Ämter in der Diözese und mahnte ihn zu einer Zeit der Besinnung. Schließlich wurde Rothe (unter Bedingungen und Auflagen) im Erzbistum München eingesetzt. Eine erneute Tätigkeit im Bereich der Priesterausbildung sei laut Vatikan aber ausgeschlossen.

kath.net hat ein Interview mit dem Herausgeber von „Theologisches“, dem Theologieprofessor Dr. Manfred Hauke geführt, wo dieser zu den Vorwürfen Stellung nimmt:

kath.net: Herr Dr. Hauke, was konkret wird dem Autor Dr. Dariusz Oko und dem Chefredakteur von „Theologisches“ Dr. Johannes Stöhr vom Gericht vorgeworfen?

Prof. Dr. Manfred Hauke: Prof. Dr. Dariusz Oko veröffentlichte in „Theologisches“ einen zweiteiligen Artikel unter dem Titel „Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen“ (Januar/Februar, März/April 2021). Das polnische Original ist bereits als Buch erschienen mit der hohen Auflage von 32.000 Exemplaren (mit dem Titelwort „Lavendermafia“). Oko beschreibt darin aufgrund einer genauen Dokumentation die verhängnisvollen Aktivitäten homosexueller Seilschaften in der Kirche. „Wenn sie so weit kommen, dass sie offensichtliche, regelmäßige kriminelle Aktivitäten begehen, werden sie zu homosexuellen Mafias“ (Sp. 50f). Es geht darin also nicht um Homosexuelle im Allgemeinen und nicht einmal pauschal um Kleriker mit gleichgeschlechtlichen Neigungen, sondern um kriminelle Aktivitäten. (Hervorhebung durch Redaktion) Dabei ist natürlich auch vorausgesetzt, dass nach dem „Katechismus der Katholischen Kirche“ homosexuelle Handlungen „in sich nicht in Ordnung“ sind sowie nach dem Zeugnis der Schrift und Überlieferung eine „schlimme Abirrung“ darstellen (Nr. 2357). Um die kriminellen Aktivitäten der genannten Mafia zu kennzeichnen, hat Oko eine Reihe sehr kräftiger Ausdrücke benützt, die von der Staatsanwaltschaft zitiert werden, wie „rücksichtslose Parasiten“ und „Krebsgeschwür“. Dies sei eine Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB. Oko habe „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen einen Teil der Bevölkerung zum Hass aufgestachelt sowie die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen“, dass „Teile der Bevölkerung“ beschimpft und böswillig verächtlich gemacht worden seien. Prof. Stöhr hat ebenfalls einen Strafbefehl erhalten als für „Theologisches“ verantwortlicher Redakteur im Sinne des Pressegesetzes von Nordrhein-Westfalen.

Offensichtlich hat damit die Kölner Staatsanwaltschaft die Vorwürfe des im Bistum St. Pölten inkardinierten und im Erzbistum München tätigen Pfarrvikars Dr. Wolfgang Rothe übernommen, der in seinen Veröffentlichungen auf Twitter und Facebook einzelne Ausdrücke von Prof. Oko aus dem Gesamtzusammenhang herausriss, um sie als pauschale Verunglimpfung von Homosexuellen darzustellen. Er hat damit in der Öffentlichkeit gegen die Professoren Oko und Stöhr, dann aber auch gegen „Theologisches“ und gegen meine Person als Herausgeber, Hass gesät und Diffamation betrieben. Die Kölner Staatsanwalt ist anscheinend auf diese Methode hereingefallen, denn in der Strafanzeige gegen Oko wird nicht einmal der Titel des Aufsatzes in „Theologisches“ erwähnt (das geschieht erst nebenbei im Strafbefehl gegen Prof. Stöhr). Ein wissenschaftlicher Aufsatz, der für die Kirche die Schwere der gegenwärtigen Korruption im Klerus belegen will und zu Gegenmaßnahmen aufruft, wird als „Hassrede“ missdeutet.
 
kath.net: Inwiefern sind die Anschuldigungen aus Ihrer Sicht nachvollziehbar oder nicht?

Hauke: Streiten kann man darüber, ob die Auswahl einzelner Begriffe und Bilder angemessen ist. Selbst Verbrecher haben eine Menschenwürde, die zu respektieren ist. Die Redaktion von „Theologisches“ lässt freilich ihren Autoren einen weiten Spielraum. Das Impressum betont ausdrücklich: „Nicht alle Deutungen und Meinungsäußerungen in unserer Zeitschrift entsprechen immer und in jedem Fall den Auffassungen des Herausgebers.“ Zu bedenken ist auch, dass der Verfasser angesichts einer dramatischen Situation in der Weltkirche sozusagen die Alarmglocken läuten wollte. Falsch ist es auf jeden Fall, die Kritik an einer kriminellen Mafia, die stärkste Ausdrücke gebraucht, als „Volksverhetzung“ darzustellen. Dann müsste die deutsche Justiz auch jede Kritik an der sizilianischen Mafia verbieten mit der Begründung, dabei würde ein Teil der sizilianischen Bevölkerung verächtlich gemacht. Der stellvertretende Justizminister Polens, Marcin Romanowski, hat die Intervention der Kölner Staatsanwaltschaft scharf verurteilt. Der Strafbefehl habe die akademische Freiheit mit Füßen getreten und gezeigt, dass er die Missbrauchstäter mehr schätze als deren Opfer. Die polnische Organisation „Ordo Iuris“ hat im Internet eine dreisprachige Petition veröffentlicht, auch auf Deutsch, wo der gesamte Vorgang dokumentiert wird und auch der Text des Aufsatzes von Oko heruntergeladen werden kann. Tausende Leute haben schon in wenigen Tagen die Petition unterschrieben, die sich an das Kölner Amtsgericht und an Bundeskanzlerin Angela Merkel richtet. Oko hat auch im polnischen Fernsehen die Situation ausführlich darstellen können. Was Herr Dr. Rothe hier losgetreten hat, könnte zu einer peinlichen Blamage der deutschen Justiz führen, selbst dann, wenn das Kölner Amtsgericht ihm Recht geben sollte.
 
kath.net: Wie werden die Beschuldigten bzw. Sie als Herausgeber der Zeitschrift weiter vorgehen?

Hauke: Die Beschuldigten haben sofort Einspruch eingelegt, so dass der Strafbefehl nicht rechtskräftig ist und es vermutlich zu einer öffentlichen Gerichtsverhandlung kommt. Beide Kollegen haben auch Rechtsanwälte eingeschaltet, um eine wirksame Verteidigung zu gewährleisten. Diese Linie unterstütze ich als Herausgeber.
 
kath.net: Welche Folgen hat aus Ihrer Sicht dieses Strafverfahren für die (akademische) Meinungsfreiheit, selbst wenn es nicht zu einer Verurteilung kommen wird?

Hauke: In der über 50jährigen Geschichte der Zeitschrift „Theologisches“ ist dergleichen noch nie vorgekommen. Prof. Oko hat schon 2012 und 2013 zwei Aufsätze in unserer Zeitschrift publiziert, die eine breite internationale Resonanz gefunden haben und den Begriff der „Homohäresie“ einführten. Herr Dr. Rothe, der 2013 in unserer Zeitschrift publizierte, hat daran keine Kritik geäußert. Damals hingen freilich noch keine Regenbogenfahnen in unseren Pfarreien. Wenn wir nun freilich mit interessengeleiteten Missverständnissen rechnen müssen, die auf dem „Twitter“-Niveau bewusst Aussagen aus ihrem Zusammenhang herausreißen (ähnlich wie ein Teil der Presse nach der Regensburger Rede von Papst Benedikt), dann werden Herausgeber, Redakteur und Autoren von „Theologisches“ noch genauer als bisher die Aufsätze in allen Formulierungen bedenken müssen. Diese größere Vorsicht soll freilich nicht auf Kosten der Wahrheit gehen. Wir werden die Freiheit des Glaubens, der Meinung und der Wissenschaft gegen Übergriffe verteidigen. Wir wollen nicht vor dem degenerierten Zeitgeist auf die Knie fallen. Nur tote Fische schwimmen stets mit dem Strom.


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