Der Untergang des "christlichen Humanismus" naht

12. August 2021 in Kommentar


Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen - Ein Kommentar von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Am 2. Juni 1979 predigte Papst Johannes Paul II. in Warschau. Er war als Pilger der Gerechtigkeit und des Friedens in seine Heimat gereist. Am Vorabend des Pfingstfestes rief er aus: Sende aus Deinen Geist und das Angesicht der Erde wird neu, "dieser Erde"! Das gesamte Wirken des heiligen Papstes folgte einem Leitmotiv der Hoffnung: Die wahre Religion hat der Welt das Wort Gottes zu geben, weil Jesus Christus der Erlöser der Menschen ist.

Die deutsche Theologie impfte sich 1968 ff. gegen diesen christlichen Humanismus, der die Menschheit von Christus her und Christus in der Kirche von Gott her sieht (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Heute hat die "deutsche Kirche" nur noch den Zweck, die Gehälter ihrer Beschäftigten zu sichern und die Altersversorgung ihrer Pensionäre. Man könnte das gesamte Kirchenvermögen in eine Stiftung einbringen, den bisherigen Mitarbeitern eine Leibrente zusagen und den Betrieb einstellen. In der Öffentlichkeit bliebe das vielleicht sogar unbemerkt. Zu Ostern und Weihnachten würde der DBK-Vorsitzende ein "Wort zum Fest" sprechen, mal zum Klimaschutz, mal zur Migration, mal zur Gesundheitspolitik. Das genügt ja, um die "Botschaft Jesu" präsent zu halten. Deutsche Kirchenleute nehmen vereinzelt noch Bibelsprüche zur Kenntnis, wegen ihrer urwüchsigen Kraft. Ihr "Jesus" gleicht allerdings dem Produkt des französischen Schriftstellers Ernest Renan (1823-1892), nicht dem Christus der Evangelien. Denn die "kann man ja nicht ernstnehmen", jedenfalls nicht als historisch belastbare Zeugnisse (das jüngste Konzil lehrt es anders).

"Corona" hat gezeigt: Die Last der Sakramentenverwaltung drückt schon jetzt gewaltig auf den Gewissen des Personals. Liturgie nützt ja nichts! Da muss man den alten Leutchen immer dieselben antiquierten Texte vortragen und die Symbolhandlungen vollziehen, an die sie gewöhnt sind. Wie befreit könnte die Kirche auftrumpfen, wären diese Rituale erst überwunden. Ein gutes Zeichen: Im "Synodalen Weg" spielt Gottesdienst keine Rolle, speziell nicht bei den mitwirkenden Laien.

Was aber bleibt vom christlich inspirierten Humanismus übrig, der entlang Maritain und Montini konzipiert war, wenn Glaubensverkündigung, sakramentale Christusbegegnung und die tätige Liebe im christlichen Volk entfallen? Jetzt schon, wo kleine Reste kirchlicher Existenz noch anzutreffen sind, hat doch der konfessionelle Berufssektor den Glauben bereits durch "Haltung" ersetzt, die Tugenden durch "Werte" und die Caritas durch Spendenaufrufe. Vor diesem Hintergund ist es zwar immer noch nicht verständlich, aber doch etwas leichter nachzuvollziehen, dass ein Leser der Zeitschrift THEOLOGISCHES, mit Wirkungskreis in München, mithilfe der Staatsanwaltschaft Köln gegen zwei Priester und Professoren vorgeht. Wolfgang "F." Rothe ist selber noch Priester, was ihn nach kirchlichem Selbstverständnis zu einer anderen, christlichen Vorgehensweise hätte anleiten müssen. Falls er sich über den inzwischen berühmten, aber immer noch viel zu wenig studierten Artikel von Dariusz Oko überhaupt geärgert hat. Es ging vermutlich um queere Politik oder auch nur um Wichtigtuerei. Vielleicht spielt auch Neid eine Rolle, weil Rothe die Professorenlaufbahn aus bestimmten Gründen verwehrt blieb. Jedenfalls reichen die Rechtskenntnisse des doppelt promovierten Subsidiars vermutlich aus, um zu wissen, dass der Straftatbestand der "Volksverhetzung" a.a.O. nicht erfüllt ist.

Kein anständig und gerecht denkender Katholik kann sich der Einsicht entziehen, dass der Einfluss homosexueller Netzwerke im Klerus zumindest noch begrenzt werden müsste, wenn der christliche Humanismus noch eine Chance auf Zukunft erhalten soll. Sogar schwule Priester müssten das einsehen. Diese Einsicht teilt sich auch dann dem teilnehmenden Beobachter mit, wenn die moralische Beurteilung, beispielsweise durch den katholischen Katechismus, ausgeklammert würde. Das Problem ist komplex. Da mir der Zugang zu den genannten Cliquen fehlt, bin ich auf Mutmaßungen angewiesen. In früheren Generationen mag es vorgekommen sein, dass vereinzelt Männer in den Priesterberuf strebten, um wegen des Zölibats ihre homosexuellen Neigungen zu unterdrücken. Später werden häufiger Männer hinzugekommen sein, die in diesem Berufstand ihre Vorlieben ausleben wollten. Heute witzeln manche, die Homosexualität sei bereits "Weihevoraussetzung" für Priester. Wer beispielsweise den Skandalfilm von 1971 auch nur flüchtig zur Kenntnis genommen hat ("Nicht der Homosexuelle ist pervers..."), steht auch heute noch unter dem Eindruck, dass eine exzessive sexuelle Betätigung zum Selbstverständnis der meisten Schwulen dazugehört. Auch der prominente Alfred Biolek bekannte sich in späteren Lebensjahren dazu, 1970 vorsätzlich in die vitale Münchner Szene eingetaucht zu sein. Erst 49-jährig präsentierte er einen ersten Lebensgefährten, den späteren Adoptivsohn (30 Jahre jünger). In kirchennahen Kreisen wird heute das Bild einer Art von sittsamer Sakristeischwulität geprägt, bei der es um die heroische Liebe eines Mannes zu einem anderen Mann gehe, die selbstverständlich unter den "Segen Gottes" gestellt gehört. Diese kuriose Definition müsste doch eigentlich den Protest der Aktivisten wie Dannecker/Praunheim herausfordern. Denn diese wollten doch Freiheit für ihren, vom bürgerlichen Ehe-Ideal krass abweichenden Lebensentwurf. Für diesen kann es aber inmitten der kirchlichen Seelsorge keinen Raum geben. Allerdings ist auch der Priester, der immer wieder Frauen nachstellt oder sich gern auf Gelegenheiten einlässt, eine Plage für die Pastoral. Jede Ausprägung dominanter Wollust ist mit dem priesterlichen Selbstverständnis unvereinbar. Das würde auch dann noch gelten, wenn der Zölibat als Berufspflicht entfiele.

Jeder Christ, ob Mann oder Frau, ist dazu aufgerufen, den Ruf Christi zur Keuschheit in sein Leben zu integrieren. Das ist ein steiniger Weg und die Art und Weise dabei fortzuschreiten, ist jeder einzelnen Person selber anvertraut. Ich bin froh, nicht über das Verhalten anderer urteilen zu müssen. Aber es existiert gewiss kein christlicher Humanismus, der sich an dieser Aufgabe vorbeimogeln kann. Die Kirche verkündet die Heiligkeit Gottes. Nur deshalb kann sie die Menschheit auch zu Gerechtigkeit und Frieden aufrufen. Sie weiß dabei, wie gering die Fortschritte in der Geschichte sind. Aber auch auf dem Gebiet von Sitte und Ordnung kann die Kirche nicht darauf verzichten, die Stimme Christi zu erheben. Keine Berufung auf irgendeinen Bewusstseinswandel gestattet es, das VI. Gebot des Dekalogs auszuhebeln und das IX. Gebot gleich mit. Die von Dariusz Oko angetippten Probleme spielen sich aber insbesondere im Bereich des VIII. Gebots ab, im Bereich der Wahrhaftigkeit. Es ist schlicht unehrlich, einen Beruf zu ergreifen, die eindeutigen Anforderungen an diesen aber permanent zu unterlaufen. Der so riskierte Bruch in der Persönlichkeit ist es, der solche Seelsorger geistlich unfruchtbar macht. Das gilt nicht immer und überall in gleichem Maße.

Papst Franziskus unterstellte optimistisch, dass manche mit sich ringen und "den Herrn suchen". Mag sein. Die genannten Netzwerke sind auch keineswegs das einzige Problem des Klerus, schon gar nicht in Deutschland. Es existiert auch sehr viel immaterielle und materielle Korruption, die noch gar nicht genug öffentlich diskutiert wird. Aber zum rapiden Verlust an Glaubwürdigkeit haben nicht nur die - statistisch immer noch seltenen - Missbrauchstaten beigetragen. Das bequeme, egozentrische und selbstgefällige Gebaren (nicht nur) von Priestern, die persönlich weit davon entfernt sind, kriminell zu agieren, verdunkelt das Antlitz Christi inmitten der Kirche ebenso. Die "deutsche Kirche" erscheint durch Religionsverlust längst viel mehr entstellt zu sein als durch sexuelle Ausschweifung. Dieselbe "humanwissenschaftlich" legitimieren zu wollen, scheint mir allerdings direkte Folge der verlorenen Gottesfurcht zu sein. Der christliche Humanismus jedenfalls vermag die Seelen der Menschen nur zu erreichen, wenn sein religiöser Kern feststeht und er so die Herrlichkeit des Herrn ausstrahlt. Dann vermag der Heilige Geist nach wie vor das Angesicht der Erde zu verwandeln, dieser Erde.

 


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