Der Untergang des christlichen Humanismus naht

24. August 2021 in Kommentar


Dritter Teil. Über den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht - Ein Kommentar von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

"Es wird a Wein sein, und wir wer'n nimmer sein", so sang Hans Moser (+ 1964). Die Überlebensfrage der Menschheit, ob nun nuklear bedingt oder klimatisch, ist also nicht zu trennen von der Überlebensfrage der einzelnen Seele, von Adam an. Die menschliche Existenz auf Erden ist nicht anders zu begreifen als ein Ausgreifen nach der Ewigkeit. Wir alle sind zwar nicht Beweis, aber doch Anzeichen eines Darüber-hinaus. Wer je um einen verlorenen Menschen trauerte, der kennt die bohrende Frage: Wo bist Du? Listig versucht der humanistische Atheismus zu erläutern: Suche nicht droben, suche "vorne", was Dir fehlt. Als ob jemals der Gedanke trösten konnte, dass irgendeine Generation von dem noch Nutzen hat, was wir verbockten. Die Sterblichkeit ist der gefallenen Welt eigen. Da hilft es wenig, an ein abstraktes Prinzip zu appellieren, mag man es religiös "Allah" nennen oder scheinwissenschaftlich "die Evolution", die alles aus Zufall lenkt. In unserer ehemals abendländisch geprägten Zivilisation hat sich allgemein die Meinung eingesenkt, der Mensch sei nicht Krone der Schöpfung, sondern eine Pandemie für die gute Mutter Erde; obwohl diese grausam ist, während die Menschen immer noch zur Liebe fähig sind. Der Haushund ist nicht suizidgefährdet und der Steppenwolf auch nicht. Die Menschheit allerdings im Einzelfall wie auch als Kollektiv. Denkt man sich die Menschen aus der Schöpfung weg, an sich ein menschenunmöglicher Gedanke, so drängt die Frage umso heftiger: Wozu alle diese Herrlichkeit und Schönheit auf Erden, wenn sich niemand daran erfreut? Außer Gott. Der verlorene Glaube ist in unserer Umwelt noch in Resten präsent. Daran könnte man anknüpfen. Unsere Bischöfe, für die Glaubensverbreitung zuständig, beweisen ihre Expertise jedoch lieber auf entlegenen Gebieten, je ferner, desto gerner. "Die jetzt eingetretene Lage zehrt das politische Vertrauenskapital der westlichen Länder auf und wird von vielen in aller Welt als moralischer Bankrott verstanden", betonte der Bischof von Limburg, Kevin Kühnert ... ach nee: Big Bätzing. Es lässt sich wohl kaum vermeiden, dass viele sich aufgerufen sehen, die Bilder zu kommentieren, die uns jetzt aus Afghanistan erreichen. Zugleich zeigt sich daran ebenso unvermeidlich, wes Geistes Kind der jeweilige Meinungsführer ist. Zählt es wirklich zur Kernkompetenz eines Kleinbistumsbischofs, große Bögen zur Weltlage zu spucken?

Wahrscheinlich hat Georg Bätzing schon als Gymnasiast gewusst, was man über Präsident Nixon und den Vietnamkrieg zu denken hat. Um nicht missverstanden zu werden: Ich war schon 2001 ein Kritiker der Intervention am Hindukusch. Aber es geht hier nicht darum, wer "Recht behalten" hat, sondern wem es zusteht oder nicht, gleich der ganzen westlichen Welt den "moralischen Bankrott" und den Verlust des "Vertrauenskapitals" vorzuwerfen. Mir fällt momentan keine deutsche Institution ein, deren Politik der letzten Jahre so viel Vertrauen zerstört hat wie die Deutsche Bischofskonferenz, von ARD und ZDF vielleicht abgesehen. Beim Verband der deutschen Diözesen ist der moralische Bankrott zum Greifen nahe; aber wer seinen Geist an jungsozialistischen Utopien nährte, scheinbar christlich-humanistisch neu interpretiert, der lässt sich vom verschleuderten Vertrauenskapital im eigenen Laden nicht davon abbringen, der übrigen Welt stets und ständig seine unerbetenen Zensuren zu erteilen. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. In nicht allzu ferner Zukunft wird es über den "Synodalen Weg" heißen: "Die jetzt eingetretene Lage zehrt das moralische Vertrauenskapital der deutschen Bischöfe auf und wird von vielen Katholiken in der Welt als geistlicher Bankrott verstanden". Die Warnung eines verbitterten Bonner Kirchenrechtlers, der trotz seiner progressiven Grundstimmung oft zutreffend analysiert, vor der großen Täuschung, hat Blabla Bätzing wohlweislich nicht kommentiert. Vor der eigenen Haustüre zu kehren bringt zu wenig Medienecho.

Lebt noch aus dem Heiligen Geist, wer stets und ständig auf seine Außenwirkung schielt? "Wie war ich?!" Man muss ja nicht hübsch sein, um eitel zu sein. Die kugelrunden Bischöfe sind nicht selten die eitelsten. Kein Wunder also, dass Kardinal Marx zu Mariä Himmelfahrt übers Impfen predigt und das leibliche Wohl.

Es müsste so viel mehr gesagt werden, wollte man den christlichen Humanismus noch retten. Im Jahr 1944 publizierte P. Henri de Lubac SJ, später ein Vordenker des Zweiten Vatikanum, ein Schlüsselwerk über das Drama des atheistischen Humanismus. Er setzte sich mit dem Positivismus des Auguste Comte auseinander, mit Marx und Nietzsche. Auch wenn man den Schlussfolgerungen nicht immer zustimmen möchte, nötigt es uns auch heute Respekt ab, dass katholische Denker sich so intensiv und radikal mit den Positionen der Gottesleugner vertraut machten, freilich immer in der Absicht, die moderne Zivilisation für Christus und seine Kirche zurückzugewinnen. Heute nehmen vornehmlich theologische Quacksalber das jüngste Konzil für sich in Anspruch, um jeder eitlen Mode nachzueilen und frech zu behaupten: "Wir auch! Wir auch!" In Kürze wird ein Buch erscheinen mit dem Titel: "Missbrauchte Kirche". Man darf gespannt sein, ob der Autor sich darin bekennen wird. Hat er die Kirche für seine Suchtbefriedigung missbraucht oder nicht? Warum hat Wolfgang Rothe nichts mehr zu Schöpfung und Erlösung, Schuld und Sühne, Dogma und Verkündigung zu sagen? Seitdem seine Karriere stockt, klagt er "die Kirche" an, von der er sich und seine Extravaganzen dennoch bis heute nährt.

 

Wir beten zum Heiligen Geist um Bekehrung und Erleuchtung der Priester. Er ist der Herr der Kirche und macht sie lebendig. Aber wie meint es Papst Franziskus, wenn er die Synodalität der Kirche der Führung des Heiligen Geistes anvertraut? Immer noch 80 Prozent oder mehr der Äußerungen des Heiligen Vaters sind anregend und erbaulich, wenn auch theologisch eher konventionell als originell. Aber immer wieder blitzen Gedanken auf, die wenig durchdacht, wenig abgeklärt erscheinen. Im fortgeschrittenen Alter wird ihm bereits die Kraft fehlen, sorgfältig zu überprüfen, ob er insbesondere einem Geschichtsbild zuviel Raum gegeben hat, das mit der überlieferten Lehre der Kirche im Konflikt liegt. Der atheistische Humanismus, den man je nach Begriff mit G.W.F. Hegel beginnen lassen kann, hat das Absolute, dasjenige, über das Größeres nicht gedacht werden kann (also die notwendige Existenz), in die Entwicklung der Welt hineingedacht, den Blick vom Himmel abgewendet und der Zukunft zugewandt. Jesuiten wie Teilhard de Chardin oder Karl Rahner blieben davon nicht unbeeindruckt. Tatsächlich ist aber klassische Metaphysik auch heute noch möglich und nicht vom Gang des Geistes durch die Geschichte überwunden: Man wird die zu heftig beiseitegefegte Neuscholastik doch wiederentdecken, auch wenn die eigenwillige Interpretation des hl. Thomas durch Maritain wenig Schule gemacht hat.

Der Heilige Geist ist immer derselbe und kommt nicht erst im Zug der Zeit zum Bewusstsein seiner selbst. Er steht uns immer gegenüber, berührt uns aber zugleich von innen, um Wege zur Liebe aufzuzeigen, die er selber ist. Der Heilige Geist ist nicht der abstrakt waltende Geist über den Geistern, die sich in der Menschheit regen. Er ist die bestimmende Ansprache, die unsere Gedankensplitter einordnen will in das große Gedicht des Weltganzen, das zu Gott führen will, zu ihm selbst. Er überragt jeden "guten Geist", in dem wir unsere Pflichten erfüllen. Er ist nicht nur Widerschein der Mentalität Jesu, in dessen Namen die Kirche angeblich der Welt nur eine "Botschaft" auszurichten hat, anstatt selber in der Kraft des Heiligen Geistes die Liebe zu leben, die im Ostereignis gesiegt hat. Eben nicht nur als "Osterglaube", sondern als immerwährende Tatkraft, die sich im Altarssakrament Christi selber erneuert.

Wir sind aufgerufen, den Geist, in dem die Kirche erneuert werden soll, mit dem Heiligen Geist in Person zu konfrontieren, um an seinen Weisungen immer neu Maß zu nehmen, anstatt uns in kirchenpolitischen Bürgerkriegen aufzureiben. Der Geist weht, wo er will? Das kann aber auch besagen, dass er auf kath.net mehr weht als auf katholisch.de, bei polnischen Theologen mehr als bei Segenskriegern und konfessionellen Publizisten deutschnationaler, scheinprogressiver Borniertheit. Nicht zuletzt wird der Heilige Geist die Ausbreitung homosexueller Priestercliquen begrenzen, vielleicht sogar, indem er die Priesterweihen für die deutschen Diözesen auf "unter Null" sinken lässt. Denn er, der Herr ist und lebendig macht, lässt seiner nicht spotten; auch nicht durch den Missbrauch der Kirche für antichristliche Zwecke.


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