Der ‚letzte Kirchenvater’: durch Maria zu Jesus, per Mariam ad Iesum

20. August 2021 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: Bernhard von Clairvaux – Doctor mellifluus, denn seine Rede fließt süß wie Honig. Das Unterwegssein zu Gott. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Gedenktag des heiligen Bernhard von Clairvaux (1090-1153), Abt und Kirchenlehrer.

Dante legte diese Worte auf die Lippen des Heiligen: „Jungfrau und Mutter, Tochter deines Sohnes, / vor allen Wesen groß und voll von Demut, / vorbestimmtes Ziel im ewigen Rate …“ („Vergine Madre, figlia del tuo Figlio, / umile ed alta più che creatura, / termine fisso d’eterno consiglio, …“ Paradies 33, 1 ff.).

Der heilige Bernhard von Clairvaux gehört sicher zu den größten religiösen Gestalten des Mittelalters. Er wurde um 1090 in Fontaines in Burgund geboren, besuchte die Schule der Stiftsherren von Saint-Vorles und trat mit etwa 20 Jahren mit einer Reihe von Gefährten in das Reformkloster Cîteaux ein. Bereits im Jahr 1115 erhielt Bernhard den Auftrag, ein Tochterkloster in Clairvaux zu errichten. Er wurde der erste Abt dieser Niederlassung und gründete von dort aus weitere 68 Klöster.

Bernhard war ein begnadeter Prediger und Schriftsteller. Seine Werke zeichnet eine hohe literarische Qualität aus. Die Tradition hat ihn als „Doctor mellifluus“ bezeichnet, als Lehrer, dessen Rede süß wie Honig fließt. Dies bezieht sich nicht nur auf seine sprachliche Begabung, sondern vor allem auf den Inhalt seiner Werke: sie sind ganz auf Gott ausgerichtet.

Die wahre Gotteserkenntnis besteht für Bernhard nicht in einer denkerischen Leistung, sondern in der persönlichen Erfahrung der Liebe Christi. Und das Geschöpf vermag mit seiner persönlichen kleinen Liebe dem Schöpfer zu antworten. Sie ist geringer als die göttliche Liebe, und doch ist sie vollkommen, wenn sie ganz geschenkt wird. Maria hat diese Liebe in beispielhafter Weise zum Ausdruck gebracht. Bernhard hat keinen Zweifel daran, dass wir durch Maria zu Jesus geführt werden. Von ihr können wir lernen, Jesus nahe zu sein, und wir dürfen sie bitten, uns auf dem Weg mit Christus zu begleiten.

„Es gibt eine Liebe der Tat und eine Liebe des Herzens, des Gefühls. Bezüglich der tätigen Liebe wurde den Menschen ein Gesetz gegeben, ein Gebot auferlegt. Wer vermöchte sie aber so im Herzen zu fühlen, wie sie geboten wird? Die eine ist also geboten und schafft das Verdienst, die andere wird uns zur Belohnung gegeben. Gewiss, wir leugnen nicht, dass man mit Gottes Gnade einen Anfang und Fortschritt der gefühlten Liebe im gegenwärtigen Leben spüren kann. Ihre Vollendung aber weisen wir ganz der künftigen Seligkeit zu“ (Bernhard von Clairvaux).

„ ch möchte diese Gedanken zum hl. Bernhard mit den Anrufungen an Maria abschließen, die wir in einer seiner schönen Homilien lesen:

»Mitten in Gefahren, Nöten und Unsicherheiten«, sagte er, »denke an Maria, rufe Maria an. Ihr Name weiche nicht aus deinem Mund, weiche nicht aus deinem Herzen! Damit du aber ihre Hilfe und Fürbitte erlangest, vergiss nicht, ihr Vorbild nachzuahmen. Folge ihr, dann wirst du dich nicht verirren. Rufe sie an, dann kannst du nicht verzweifeln, denk an sie, dann irrst du nicht. Hält sie dich fest, kannst du nicht fallen. Schützt sie dich, dann fürchte nichts! Führt sie dich, wirst du nicht müde. Ist sie dir gnädig, dann kommst du sicher ans Ziel!« (Hom. II super »Missus est«, 17: PL 183,70–71)“.

Benedikt XVI., zur Generalaudienz am 21. Oktober 2009:

Heute möchte ich über den hl. Bernhard von Clairvaux sprechen, der »der letzte Kirchenvater« genannt wird, weil er im 12. Jahrhundert noch einmal die große Theologie der Väter erneuerte und gegenwärtig werden ließ. Wir kennen die Jahre seiner Kindheit nicht im Detail; wir wissen allerdings, daß er 1090 in Fontaines in Frankreich in einer zahlenmäßig großen und recht wohlhabenden Familie geboren wurde. Als junger Mann widmete er sich dem Studium der sogenannten freien Künste – besonders der Grammatik, Rhetorik und Dialektik – an der Schule der Kanoniker der Kirche von Saint-Vorles in Châtillon-sur-Seine; da reifte in ihm langsam der Entschluß, ins Ordensleben einzutreten. Mit ungefähr zwanzig Jahren trat er in Cîteaux ein, eine neue Klostergründung, die lebendiger war als die altehrwürdigen damaligen Klöster und zugleich strenger in der Befolgung der evangelischen Räte.

Einige Jahre später – im Jahr 1115 – wurde Bernhard vom hl. Stephan Harding, dem dritten Abt von Cîteaux, entsandt, um das Kloster von Clairvaux zu gründen. Hier konnte der junge Abt – er war erst 25 Jahre alt – seine Auffassung vom monastischen Leben verfeinern und sich um ihre Umsetzung in die Praxis bemühen. Mit Blick auf die Disziplin anderer Klöster wies Bernhard mit Entschiedenheit auf die Notwendigkeit eines einfachen und maßvollen Lebens hin, sowohl was das Essen wie die Kleidung und die Klosterbauten betraf, und empfahl die Unterstützung und Sorge für die Armen. Inzwischen wuchs die Zahl der Mönche der Kommunität von Clairvaux ständig und vervielfachte ihre Gründungen.

In jenen Jahren, also vor 1130, führte Bernhard einen umfangreichen Briefwechsel mit vielen Personen, sowohl bedeutenden wie solchen aus bescheidenen sozialen Verhältnissen. Zu den vielen Briefen dieses Zeitraums muß man die zahlreichen Predigten sowie auch Sentenzen und Abhandlungen hinzufügen. Ebenfalls in diese Zeit reicht auch die große Freundschaft Bernhards mit Wilhelm, dem Abt von Saint-Thierry, und mit Wilhelm von Champeaux zurück, die zu den wichtigsten Gestalten des 12. Jahrhunderts gehören.

Ab dem Jahr 1130 begann er sich mit nicht wenigen und schwerwiegenden Problemen des Heiligen Stuhls und der Kirche zu beschäftigen. Aus diesem Grund mußte er immer öfter sein Kloster und manchmal auch Frankreich verlassen. Er gründete auch einige Frauenklöster und war der eigentliche Anreger eines lebhaften Briefwechsels mit Petrus Venerabilis, dem Abt von Cluny, über den ich am vergangenen Mittwoch gesprochen habe.

Seine polemischen Schriften richtete er vor allem gegen Abaelard, einen großen Denker, der vor allem durch die Einführung der dialektisch-philosophischen Methode in den Aufbau des theologischen Denkens eine neue Art, Theologie zu betreiben, begonnen hat. Eine weitere Front, an der Bernhard gekämpft hat, war die Irrlehre der Katharer, die die Materie und den menschlichen Leib und infolgedessen den Schöpfer verachteten. Er fühlte sich hingegen in der Pflicht, die Juden zu verteidigen, und verurteilte daher das immer weiter um sich greifende Aufwallen von Antisemitismus. Wegen dieses Aspekts seines apostolischen Wirkens richtete einige Jahrzehnte später Ephraim, der Rabbiner von Bonn, eine lebhafte Würdigung an Bernhard.

In derselben Zeit schrieb der heilige Abt seine bekanntesten Werke, wie die hochberühmten »Predigten zum Hohenlied«. In den letzten Jahren seines Lebens – der Tod ereilte ihn im Jahr 1153 – mußte Bernhard die Reisen einschränken, ohne sie allerdings völlig zu unterbrechen. Er nutzte die Gelegenheit dazu, die Gesamtheit seiner Briefe, Predigten und Abhandlungen endgültig durchzusehen. Erwähnung verdient ein recht besonderes Buch, das er gerade zu jener Zeit, im Jahr 1145, abschloß, als einer seiner Schüler, Bernardo Pignatelli, zum Papst gewählt wurde und den Namen Eugen III. annahm. Bei dieser Gelegenheit schrieb Bernhard als geistlicher Vater an diesen seinen geistlichen Sohn den Text De Consideratione, der Lehren enthält, um ein guter Papst sein zu können. In diesem Buch, das für die Päpste aller Zeiten eine angemessene Lektüre bleibt, zeigt Bernhard nicht nur, wie man ein guter Papst ist, sondern bringt auch eine tiefe Sicht des Geheimnisses der Kirche und des Geheimnisses Christi zum Ausdruck, die dann in der kontemplativen Betrachtung des Geheimnisses des dreieinigen Gottes endet: »Die Suche nach diesem Gott, der noch nicht genügend gesucht wird, müßte fortgesetzt werden«, schreibt der heilige Abt, »aber vielleicht kann man (Gott) mit dem Gebet besser suchen und leichter finden als mit der Diskussion. Wir beenden also hier das Buch, nicht aber die Suche« (XIV, 32: PL 182,808), das Unterwegssein zu Gott.

Ich möchte jetzt nur auf zwei zentrale Aspekte der reichen Lehre Bernhards eingehen: Sie betreffen Jesus Christus und die allerseligste Jungfrau Maria, seine Mutter. Bernhards Sorge um die innige und lebenswichtige Teilhabe des Christen an der Liebe Gottes in Jesus Christus bringt zwar keine Neuorientierungen im wissenschaftlichen Gedankengebäude der Theologie mit sich. Aber ganz entschieden stellt der Abt von Clairvaux den Theologen als Kontemplativen und Mystiker dar.

Allein Jesus – darauf besteht Bernhard angesichts der komplexen dialektischen Gedankengänge seiner Zeit –, allein Jesus ist »Honig für den Mund, Gesang für das Ohr, Frohlocken im Herzen (›mel in ore, in aure melos, in corde iubilum‹)«. Daher rührt der ihm von der Tradition beigelegte Titel eines »Doctor mellifluus« (Honigfließender Lehrer): In der Tat, sein Lobpreis Jesu Christi »fließt wie Honig«. In den aufreibenden Kämpfen zwischen Nominalisten und Realisten – zwei philosophischen Strömungen der Zeit – wird der Abt von Clairvaux nicht müde zu wiederholen, daß es nur einen Namen gibt, der zählt, der Name Jesu des Nazareners.

»Trocken ist jede Speise der Seele«, bekennt er, »wenn sie nicht mit diesem Öl besprengt wird; schal ist sie, wenn sie nicht mit diesem Salz gewürzt wird. Was du schreibst, hat keinen Geschmack für mich, wenn ich darin nicht Jesus gelesen habe.« Und er schließt: »Wenn du diskutierst oder redest, hat nichts Geschmack für mich, wenn ich darin nicht den Namen Jesu gehört haben werde« (Sermones in Cantica Canticorum XV,6: PL 183,847). Für Bernhard besteht nämlich die wahre Erkenntnis Gottes in der persönlichen, tiefen Erfahrung Jesu Christi und seiner Liebe. Und das, liebe Brüder und Schwestern, gilt für jeden Christen: Der Glaube ist vor allem persönliche, innige Begegnung mit Jesus, er ist das Erfahren seiner Nähe, seiner Freundschaft, seiner Liebe, und nur so lernt man, ihn immer besser zu kennen, ihn immer mehr zu lieben und ihm zu folgen. Möge dies einem jeden von uns geschehen können!

In einer anderen berühmten Predigt zum Sonntag in der Oktav von Mariä Himmelfahrt beschreibt der heilige Abt mit leidenschaftlichen Worten die innige Teilhabe Mariens am Erlösungsopfer des Sohnes. »O heilige Mutter« – ruft er aus – »wahrhaftig hat ein Schwert deine Seele durchbohrt!… Dabei hat die Gewalt des Schmerzes deine Seele so durchdrungen, daß wir dich zu Recht mehr als eine Märtyrerin nennen dürfen, da in dir die Teilhabe am Leiden des Sohnes in ihrer Stärke weit über die leiblichen Leiden des Martyriums hinausgegangen ist« (14: PL 183,437–438).

Bernhard hat keine Zweifel: »per Mariam ad Iesum«, durch Maria werden wir zu Jesus geführt. Er bestätigt mit Klarheit die Unterordnung Mariens unter Jesus, entsprechend den Grundlagen der traditionellen Mariologie. Aber der Hauptteil der Predigt bestätigt auch den bevorzugten Platz der Jungfrau in der Heilsökonomie infolge der ganz besonderen Teilhabe der Mutter am Opfer des Sohnes (»compassio«).

Nicht umsonst wird eineinhalb Jahrhunderte nach Bernhards Tod Dante Alighieri im letzten Gesang der Göttlichen Komödie auf die Lippen des »Honigfließenden Lehrers« das erhabene Gebet an Maria legen: »Jungfrau und Mutter, Tochter deines Sohnes, / vor allen Wesen groß und voll von Demut, / vorbestimmtes Ziel im ewigen Rate …« (»Vergine Madre, figlia del tuo Figlio, / umile ed alta più che creatura, / termine fisso d’eterno consiglio, …« Paradies 33, Verse 1 ff.).

Diese Gedanken, die kennzeichnend sind für jemanden wie den hl. Bernhard, der in Jesus und Maria verliebt ist, sind noch heute nicht nur für die Theologen, sondern für alle Gläubigen eine heilsame Provokation. Mitunter maßt man sich an, die grundlegenden Fragen über Gott, über den Menschen und über die Welt allein mit den Kräften der Vernunft zu lösen. Der hl. Bernhard hingegen, der auf dem festen Grund der Bibel und der Kirchenväter steht, erinnert uns daran, daß unser Nachdenken über die göttlichen Geheimnisse ohne einen tiefen Glauben an Gott, der vom Gebet und der Kontemplation, von einer innigen Beziehung zum Herrn genährt wird, Gefahr läuft, zu einer leeren intellektuellen Übung zu werden und seine Glaubwürdigkeit einzubüßen. Die Theologie verweist auf die »Wissenschaft der Heiligen«, auf deren Sicht der Geheimnisse des lebendigen Gottes, auf ihre Weisheit, Geschenk des Heiligen Geistes, die zum Bezugspunkt für das theologische Denken werden. Zusammen mit Bernhard von Clairvaux müssen auch wir anerkennen, daß der Mensch Gott »mit dem Gebet besser suchen und leichter finden kann als mit der Diskussion«. Schließlich bleibt die wahrste Gestalt des Theologen und eines jeden, der das Evangelium verkündet, die Gestalt des Apostels Johannes, der sein Haupt an das Herz des Meisters gelegt hat.

Ich möchte diese Gedanken zum hl. Bernhard mit den Anrufungen an Maria abschließen, die wir in einer seiner schönen Homilien lesen: »Mitten in Gefahren, Nöten und Unsicherheiten«, sagte er, »denke an Maria, rufe Maria an. Ihr Name weiche nicht aus deinem Mund, weiche nicht aus deinem Herzen! Damit du aber ihre Hilfe und Fürbitte erlangest, vergiß nicht, ihr Vorbild nachzuahmen. Folge ihr, dann wirst du dich nicht verirren. Rufe sie an, dann kannst du nicht verzweifeln, denk an sie, dann irrst du nicht. Hält sie dich fest, kannst du nicht fallen. Schützt sie dich, dann fürchte nichts! Führt sie dich, wirst du nicht müde. Ist sie dir gnädig, dann kommst du sicher ans Ziel!« (Hom. II super »Missus est«, 17: PL 183,70–71).

 


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