23. August 2021 in Aktuelles
"Wir, die wir uns als Christen bekennen, wir sind noch nicht so weit, eine alternative Gesellschaft in einer Welt ohne Gott zu sein" - Der Montagskick von Peter Winnemöller
Berlin (kath.net)
Bestürzt hatten sich Verbände und Einzelpersönlichkeiten zur Regelung, den sogenannten Pränatest zur Kassenleistung zu machen, geäußert. Bestürzend ist in der Tat, dass einer ganzen Gruppe von Menschen damit faktisch das Lebensrecht bereits pränatal bestritten wird. Schon heute werden 90% aller Menschen getötet, denen vorgeburtlich Trisomie 21 diagnostiziert wurde. Trisomie 21 führt zum sogenannten Mongolismus, einer Störung, die schon lange nicht mehr als Krankheit angesehen wird. Menschen mit Trisomie 21 können bei entsprechender Förderung in den allermeisten Fällen ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen.
Aus der Pränatalmedizin wissen wir schon lange, dass Diagnosen, die eine „Normabweichung“ darstellen in sehr, sehr vielen Fällen das Todesurteil für das Kind darstellen. Immer kleiner werdende Familien mit ein bis zwei Kindern streben nach dem perfekten Kind. Neben vielen „Machbarkeitsvorstellungen“ spielt auch dieser Umstand eine nicht geringe Rolle, dass hier für Menschen mit Behinderungen oder Störungen kein Platz mehr ist. Selektionen gibt es auch anderswo auf der Welt. Wo ein Mädchen gesellschaftlich ein Armutsrisiko darstellt oder wo eine staatliche Einkindpolitik die Menschen kulturell zu mehr männlichen Kindern zwingt, ist das weibliche Geschlecht ein Todesurteil. Man kann - allen Genderideen zum Trotz - ein Kind pränatal leider nicht fragen, ob sich nicht als Transmann fühlt, obwohl es biologisch ein Mädchen ist. Eine auf dem Ultraschallbild gefundene Vagina ist dort ebenso ein Todesurteil, wie hier ein positiver Pränatest auf Trisomie 21.
Man erkennt sehr leicht, wie sich derlei Willkür auswirkt. Gesetzt den Fall, der Feminismus gewinnt weiter an Einfluss. Alle Zeichen deuten derzeit darauf hin. Männlichkeit wird schon heute oft als toxisch dargestellt. Rein theoretisch könnte man Frauen mit ausschließlich weiblichen, in vitro gezeugten Embryonen schwängern. Sobald man in der Lage wäre, weibliche Keimzellen künstlich zu erzeugen, wären alle Männer über. Männlichkeit wäre unmittelbarer Anlass für ein Todesurteil.
Dies Gedankenspiel lässt sich mit jedem, wirklich jedem, willkürlich ausgewählten Kriterium durchdeklinieren. Am Ende läuft es immer darauf hinaus, dass eine willkürlich definierte Gruppe dem (pränatalen) Tod geweiht ist. Nicht umsonst spricht der Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker immer wieder vom Recht eines Menschen auf seine Geburt, welches systematisch in die Verfassung gehörte. Das nämlich wäre der einzige Weg, eine Gesellschaft von einem vollständigen Abgleiten in eine (Un-)Kultur des Todes abzuhalten. Einem Menschen, dem eine Krankheit oder Störung attestiert wird, dürfte in dem Falle nämlich nicht das Recht auf seine Geburt streitig gemacht werden. Mit einem grundgesetzlich verbrieften Recht eines Menschen auf seine Geburt könnte man den Pränatest als das kennzeichnen, was er ist: Es ist ein gruppenbezogener Fetozid.
So weit die Theorie. Die Praxis in Deutschland und Europa geht einen anderen Weg. Wir sind schon lange auf dem Slippery slope, der in Richtung der völligen Freigabe der Abtreibung ohne Angabe von Gründen und in jeder Phase der Schwangerschaft führen wird. Was gesellschaftlich und von Lobbyisten weltweit erstritten und durch politische Winkelzüge die nationale Rechte umgesetzt wird, wird nicht jedem Menschen gefallen. Doch der Druck auf schwangere Frauen wird immer weiter zunehmen. Mache sich niemand Illusionen, der Pränatest wird nicht lange brauche, bis er zum Standardprogramm der Pränataldiagnostik gehört.
Die Aufgabe des Christen in einer Welt ohne Gott ist selbstverständlich weiterhin auch der gerechte Kampf um Rechtsnormen, die gemäß dem Naturrecht und in Einklang mit dem Willen Gottes sind. Es wäre der Abfall in grausigen weltflüchtigen Zynismus, gäben wir das auf. Nicht jeder kann das, nicht jeder hat die Nerven in einer lebensfeindlichen Welt für das Leben zu streiten. Nicht jeder erträgt die Obszönitäten, mit der die Welt versucht uns lächerlich zu machen. Auf dem Marsch für das Leben sieht man viele Rosenkränze, an denen sich Demonstranten geradezu festhalten, weil nicht zu ertragen ist, was einem dort geboten wird. Doch die, die den politischen Kampf führen, brauchen unsere ganze Unterstützung. Betend, schreibend, im Alltag Zeugnis gebend, ein anderes Leben anbieten und vieles andere mehr. Die schönste Ökumene, die ich erlebt habe, ist die Ökumene, die dem Schutz des Lebens dient.
Hier zeigt sich aber auch, was der zweite und langfristig noch weitaus wichtigere Teil des Werkes von Christen in einer Welt ohne Gott ist: Anders leben. Wenn Menschen, die Gott nicht kennen – und das sind schon sehr viele in dieser Welt – in Not geraten, dann sollen sie zu Recht sagen können: Geh zu den Christen, die helfen Dir. Dann wird man einer Mutter sagen, die gezwungen werden soll, ihr Kind zu töten, geh zu den Christen, die töten keine Kinder. Wenn ein Alter nicht mehr weiß wohin, weil sein Umfeld ihn reif für die Todesspritze hält, dann muss man sagen können: Geh zu den Christen, hier wird man Deine Hand halten, wenn Du hinüber gehst.
Wir, die wir uns als Christen bekennen, wir sind noch nicht so weit, eine alternative Gesellschaft in einer Welt ohne Gott zu sein. Das ehemalige Abendland lebt noch immer vom Duft aus der Leeren Flasche, aus deren Fülle es einst trinken konnte. Das gibt – auch uns - die Illusion noch in einer christlichen Gesellschaft zu leben. Doch dieses Restaroma verdunstet mit jedem gesellschaftlichen Akt, der sich gegen Gottes Schöpfung stellt. Irgendwann werden es, wie in der römischen Spätantike die Christen sein, die inmitten einer Welt ohne Gott, die eine raue und brutale Welt voller Kriege und Katastrophen sein wird, malen wir da bitte kein romantisches Bild, den Keim einer anderen Welt in ihrer Mitte tragen. Das nämlich ist das Wesen dessen, was Christus uns mitgegeben hat, wir sind nicht von dieser Welt, aber wir sind in der Welt und solange wir hier sind, tragen wir immer noch eine Mitverantwortung. Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Viele haben inzwischen erkannt, dass der politische Kampf und die praktische Hilfe sogar Hand in Hand gehen müssen.
Wer kann, möge seine Mitverantwortung durch Anwesenheit am 18.9. 2021 in Berlin beim Marsch für das Leben zeigen.
https://www.bundesverband-lebensrecht.de/marsch-fuer-das-leben/
Und wer eine Frau kennt, die schwanger und in Not ist, nehme sie bitte an die Hand und suche jeden denkbaren Weg, ihr und ihrem Kind zu helfen.
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