Die Alternative zum Feigenblatt

27. August 2021 in Kommentar


Dass Jesus prüde gewesen ist, kann man locker von der Hand weisen. Voller Liebe und Zartheit wendet er sich den Sündern zu – aber nicht, weil er die Sünde suchte; Er suchte die Seelen dieser Menschen zu retten - BeneDicta von Dorothea Schmidt


Linz (kath.net)

Nach einer Messe bat ein kleiner Junge darum, beichten zu können. Traurig saß er nach der Kommunion, die er auch empfangen hat, in der Bank. Was war sein Problem? Er sagte: Ich möchte beichten. Er habe Jesus empfangen, sei aber nicht ganz aufmerksam gewesen und hatte doch ganz bei Jesus sein wollen.

Man lächelt um so viel Liebe. Belächelt es vielleicht sogar. Aber ist das nicht wunderschön, wie das Kinderherz noch so fein spürt, wo es nicht ganz bei Jesus war, aber doch so gern heiliger sein möchte? Kann es nicht auch ein Wink des lieben Gottes für uns Erwachsenen sein? Ein zarter Aufruf zu mehr Achtsamkeit, mehr Innerlichkeit, mehr Geborgenheit ihn Ihm? Der Moment hatte etwas von dem, was Paulus (Röm 7,15) meinte, als er sagte, er tue nicht, was er wolle, sondern sündige.

Nun hat die Sünde in der Welt Hochkunjunktur. Sie fungiert sogar als Lockmittel für leckeres Eis, Sexfilme oder wird zur Tugend verkehrt, um andere kurze Freuden (in der Sexualität) zu ermöglichen, wie es auf dem Synodalen Weg der Fall ist. Sogar Jesus musste sich den Vorwurf anhören, er sei vor der Sünde nicht zurückgeschreckt: Er aß mit Sündern im Wirtshaus, sprach mit Dirnen auf der Straße und wagte es, den hochwürdigen Pharisäern ins Gesicht zu sagen, die Dirnen seien dem Himmelreich näher als sie selber.

Das waren schon dubiose Gestalten: Eine Magdalena, der sieben Teufel zuflüsterten und gefangen hielten, eine Samariterin, die sich fünf oder sechs Männern hingab, Aufmerksamkeit heischende Pharisäer, die Jesus nicht als Herrn und Gott erkennen konnten oder wollten, eine auf frischer Tat ertappte Ehebrecherin, die nach dem Gesetz den Tod verdient hat. Die Frage heute ist: Wo stehen wir in dieser Reihe solcher Gestalten? Einzeln, als Kirche oder als Mitglied der Synodalen Weges?

Dass Jesus prüde gewesen ist, kann man locker von der Hand weisen. Voller Liebe und Zartheit wendet er sich den Sündern zu – aber nicht, weil er die Sünde suchte; Er suchte die Seelen dieser Menschen zu retten – und tut es auch heute noch, wenn wir es zulassen. Maria Magdalena jedenfalls hat es zugelassen. Sie hat sich offensichtlich irgendwie von Jesus angezogen gefühlt. Und zwar nicht körperlich, sondern geistig.

Jesus ist die inkarnierte Liebe, die wir heute nur noch im kleine Stück Brot der Eucharistie sehen und es uns oft so schwer fällt zu begreifen, wie und dass er sich uns hingibt in der Eucharistie, um uns zu heilen, zu retten, Wunder zu wirken. Ganz so wie damals. Eine größere Liebe als die in Christus ist nicht auszudenken, schreibt Hans Urs von Balthasar. Jesus fordere viel, nämlich der Liebe alles hinten anzustellen. Dafür bekomme man das pure Glück, ein wesenhaftes Glück, wie Balthasar es nennt. Unfassbar eigentlich, dass wir dafür oft so wenig empfänglich sind und besonders auf dem Synodalen Weg weiterrasen in die Zukunft mit einer Kirche der ungeahnten Möglichkeiten; ein kirchliches Hollywood – als gäbe es das andere nicht.

Aber wird der versprochen Rausch – ob durch Sex, Eis, Filme, Drogen, Alkohol oder Frauenpriester – nicht eben auch nur so an uns vorbeirauschen und eine tiefere Leere in uns hinterlassen als vor dem Rausch? Das wäre eine Endlosspirale nach unten.

Wir sind aufgefordert, die vielen kleinen Verfehlungen zu betrachten, die uns vom Herrn wegbringen. Der Moment des Innehaltens des kleinen Jungen ist hier vorbildlich: Er spürt die kleine Entfernung seiner Kinderseele vom unendlichen liebenden Gott. Wie viele solcher Momente, die zu kleinen und größeren Sünden und Verfehlungen oder auf Irrwege führen, durchlaufen wir im Alltag?

Die zu erkennen, wäre wie ein Sprungbrett auf dem Weg zu einer tieferen und intensiveren Christusbeziehung. Und dann dürfen wir dem Rat des heiligen Pfarrers von Ars folgen, der sagte, wir sollten nach einem Fall sofort wieder aufstehen, „die Sünde nicht einen Augenblick im Herzen lassen“. Sondern? Sondern (öfter?) zu Jesus rennen, wie der kleine Junge. Denn Er ist es, der alles neu macht; schön, sauber und heil. Schade, dass dieses Sakrament (und andere Sakramente) bei großen Entscheidungs- und Änderungsprozessen innerhalb der katholischen Kirche zu wenig Beachtung finden. Aber beginnt Reform nicht in jedem Herzen und müsste somit von innen heraus geschehen?

Schauen wir uns nochmal die Sünderinnen aus der Bibel an: Nach der Begegnung mit Jesus, dem Sprechen mit ihm (wie wir es heute im Gebet tun) waren sie nicht mehr dieselben. Der Versuch einer Liebe in ihrem Leben wurde umgewandelt in echte, reine Liebe. In etwas Schönes also. Das wäre doch etwas für unsere dösende Kirche! In einer Welt, in der die Eins-zu-eins-Beichte immer häufiger durch die Kollektivbeichte ersetzt oder ganz vergessen wird, scheint es immer wichtiger, sich mit dem, was die Sakramente wie die Beichte im Tiefsten bedeutet, zu beschäftigen, sie sozusagen wieder aus der Versenkung zu holen.

Was die Beichte betrifft, erscheinen wir letztlich nach dem Tod nicht als Masse vor dem Herrn, der uns richten wird, sondern jeder erscheint einzeln vor Ihm, von Angesicht zu Angesicht. Die Begegnung mit Jesus in der Eucharistie und insbesondere in der Beichte darf uns hierauf vorbereiten. Statt sich hinterm Feigenblatt zu verstecken und eigene Wege zu gehen, dürfen wir Jesus vertrauen, dass Er es gut mit uns meint. Wir dürfen ihm ins Gesicht schauen und ihm unsere Sünden und Sorgen und Zweifel, unser Ringen und Suchen bringen. Danken wir, wie der heilige Augustinus sagte, für das Geschenk der Beichte, denn „gäbe es in der Kirche nicht die Sündenvergebung, so bestünde keine Hoffnung auf das ewige Leben und wie ewige Befreiung. 


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