7. September 2021 in Kommentar
"Auch wenn die Todesangst rundherum überhand nimmt, schläft Jesus im Boot" - Kommentar von Michael Koder
Wien (kath.net/mk) Es ist Krise. Immer noch, oder schon wieder. Finanz-Krise, Flüchtlings-Krise, Corona-Krise, und zunehmend auch Klima-Krise. Der ökumenische Rat der Kirchen in Österreich hat kürzlich dringend verstärkte Maßnahmen zum Klimaschutz eingemahnt. Es brauche entschiedenes Handeln auf allen Ebenen. Die Kirchen appellieren an jeden einzelnen, das eigene Konsum-, Mobilitäts- und Energieverhalten zu überprüfen, und mahnen „umfassende Solidarität“ ein.
Man weiß ja gar nicht mehr, in wie vielen gleichzeitigen Krisen wir uns nun schon befinden. Die einzelnen Krisen verschmelzen zu einer Dauerkrise, und das Schlimme ist, dass sich viele Menschen schon daran gewöhnt haben, also sich ein ruhiges Leben gar nicht mehr vorstellen können. Besonders an der sogenannten „Corona-Krise“ wurde sichtbar, dass sich zahlreiche gesellschaftliche Meinungsführer an jeder noch so unwägbaren Theorie und Vermutung aufhängen, um die Massenpanik weiter zu schüren und die Krise aufrecht zu erhalten. Ob das von Menschen geplant ist, oder einfach eine List des Bösen, bleibe dahingestellt. Die Angst hat sich jedenfalls geradezu zu einem Rauschmittel entwickelt, einer neuheidnischen Religion, einer unbegrenzten „Opium-Reserve“ für das Volk.
In all den genannten „Krisen“ gibt es Fakten, die ernst zu nehmen und auf die angemessen zu reagieren ist. Das inflationär verwendete Wort Krise aber ist mit Vorsicht zu gebrauchen: es ist zu berücksichtigen, dass machthungrige Politiker ihren Hunger gerade durch eine heraufbeschworene „Krise“ stillen können, indem sie sich dann Notrechte und außerordentliche Vollmachten einräumen lassen. Außerdem treibt die Krise tendenziell die Wählergunst in die Höhe, weil „der starke Mann“ das Land (scheinbar) sicher und gut durch den Sturm geführt hat. Nicht alle Politiker sind in diesem Sinn moralisch korrumpiert. Aber wir dürfen uns durch den Schein auch nicht trügen lassen.
Solidarität ist ein weiterer Begriff, der in letzter Zeit über die Maßen ausgedehnt und verwässert worden ist. Jeder wird mir zustimmen, dass es Grenzen geben muss: wenn in Indien ein christlicher Pastor verprügelt wird, wird niemand verlangen, dass wir ins Flugzeug steigen, um der Familie beizustehen, selbst wenn diese vor Ort isoliert wäre. Genau solche Grenzen der Solidarität scheint der Zeitgeist aber nicht anzuerkennen; das Prinzip wird heute vielmehr missbraucht, um uns Schuldgefühle zu machen und nicht bestehende moralische Pflichten zu rechtfertigen. Wir sind angeblich für jedes Übel irgendwo in der „Menschheitsfamilie“ mitverantwortlich und handlungspflichtig; das ist aber so nicht richtig. Gerade die Kirche wäre dazu angehalten, ihre Soziallehre diesbezüglich zu präzisieren, und dem Begriff der Solidarität eine klare Umfassung zu geben.
Ohne das Bewusstsein der Geborgenheit in Gottes Plan wären wir wirklich in der Krise. Das will auch Jesus seinen Jüngern im Seesturm klarmachen, als er schläft, während diese in Panik geraten. „Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4, 40) Wir dürfen uns vom Gefühl des Dauer-Ausnahmezustandes nicht mitreißen lassen; wir können für uns sagen: diese oder jene Krise ist für mich ab heute vorbei. Etwa: Das Virus lässt sich zwar nicht aus der Welt schaffen und wird uns wohl noch lange Kopfzerbrechen, Sorge und vielleicht auch Schmerz bereiten; aber es ist nicht der eigentliche Feind, vor dem wir uns fürchten sollen (vgl. Mt 10, 28: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können...“). Tun wir es also Jesus gleich, legen wir uns wieder schlafen.
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