13. September 2021 in Kommentar
"Kein anderer Bischof in Deutschland hat bisher so entschieden und unerschrocken aufdecken lassen wie er" - "Das eigentliche 'Problem' von Woelki scheint ein anderes zu sein. Er stört! Und zwar massiv" - Gastkommentar von Martin Lohmann/The Germanz
Köln (kath.net/The Germanz) Vergnügunssteuerpflichtig ist das, was der Kölner Kardinal seit Monaten erlebt, augenscheinlich nicht. Muss es auch nicht. Rainer Maria Kardinal Woelki steht nach wie vor im Feuer und unter Beschuss. Ob es jenen, die ihn öffentlich angreifen und sein angebliches Versagen eifrig medial befeuern, ein Vergnügen bedeutet, ist weder überliefert noch bekannt. Doch um was geht es eigentlich? Wer oder was sorgt für den horrenden Vertrauensverlust, den manche beinahe täglich beklagen?
Aus gut informierten Kreisen hört man, dass Rom sich mit der Bearbeitung der in Köln gesammelten Erkenntnisse Zeit lässt. Es gibt halt so viel zu tun im Vatikan. Sicher auch Wichtigeres. Jedenfalls ist ein Ergebnis der zehntägigen Visitation des Erzbistums am Rhein am Tiber noch nicht bekannt. Vielleicht sucht man ja auch noch den wahren Durchblick, um gerecht und fair reagieren zu können. So mancher in der Kirchenzentrale hat möglicherweise inzwischen eine Ahnung davon, dass man mit dem Kölner Metropoliten, den man mögen kann oder auch nicht, eben nicht immer fair umgegangen ist. Auf Dauer lässt sich auch nicht verschweigen oder übersehen, dass das vor allem medial und vielfach nachdenkungsfrei nachgeplapperte Bild von dem beileibe nicht vollkommenen Woelki zwar immer wieder simpel und instrumentalisierter ist, aber eben auch falsch. Der Mensch Woelki ist – bei genauerem Hinsehen – nicht ganz einfach zu erkennen hinter all dem, was inzwischen über ihn behauptet wird.
Geht es wirklich (nur) noch um Aufklärung des Missbrauchsskandals? Wohl kaum. Denn kein anderer Bischof in Deutschland hat bisher so entschieden und unerschrocken aufdecken lassen wie er. Medienpannen und Ungeschicklichkeiten gab es auch. Auch in Köln musste man lernen. Kann es sein, dass man jetzt auch in München das offenbar vorliegende Gutachten einer weiteren Prüfung unterziehen möchte, um keine Fehler zu begehen? Stimmen die Gerüchte, dass dort nun jenes gemacht wird, was man aus dem Süden mit manchen Attacken gegen den Kölner begleitete, der ein zweites und offenbar umfassendes Gutachten in Auftrag gab und veröffentlichte? Lag Woelki vielleicht doch nicht so ganz falsch?
Das eigentliche „Problem“ des Rainer Woelki scheint ein anderes zu sein. Er stört! Und zwar massiv. Warum? Weil er katholisch bleiben will und entsprechende Fragen an den deutschnationalkirchlichen sogenannten “Synodalen Prozess” hat. Woelki ist ein unangenehmer Störenfried. Er weiß, möglicherweise im Unterschied zu anderen Bischöfen, dass er erst recht als Bischof die Pflicht hat, die Lehre der Kirche treu zu bewahren und die anvertraute Wahrheit ins Heute zu übersetzen. Authentisch. Echt. Ohne Abstriche. Auf Christus ausgerichtet. An Christus orientiert.
Wenn man aber bemüht ist, katholische Identitäten, die sich an der vom Gottessohn geoffenbarten Wahrheit ausrichten, zu eliminieren, um sich dem jetzt gerade aktuellen Zeitgeist anzupassen, dann gehört es wohl zum eigenen Zwangscredo, einen Ersatzkriegsschauplatz gegen den tapferen Katholiken am Rhein zu finden.
Wer genau hinschaut, kann erkennen, dass die Protagonisten der mehr oder weniger geschickten Verwirrung, die sich als ach so besorgter Kampf gegen den bisher so standhaften und als störrisch empfundenen Erzbischof tarnt, über den Fakenews angeblicher Vertuschung eifrig und gehorsamst verbreitet werden, bisweilen verraten, worum es ihnen tatsächlich geht. Dabei kann dann auch der immer wieder betonte Hinweis, im Erzbistum Köln rege sich wieder Protest, nur jene verfangen, die ein anderes Ziel haben als Fairness und Gerechtigkeit.
Es ist die so genannte und angebliche „Reforminitiative Maria 2.0″, die zusammen mit katholischen Verbänden und Laienvertretungen vom 11. September bis zum 2. Oktober mit einem vollmundig als “1. Zukunftskongress” bezeichneten Veranstaltungskatalog für einen – man höre und staune – Neubeginn in der von Kardinal Rainer Maria Woelki geleiteten Erzdiözese stark macht. Eine Initiative, die sich eher am Politischen orientiert denn an dem, was zum Identitätskern der katholischen Kirche gehört. Das Programm der 17 Veranstaltungen offenbart jedenfalls, dass es, anders als behauptet, eben nicht um “die konsequente Aufarbeitung des Missbrauchsskandals“ geht, sondern um eine andere Kirche und eine nichtkatholische vermeintliche „Demokratisierung kirchlicher Strukturen“.
Da ist von Geschlechtergerechtigkeit die Rede, es lugt – halt wie in einem politischen Parteiprogramm – Demokratie und Frauenordination in Form von Gleichberechtigung (bei Ämtern und Weihen) hervor, da liest man von spirituellem Missbrauch, von radikalen Änderungen. Und man schwingt sich – selbst ganz Partei – zum unparteiischen Schiedsrichter auf und zeigt dem Kardinal Rote Karten. Von dem, was Kirche eigentlich ist, liest und findet man – nichts. Alles vermittelt den Anschein einer von soziologischem Denken und revolutionärem Politzirkus geprägten rein weltlichen Organisation. Ob das etwas mit eigenen Lebensbrüchen und manch gelebter Unehrlichkeit einiger katholischer Wortführer – medialer und nichtmedialer Provenienz – zu tun haben könnte? Wer weiß.
Rom, wo man in diesen Tagen einen ganz anderen Synodalen Prozess angestoßen hat als den deutschen, sollte sich solche Programme genauer ansehen und sich fragen, worum es bei all den Attacken gegen den Kölner Kardinal letztlich und tatsächlich geht. Mit Sicherheit nicht um das, als was man es zu tarnen versucht. Denn auch wenn der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in einer ersten Stellungnahme zu den römischen Reformüberlegungen versuchte, die angebliche gemeinsame Dynamik von der aus Rom gewünschten Neuausrichtung der Kirche an Jesus Christus und der vom Gottes-sohn geoffenbarten Wahrheit und dem Umwidmungsprozess der „deutschen“ Kirche zu betonen: Hier gibt es im Kern keine wirkliche katholische oder wirklich katholische Gemeinsamkeit.
Rainer Maria Woelki ist da der wahrhaftigen Reform der Kirche, die sich stets an der Urform Jesus Christus zu orientieren hat, wesentlich näher als die meisten deutschen Bischöfe. Ganz zu schweigen von einem Zentralkomitee, das irrtümlich immer noch vorgibt, die deutschen Katholiken zu vertreten. Denn letztlich geht es nicht um politische Strukturen, darf es nicht um billige Anpassung an den Zeitgeist gehen, sondern um Glaube, Gebet und Anbetung Gottes. Es geht darum, mit der Hoffnung auf wirkliche Erlösung und wahre Befreiung im Blick auf den Schöpfer selbst und seinen Sohn den Glauben zu stärken und dieser Welt den Weitblick auf die eigentliche Berufung des Menschen zu ermöglichen. Und dazu gehört eine Kirche, die anders ist und zum gesegneten Werkzeug für Gerechtigkeit und Liebe mitten in dieser vergänglichen Immanenz wird.
Es braucht Klarheit der Erkenntnis, wofür der Kampf geführt wird – und weswegen er durch ständiges Wiederholen und Ablenken gegen manche katholische Störenfriede munitioniert wird, die sich der Gleichschaltung widersetzen. So gesehen bieten manche angebliche Zukunftskongresse nicht zuletzt Rom das Libretto des ehrlichen und fairen Durchblicks.
Martin Lohmann ist Theologe, Historiker und freier Journalist. Der Publizist kennt Rainer Woelki aus gemeinsamer Studienzeit.
Fotos - Link: Kardinal Woelki (c) Erzbistum Köln / Rechts: Martin Lohmann (c) LohmannMedia
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