16. September 2021 in Buchtipp
Leseprobe aus: Helmut Müller, Hineingenommen in die Liebe – aber spüren wir sie auch im orbis catholicus? Skizzen einer autobiografischen Theologie
Vallendar (kath.net) Die römisch-katholische Kirche, der älteste Globalplayer der Welt ist den Angriffen von Produktpiraten ausgesetzt. Dieses Mal sind es nicht die Chinesen. Nein, der Angreifer spricht deutsch und verwendet das schon gefakte Produkt „Synode“ und nennt es „synodaler Weg“.
Bevor der Hahn kräht...
Lange ist es her, dass sich die katholische Kirche noch als acies bene ordinata (Hld 6, 4), als wohlgeordnetes Heerlager, bereit zum Kampf, verstehen konnte. Insbesondere die katholische Aktion hat so ihr Wirken begriffen. Der Sauerteig der Kirche und des Evangeliums sollte durch Laieninitiative in der Welt aufgehen. Heute scheint der Kampf verloren zu sein, vom wohlgeordneten Heerlager ist nur noch ein „Feldlazarett“ (Papst Franziskus) übrig geblieben. Anstatt des Sauerteigs des Evangeliums quillt der süße Brei der Welt aus Grimms Märchen in die Kirche. Das Corona -Virus hat nur offensichtlich gemacht, was sich schon seit Jahren abzeichnet. Was bedeutet es noch durch das Taufsakrament Hinein genommen in die Liebe zu sein, in die römisch-katholische Version vom Taufbecken bis zu den Sterbesakramenten? Und was bedeutet es, wenn eine Pfarrgemeinde im Mai 2021 ihre Jugend nicht mehr von ihrem Erzbischof firmen lassen will, weil sie Kirche grundsätzlich schon anders versteht als ihr Oberhirte?
Was mich betrifft, bin ich auch schon zwei Mal durch eigenes Verschulden aus diesem Taufverständnis wieder heraus gefallen und fast ins Nichts abgestürzt. Aber ich will in diesem Angebot der Liebe bleiben, auch wenn die Anbieter nicht gerade den Eindruck erwecken, als wäre man Hinein genommen in die Liebe. Die Kirche ist nur so weit glaubhaft, wie es ihre Mitglieder vom Papst bis zu einem bloß Getauften wie mir es sind. Spätestens hier stellt sich die Frage: Römisch-Katholisch, was ist das überhaupt? Wer hat dafür das Copyright? Hat es sich aufgelöst durch eine gigantische nachkonziliare Produktpiraterie und werden sogar schon Falsifikate des synodalen Weges von Bischöfen hingenommen? Kommen ihre Hirten in der Öffentlichkeit nicht als Clankriminelle daher und stehen sie einer Herde von bockigen oder aber braven Schafen vor? Erfindet etwa jede Zeit das Katholische neu? Hat ein Bio-Virus nicht gezeigt, dass Virologen mehr Trost spenden können als Bischöfe mit ihrem Segen in leeren Kirchen und selbst der Papst im gespenstisch verwaisten Petersdom zu Ostern 2020? Sind wir nicht vielmehr alle hinausgehalten in das Nichts, was Heidegger vom menschlichen Dasein überhaupt annimmt, egal in welchen Strukturen wir es organisieren? Oder sind wir vielleicht nicht standhaft geblieben nach der Taufe, wie Petrus nach dem Krähen des Hahnes und das Angebot Hinein genommen zu sein in die Liebe besteht weiterhin?
Von Petrus wissen wir, dass er nach dem Krähen des Hahnes schließlich standhaft blieb. Wie ergeht es uns? Wie verhalten wir uns angesichts von Herausforderungen? Wohin fiel die Saat bei uns, auf den Weg, unter die Dornen oder auf fruchtbaren Boden? Dürfen wir hoffen, dass uns Christus die Hand reicht, wenn wir nicht mehr glauben können, dass wir hinein genommen sind in die Liebe und Angst haben unterzugehen wie Petrus? Oder wenn weit und breit niemand glaubwürdig ist, der uns - wie Christus Petrus - die Hand reicht? Zwei mal musste ER sie mir schon reichen. Von einem lebenslangen Versuch, dem apostolischen Copyright der Liebe Christi gerecht und nicht auch Produktpirat zu werden, möchte ich berichten.
kath.net Lesetipp
Helmut Müller
Hineingenommen in die Liebe - aber spüren wir sie auch im orbis catholicus?
Skizzen einer autobiografischen Theologie
250 Seiten, Paperback
Fe-Verlag
ISBN /EAN: 9783717113355
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