Der Glaube: kein ‚do ut des’. Die wahre Beziehung zu Gott

10. Oktober 2021 in Aktuelles


Franziskus: zunächst gilt es, sich von einem kommerziellen und mechanischen Glauben zu befreien, der das falsche Bild eines buchhalterischen und kontrollierenden Gottes, nicht eines Vaters, vermittelt. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Angelus mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz am 28. Sonntag im „Jahreskreis“: „Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“.

Die heutige Liturgie biete uns die Begegnung zwischen Jesus und einem Mann, der „hatte ein großes Vermögen hatte“ (Mk 10,22) und als „der reiche Jüngling“ in die Geschichte eingegangen sei (vgl. Mt 19,20-22). Das Markusevangelium spreche sogar von ihm als „einem Mann“, ohne sein Alter oder seinen Namen zu nennen, was darauf hindeutet, dss wir uns alle in diesem Mann wiederfinden könnten. Seine Begegnung mit Jesus ermögliche es uns nämlich, unseren Glauben zu prüfen, einen "Glaubenstest".

Der Mann beginne mit einer Frage: „was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?“ (V. 17). Der Papst rief dazu auf, die Verben zu beachten, die er verwende: tun müssen – haben. Das sei seine Religiosität: eine Pflicht, ein Tun, um zu bekommen: „Ich tue etwas, um das zu bekommen, was ich brauche, do ut des“. Aber dies sei eine Geschäftsbeziehung mit Gott, eine Gegenleistung, ein "do ut des". Der Glaube hingegen sei kein kaltes, mechanisches Ritual, ein „Muss“. Er sei eine Frage der Freiheit und der Liebe.

Hier liege ein erster Test: „Was ist Glaube für mich? Wenn es hauptsächlich eine Pflicht oder ein Druckmittel ist, sind wir auf dem Holzweg, denn das Heil ist ein Geschenk und keine Pflicht, es ist unentgeltlich und kann nicht gekauft werden. Zunächst gilt es, sich von einem kommerziellen und mechanischen Glauben zu befreien, der das falsche Bild eines buchhalterischen und kontrollierenden Gottes, nicht eines Vaters, vermittelt“.

Jesus – zweiter Schritt – helfe dem Mann, indem er ihm das wahre Gesicht Gottes zeige. Tatsächlich „sah er ihn an“ und „umarmte ihn“ (V. 21). Hier werde der Glaube geboren und wiedergeboren: nicht aus einer Pflicht, nicht aus etwas, das getan werden muss, sondern aus einem Blick der Liebe, der willkommen sei. So werde das christliche Leben schön, „wenn es sich nicht auf unsere eigenen Fähigkeiten und Pläne stützt, sondern auf den Blick Gottes“. „Ist dein Glaube müde und möchtest du ihn neu beleben?“, so der Papst: „suche den Blick Gottes: bete an, lass dir  vergeben, stehe vor dem Gekreuzigten. Kurzum: lass dich von ihm lieben“.

Nach der Frage und dem Blick folge – dritter und letzter Schritt – eine Einladung Jesu, der sage: „Eines fehlt dir noch“. Was fehle dem reichen Mann? Die Gabe, die Unentgeltlichkeit: „Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“.

Daran mangle es vielleicht auch bei uns: „wir tun oft nur das Nötigste, während Jesus uns auffordert, das maximal Mögliche zu tun. Wie oft begnügen wir uns mit unseren Pflichten - den Geboten und ein paar Gebeten, während Gott, der uns das Leben schenkt, uns um ein Lebenselan bittet“. Im heutigen Evangelium sähen wir diese Verlagerung von der Pflicht zur Gabe sehr gut. Jesus beginne mit der Erinnerung an die Gebote: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht stehlen...“. Dann komme er zu dem positiven Vorschlag: „Geh, verkaufe, gib, folge mir nach!“. Der Glaube könne nicht auf ein Nein beschränkt werden, denn das christliche Leben ist ein Ja, „ein Ja der Liebe“.

Ein Glaube ohne Gabe und Unentgeltlichkeit sei unvollständig. Wir könnten ihn mit einem reichhaltigen und nahrhaften Essen vergleichen, dem es an Geschmack fehle, oder mit einem gut gespielten Fussballspiel ohne Tor. Ein Glaube ohne Gabe, ohne Unentgeltlichkeit, ohne Werke der Nächstenliebe „macht am Ende traurig: wie der Mann, der, obwohl er von Jesus selbst mit Liebe betrachtet wurde, betrübt und traurig nach Hause ging.

„Heute können wir uns fragen“, so Franziskus abschließend: „Wo steht mein Glaube? Lebe ich es als etwas Mechanisches, als eine Beziehung der Pflicht oder des Interesses mit Gott? Erinnere ich mich daran, sie zu nähren, indem ich mich von Jesus anschauen und lieben lasse? Und wenn ich von ihm angezogen werde, antworte ich dann mit Unentgeltlichkeit, von ganzem Herzen?“.

 


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