20. Oktober 2021 in Aktuelles
Franziskus: es ist die Liebe Christi, die uns befreit hat von der Sklaverei des eigenen Ichs. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as) „Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder und Schwestern. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe! Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ (Gal 5, 13-13
Generalaudienz mit Pilgern und Besuchern in der Aula „Paolo VI“. Papst Franziskus setzte seine Katechesenreihe zum Brief des Apostels Paulus an die Galater fort. Der zwölfte Teil stand unter dem Thema „Freiheit verwirklicht sich in der Nächstenliebe“.
Die Beziehung von Glaube und Freiheit sei also das große Thema des Galaterbriefs. Durch die Taufe würden wir in ein „neues Leben“ eingeführt. In Christus seien wir von Neuem geboren.
Unsere Religiosität gründe nicht mehr auf dem Einhalten von Geboten, sondern in einem lebendigen Glauben, der seine Mitte in der Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern und Schwestern habe. Diese durch die Taufe erwirkte Freiheit bedeute keine Beliebigkeit. Sie führe vielmehr dazu, einander in Liebe zu dienen (Gal 5,13).
Die wahre Freiheit komme also in der Nächstenliebe zum Ausdruck. Einmal mehr stünden wir vor dem Paradox des Evangeliums: „Wir sind frei, wenn wir dienen. Wir finden uns ganz in dem Maß, in dem wir uns hingeben. Wir besitzen das Leben, wenn wir es verlieren“ (vgl. Mk 8,35).
Die wahre Freiheit erfülle sich in der sich verschenkenden Liebe. Es sei die Liebe Christi, die uns befreit habe von der Sklaverei des eigenen Ichs. Die von der Liebe geleitete Freiheit sei die einzige, die die anderen und mich selbst frei mache. Sie verstehe es, zuzuhören, ohne etwas zu verlangen, und Gutes zu tun, ohne den eigenen Vorteil zu suchen: „sie führt uns zu den Armen, und wir erkennen in ihnen das Angesicht Christi wieder“.
Die Freiheit in der Liebe führe immer in die Gemeinschaft. Sie führe uns dazu, das gemeinsame Wohl über die eigenen Interessen zu stellen.
Für Paulus bedeute Freiheit also nicht, „zu tun, was man will“. Diese Art von Freiheit, ohne Ziel und ohne Bezug, wäre eine leere Freiheit. Und in der Tat hinterlasse es eine innere Leere: „wie oft, nachdem wir nur unserem Instinkt gefolgt sind, stellen wir fest, dass eine große innere Leere zurückbleibt und dass wir den Schatz unserer Freiheit, die Schönheit, das wahre Gute für uns selbst und für andere wählen zu können, missbraucht haben“. Nur diese Freiheit sei vollständig, konkret und füge uns in das reale Leben des Alltags ein.
In einem anderen Brief, dem ersten an die Korinther, antworte der Apostel auf diejenigen, die eine falsche Vorstellung von Freiheit vertreten. „Alles ist erlaubt!“, sagten sie. „Ja, aber nicht alles ist von Vorteil“, antworte Paulus. „‚Alles ist erlaubt!’ – ‚Ja, aber nicht alles erbaut’“, erwidere der Apostel. Dann füge er hinzu, dass niemand seine eigenen Interessen suchen solle, sondern die der anderen (vgl. 1 Kor 10,23-24).
Denjenigen, die versucht seien, die Freiheit nur auf ihren eigenen Geschmack zu reduzieren, stelle Paulus die Notwendigkeit der Liebe vor Augen. Die von der Liebe geleitete Freiheit „ist die einzige, die andere und uns selbst befreit, die zuzuhören weiß, ohne aufzudrängen, die zu lieben weiß, ohne zu zwingen, die aufbaut und nicht zerstört, die andere nicht zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzt und ihnen Gutes tut, ohne ihren eigenen Vorteil zu suchen“.
Kurz gesagt: „wenn die Freiheit nicht im Dienst des Guten steht, läuft sie Gefahr, steril zu sein und keine Früchte zu tragen“. Andererseits führe die von der Liebe beseelte Freiheit zu den Armen, die in ihren Gesichtern das von Christus erkenne. Der gegenseitige Dienst erlaube es Paulus, eine keineswegs nebensächliche Bemerkung zu machen: „wenn er von der Freiheit spricht, die ihm die anderen Apostel zur Evangelisierung gegeben haben, betont er, dass sie ihm nur eines empfohlen haben: an die Armen zu denken (vgl. Gal 2,10)“.
Stattdessen wüssten wir, dass eine der am weitesten verbreiteten modernen Vorstellungen von Freiheit die folgende sei: „Meine Freiheit endet dort, wo deine beginnt“. Aber hier fehle die Beziehung. Es sei dies eine individualistische Vision. Dagegen könnten diejenigen, die das Geschenk der Befreiung durch Jesus empfangen hätten, nicht denken, dass die Freiheit darin bestehe, sich von den anderen fernzuhalten und sie als lästig zu empfinden. Sie könnten den Menschen nicht als in sich selbst eingeschlossen, sondern immer als Teil einer Gemeinschaft sehen. Die soziale Dimension ist für die Christen also von grundlegender Bedeutung, da sie das Gemeinwohl und nicht die privaten Interessen im Auge habe.
Gerade in diesem historischen Moment müssten wir die gemeinschaftliche und nicht die individualistische Dimension der Freiheit wiederentdecken. Die Pandemie habe uns gelehrt, dass wir einander brauchen, aber es reiche nicht aus, dies zu wissen, „wir müssen uns jeden Tag konkret dafür entscheiden. Wir sagen und glauben, dass die anderen kein Hindernis für meine Freiheit sind, sondern die Möglichkeit, sie voll zu verwirklichen. Denn unsere Freiheit entsteht aus der Liebe Gottes und wächst in der Nächstenliebe“.
Die Pilger und Besucher sowie die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:
Einen herzlichen Gruß richte ich an die Pilger und Besucher deutscher Sprache. Streben wir danach, immer wie Christus zu leben, im Dienst für die anderen und im Lob und Dank an Gott, den Vater unseres Lebens und den Schöpfer des Weltalls. Der Herr leite und behüte euch auf allen Wegen.
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