„Beichtgeheimnis ist Bestandteil des Grundgesetzes“

23. Oktober 2021 in Deutschland


Dr. Oliver Rothe verweist auf die rechtliche Verpflichtung des Staates zum Schutz des Beichtsiegels und erkennt in dessen Aufweichung keinen praktischen Nutzen.


Münster (kath.net/mk) In einem Interview mit „Kirche-und-Leben.de“ spricht sich Dr. Oliver Rothe, Priester des Bistums Münster und promovierter Jurist, vehement dagegen aus, das Beichtgeheimnis aufzuweichen. Mit der Begründung, sexuelle Gewalt zu verhindern, wurde das Beichtsiegel bereits in mehreren Bundesstaaten Australiens durch staatliche Gesetze gebrochen, in Frankreich werden solche gefordert, und auch in Deutschland gibt es bereits Stimmen in diese Richtung, wonach das Beichtgeheimnis ein „Fremdkörper im säkularen Staat“ sei. Rothe, der sein kirchenrechtliches Lizenziat mit einer Arbeit über den Schutz des Beichtgeheimnisses abschloss, verweist darauf, dass eine Aufweichung keine Missbrauchsfälle verhindern würde, weil dann weder Täter noch Opfer das Beichtgespräch suchen würden. Dadurch entfiele auch die einzigartige Möglichkeit des Priesters, sich in der Beichte dafür einzusetzen, dass der Täter sich den Ermittlungsbehörden stellt.

Bisher könne die Kirche darauf verweisen, dass dieses Siegel absolut sei, in keinem Fall gebrochen werden dürfe. Dies kommt auch in der entsprechenden kirchenrechtlichen Bestimmung zum Ausdruck: Dem Beichtvater ist es streng verboten, den Beichtenden „durch Worte oder auf irgendeine andere Weise und aus irgendeinem Grund irgendwie zu verraten“. Der Priester wäre durch einen Verrat sofort exkommuniziert, und nur Rom selbst könnte diese Exkommunikation lösen. Rothe argumentiert weiter, dass das Beichtgeheimnis nicht über der Verfassung stehe, sondern vielmehr Bestandteil des Grundgesetzes sei: dieses gewähre zum einen ein Recht auf private Lebensgestaltung und damit einen unantastbaren Bereich des Einzelnen, und zum anderen die Freiheit der Religionsausübung. Aus beiden ergebe sich die Verpflichtung des Staates, das Beichtsiegel zu schützen, insbesondere durch das Zeugnisverweigerungsrecht des Priesters im Prozess. Darüber hinaus habe sich der Staat im Vertrag mit dem Heiligen Stuhl zu dessen Schutz  verpflichtet, und könne diese Verpflichtung nicht einseitig auflösen.


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