24. Oktober 2021 in Prolife
Kummer mahnt: "In den Niederlanden wurden innerhalb weniger Jahre die für 'Sterbehilfe' berechtigten Personengruppen ausgeweitet und schließen heute nicht nur physisch Schwerkranken, sondern auch psychisch Kranke, Minderjährige und Demenzkranke ein"
Wien (kath.net/KAP) Für Susanne Kummer vom Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) gleicht das neue Sterbeverfügungsgesetz einer "Quadratur des Kreises": Anlass dafür sei die VfGH-Entscheidung im vergangenen Dezember, die den Gesetzgeber vor eine schwierige Aufgabe gestellt habe. Mit der Aufhebung der Schranken des Tötungsverbots sei ein "grundlegender Wertebruch" erfolgt, erinnerte die Ethikerin in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress und sagte: "Erstmals hatte damit der Staat Suizid als akzeptable Möglichkeit definiert, Leiden zu beenden, in dem man frühzeitig sein Leben beendet."
Der nun vorliegende Gesetzesentwurf sollte laut Kummer "Suizidverfügung" heißen, was präziser wäre, denn: "Wünsche für das Lebensende waren bis jetzt gut aufgehoben in den Instrumenten der Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Hier geht es um ein Regelwerk zur Selbsttötung mit Hilfe Dritter."
Positiv ist laut der IMABE-Geschäftsführerin die Absicherung der Gewissensfreiheit: "So ist laut Gesetz niemand verpflichtet, Sterbehilfe zu leisten. Auch Apotheker dürfen nicht zur Abgabe des tödlichen Präparats verpflichtet werden. In keinem Fall darf ihnen daraus ein Nachteil erwachsen. Wirtschaftlicher Nutzen aus der Beihilfe zum Suizid wird ebenso verboten wie Werbung. Gemeinnützige Vereine, die wie in der Schweiz das Prozedere abwickeln, sind nicht per se ausgeschlossen."
Wie auch andere lobte Kummer das klare Bekenntnis, den seit Jahrzehnten geforderten flächendenkenden Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung nun endlich in Angriff zu nehmen. Zwar habe der Bund eine Aufstockung der Mittel dafür bereits zugesagt. Allerdings würden die Zusagen der Länder und Sozialversicherung im Sinne der geplanten Drittelfinanzierung noch ausstehend. Solange dies noch nicht Realität sei, könne man daher "nicht von einer echten Wahlfreiheit" sprechen. Nun stehe man in den kommenden Monaten in der paradoxen Situation, "dass es einen Zugang zur Beihilfe zur Suizid gibt, aber noch nicht für jeden, der es braucht, einen Zugang zur mobilen palliativen Versorgung."
Positiv wertete Kummer, dass laut Gesetzesentwurf "Beihilfe zur Selbsttötung keine ärztliche Tätigkeit" sei. Grund zur Sorge bereite allerdings die Definition des "dauerhaften Entschlusses" zum Suizid, der nur eine dreimonatige Frist vorsieht. "Hier geht es um Leben und Tod - da sind drei Monate definitiv zu kurz." Außerdem würden Faktoren wie der Druck von Angehörigen oder innerer emotionaler Druck "als Last zu fallen" zu wenig erfasst. "Das sind Dinge, die der Betroffene vermutlich aus Scham gar nicht offen ausspricht", gab Kummer zu bedenken.
"Bedauerlich" sei zudem, dass der Gesetzgeber die Chance vergeben habe, die Tötung auf Verlangen rechtlich besser abzusichern. "Dazu hat offensichtlich der politische Wille gefehlt." Nun sei sicherzustellen, dass es in Österreich nicht über kurz oder lang zu Ausweitungen der Sterbehilfe-Regelung kommt. "In den Niederlanden wurden innerhalb weniger Jahre die für 'Sterbehilfe' berechtigten Personengruppen ausgeweitet und schließen heute nicht nur physisch Schwerkranken, sondern auch psychisch Kranke, Minderjährige und Demenzkranke ein", erinnerte Kummer und mahnte: "Entsolidarisierung unter dem Deckmantel der Diskriminierung geht schneller, als man denkt."
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