29. Oktober 2021 in Aktuelles
Walter Kardinal Brandmüller: ist dies ein Titel aus einer kirchenfeindlichen Zeitung? Überzeugung – oder Wunschtraum von Atheisten? Eine Provokation, eine nüchterne Diagnose gar? Nichts von alledem! Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as/wb) Jede Wortmeldung von Walter Kardinal Brandmüller ist eine Perle der Einsicht, wie auch sein letztes Buch bezeugt. Sechs Jahre mit dem Kardinal auf kath.net, und jetzt sozusagen „kath.net gedruckt“. Brandmüller – einer der bedeutenden Kirchengeschichtler unserer Zeit versäumt es nie, als Wissenschaftler und Kardinal, also Zeuge „usque ad effusionem sanguinis“, sein Interesse für die Weltkirche wach zu halten. Besonderes Spotlight aber widmet der Herr Professor, ein Titel, der die beiden emeritierten und fast gleichaltrigen Kollegen Brandmüller und Ratzinger verbindet und charakterisiert, dem Leben der Kirche in Deutschland. Eine Leseempfehlung: Licht aus der Geschichte – Realistischer Blick auf die deutsche Kirche, 162 Seiten, fe-Medienverlag, Kissleg 2021, € 8.95, ISBN 978-3-7171-1338-6.
Nun aber „provoziert“ er wieder, in bekannter jugendlicher Frische und Tiefe, mit denen er weise „synodale Wege“ demontiert.
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Walter Kardinal Brandmüller: Kirche ohne Zukunft...
Ist dies ein Titel aus einer kirchenfeindlichen Zeitung? Überzeugung – oder Wunschtraum von Atheisten? Eine Provokation, eine nüchterne Diagnose gar?
Nichts von alledem! „Kirche ohne Zukunft“ meint vielmehr, dass für weite kirchliche Kreise unserer Tage das Glaubensbekenntnis mit den Worten „Vergebung der Sünden“ (natürlich ohne Buße und Beichte) endet.
Der Rest geht im Lärm kirchlicher Betriebsamkeit unter – und dieser „Rest“ lautete einmal so: „Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. Amen.“
Mit der stillschweigenden praktischen Preisgabe dieser Zukunftsperspektive spricht sich die Kirche ihre Daseinsberechtigung selber ab. Nur vor dem Raum und Zeit übersteigenden Horizont der Ewigkeit erschließt sich doch Existenz wie Botschaft der Kirche. Würde diese Ewigkeitsperspektive preisgegeben, wäre die Kirche wahrscheinlich ohne Zukunft. Dies aber ist im Blick auf die Kirche im deutschen Sprachraum mehr denn je zu befürchten.
I
Es genügt im Blick auf die Themen, die seit geraumer Zeit die Diskussion im deutschsprachigen Katholizismus bestimmen. Da ist von Macht, Gewaltenteilung, Zölibat und Frauen als Priesterinnen die Rede. Man fragt zugleich, ob Priester überhaupt notwendig seien, fordert zugleich die Einhaltung demokratischer Prozesse und meint, man solle doch Bischöfe nur für gewisse Wahl- bzw. Amtsperioden bestellen. Namentlich aber seien bisherige Normen der Sexualmoral im Sinne sexueller Freiheit abzulösen. Mit zunehmender Verstimmung stellt man fest, dass genuin christliche, katholische Begriffe wie Gott, Jesus Christus, Sünde und Erlösung, Gnade und Ewiges Leben in diesen Texten gänzlich fehlen. Begriffe, Wirklichkeiten, die offenbar im religiösen, existentiellen Horizont ihrer Verfasser fehlen, die so von ihrer reinen Diesseitigkeit, ja Gottvergessenheit ein erschütterndes Zeugnis ablegen.
Wie über den großen Städten häufig eine dichte graue Dunstwolke den sonnigen blauen Himmel dem Blick der Menschen verbirgt, so lastet über dem „Unternehmen Frankfurt“ die Wolkendecke der Gottvergessenheit, die ihre Schatten über die „Deutsche Kirche“ wirft. Wahrhaftig, ein solcher Katholizismus hat – wie Marx und Engels es einst wollten – „den Himmel den Spatzen überlassen“.
„Ärmel hochgekrempelt und angepackt“ heißt es also, denn „es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott…“, um „uns von dem Unglück zu erlösen, das können wir nur selber tun“. Doch dieses Gott-lose Experiment hat noch nirgendwo funktioniert, und die Utopie einer kommunistisch-klassenlosen Gesellschaft ist – wie auch ihr kapitalistisches Gegenmodell – in den Vernichtungsorgien zweier Weltkriege untergegangen.
Wenn wir nach all diesen Erfahrungen im Gefolge der Frankfurter Synode meinen würden, die Kirche in eine NGO mit dem Ziel der „größtmöglichen Glückseligkeit aller“ - so die Aufklärer des 18. Jahrhunderts – umwandeln zu sollen, wäre das Ergebnis nur ein Abklatsch der UNESCO – und damit überflüssig.
II
Nun aber endet das vollständige Credo mit den Worten: Ich glaube „an die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt“. Damit weiten sich Horizont und Perspektive für die Kirche und den einzelnen Christen ins Unendliche. Denn dieses „Leben der kommenden Welt“ ist ewiges Leben.
Die Mathematik kennt die Größen Strecke, Gerade, und Strahl. Die Strecke hat Anfang und Ende. Die Gerade kennt beides nicht, sie kommt aus dem Unendlichen, um sich wieder im Unendlichen zu verlieren. Mag man also die Dauer der geschaffenen Welt, des Universums, mit einer Strecke vergleichen, in der anfangs- und endlosen Gerade ein Bild der Unendlichkeit Gottes erblicken, so ist der Strahl, der von einem Punkt ausgeht und kein Ende mehr kennt, ein Bild, nicht nur des Menschen, sondern auch der Kirche. Auch sie hat einen Ursprung – am Pfingsttag des Jahres 30 p. Chr., doch kein Ende.
Damit aber ist der Horizont beschrieben, vor dem die Kirche Jesu Christi (nicht „unsere“ Kirche) in dieser Welt lebt, vor dem ihre sakramental-hierarchische Verfasstheit, ihre Lehre und ihre Lebensvollzüge zu verstehen sind. Ihre Lehre, Weisung, Liturgie und Sakramente sind die Weise, in der der Auferstandene Christus seine (nicht „unsere“) Kirche auf ihrem Weg durch Welt und Zeit hin zu dem himmlischen Jerusalem begleitet.
III
Aus dem Gesagten ergeben sich Folgerungen für eine Standortbestimmung der Kirche im Hier und Heute. Zunächst eine negative Feststellung: Die Kirche, d.h. Bischöfe, Priester etc. besitzen keinerlei Zuständigkeit für die Politik in ihren verschiedenen Sparten. Selbst Kultur- und Bildungspolitik sind zunächst profanes Terrain. Es ist also Sache der auf diesen Feldern tätigen Laien, in weltanschaulichen, sittlich relevanten Angelegenheiten die Lehre der Kirche in angemessener Weise zur Geltung zu bringen. Hierzu hat das II. Vatikanische Konzil Richtungweisendes gesagt.
Wenn dabei die Grenzen der kirchlichen Kompetenz jedoch überschritten werden, handelt es sich in der Tat um jenen Klerikalismus, mit dem man sich – im besten Fall – lächerlich macht. Der wirkliche Auftrag der kirchlichen Hierarchie ist es hingegen, in ihrer Verkündigung auf die Forderungen von Naturrecht und Evangelium, auf den Transzendenzbezug von Mensch und Welt zu verweisen.
Wo immer die Politik diese Weisungen aufnimmt und zu verwirklichen sucht, können sich faszinierende Ausblicke auf eine Gesellschaft auftun, in welcher die Beobachtung der Zehn Gebote und der Bergpredigt des Neuen Testaments als Verhaltensnorm betrachtet wird. Könnte ,müßte so nicht eine wirklich menschenfreundliche Gesellschaft entstehen? Gewiss, eine Utopie. Aber auch Utopie kann gestalterische Kraft entfalten.
Sodann wäre – wir sprechen von dem Frankfurter Synodalen Weg der Kirche – von der wahren Gottesverehrung, von Erlösung durch Leiden, Tod und Auferstehung des in Jesus Christus Mensch gewordenen Gottessohnes und deren Wirksamwerden in den Sakramenten der Kirche viel zu sagen gewesen. Doch in den Texten der” Frankfurter “suchen wir nach alledem vergebens.
Apropos Frankfurt! Mit dem Namen der Mainmetropole verbindet sich sogleich auch die Erinnerung an die „Frankfurter Schule“, die in den Jahren nach dem 2.Weltkrieg den philosophischen Diskurs bestimmte – und an Ernst Bloch, der im Revolutionsjahr 1968 vom „Atheismus im Christentum“ gesprochen hat. Damals hochaktuell, ist heute zwar der Begriff verschwunden, die Idee jedoch nach wie vor lebendig.
Mit ihrer erschütternden Gottvergessenheit würden die „Frankfurter Synodalen“ von heute diese Horror-Vision verwirklichen, wenn der Synodale Weg sich nicht zuvor im Unterholz verlöre. Noch besteht diese Hoffnung.
Vergessen wir über alldem nicht, dass in den außereuro-amerikanischen Ländern die arme, bedrängte Kirche ein ganz anderes Bild darbietet. Dort bringt der mit dem scharfen Winzermesser der Verfolgung und Unterdrückung von Wildwuchs gereinigte Weinstock reiche Früchte. Ein ebenso großartiges wie erschütterndes Zeugnis hierfür stellt Martin Mosebach in seinem Buch „Die 21: Eine Reise ins Land der koptischen Martyrer“ dar. Gemeint sind die 21 von Islamisten enthaupteten koptischen Christen, die sich geweigert hatten, ihren Glauben zu verleugnen.
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