Kardinal Marx: „Das, was uns bedrängt, in Worte fassen“

3. November 2021 in Spirituelles


Erzbischof ermuntert am Allerseelentag zur Ansprache Gottes in Zeiten des Leidens


München (kath.net/pem) Anlässlich des Allerseelentags hat Kardinal Reinhard Marx betont, es gelte an diesem Datum, „nicht zu schnell zu tröstlichen Worten überzugehen“, sondern „das, was uns bedrängt, in Worte zu fassen. Auch in Worte der Ratlosigkeit“, die unbegreifbares Leid ausdrückten. Jeder Mensch trage Erfahrungen und Bilder mit sich, „wo wir spüren, das bringen wir mit Gott nicht zusammen“, so Marx. Dabei gelte, „wir müssen es aussprechen vor Ihm und Ihn bitten, angesichts der Katastrophe unserer Angst: Halte mich, Ewiger. Halte mich“, sagte der Erzbischof von München und Freising am Dienstag, 2. November, im Münchner Liebfrauendom.

In seiner Predigt erinnerte Marx an die „erschreckenden Bilder“ der Flutkatastrophe, die im Sommer das Ahrtal überschwemmt hat. Die zerstörerischen Wassermassen hätten auch Menschen aus ihm vertrauten Orten im Bistum Trier getroffen, dessen Bischof Marx bis 2008 war. Zugleich verursache die Corona-Pandemie noch immer vielfach Krankheit und Leid. Dabei zeige sich: „Vielleicht ist es nicht so schwer, einverstanden zu sein mit dem Tod. Wir sind sterbliche Menschen“, so Marx. „Aber mit dem Sterben, mit dem Leiden, mit der Qual“ und dem „Erstickungstod vieler, die an Covid erkrankt und gestorben sind,“ oder mit dem Ertrinken eines geliebten Menschen im Flutgebiet sei schwer umzugehen. In diesen Kontexten seien schreckliche Bilder „jetzt nahegerückt, nachdem sie mit unserem Land zu tun haben“ und vertraute Städte zeigten. Dabei dränge sich die Frage auf: „Und wo ist Gott?“

Dass „unendliches Leid“ geschehe, noch dazu „ohne jede Erklärung, das ist schwer zu akzeptieren“, so Marx. Es dränge sich die Frage auf, „was hat das mit Gott zu tun?“ Wäre Leiden eine göttliche Strafe für die Menschheit, so sei diese „ziemlich ungerecht verteilt“. Doch auch eine Reduktion auf die Naturgesetze biete keine ausreichende Antwort. „Wir können diese Frage nicht ausklammern, wenn wir nicht stumm werden wollen im Glauben“, betonte Marx. Ihr müsse Ausdruck verliehen werden, auch wenn sich zeige: „Das Schweigen Gottes auszuhalten, gehört zu den schwierigsten Aufgaben.“

Während Katholiken am Hochfest Allerheiligen aller Menschen gedenken, die in der Kirche als Heilige verehrt werden, ist das Fest Allerseelen dem Gedächtnis aller Verstorbenen gewidmet. Vielerorts versammeln sich die Gläubigen bereits am Nachmittag des Allerheiligentages auf den Friedhöfen zu feierlichen Gottesdiensten und Gräbersegnungen, um besonders ihrer verstorbenen Angehörigen zu gedenken.

Die Ursprünge des Hochfestes Allerheiligen reichen bis ins vierte Jahrhundert zurück. Anfänglich lag der Termin im Umkreis von Ostern. Ab dem achten Jahrhundert wurde das Fest, zunächst in England und Irland, später auch in der übrigen abendländischen Kirche, am 1. November gefeiert. Entstanden ist es aus der Verehrung der Märtyrer, die wegen ihres christlichen Glaubens einen gewaltsamen Tod auf sich nahmen und als Heilige verehrt wurden. Es schließt jedoch heute neben den kanonisierten Heiligen auch „Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind“, ein, wie es im Messbuch heißt. Gemeint sind Verstorbene, die zwar nicht heiliggesprochen sind, aber ein gläubiges Leben führten. In Bayern ist Allerheiligen laut Feiertagsgesetz ein „stiller Tag“, an dem „öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen“ nur dann erlaubt sind, „wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist“. Das Fest Allerseelen entstand im zehnten Jahrhundert, als Abt Odilo von Cluny für alle ihm unterstellten Klöster anordnete, das Gedächtnis aller Verstorbenen am 2. November zu begehen. Die übrige abendländische Kirche übernahm das Fest.

Archivfoto Kardinal Marx (c) Erzbistum München


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