Martin von Tours – nichts anderes als Christus. Die Logik des Teilens

11. November 2021 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: dieselbe Logik, die Jesus dazu drängte, das Brot für die hungernde Menge zu vermehren, vor allem aber sich selbst der Menschheit in der Eucharistie als Speise zu hinterlassen. Von Armin Schwibach


 

Rom (kath.net/as) 11. November, Festtag des heiligen Martin von Tours. Er wurde um 316 in Pannonien als Sohn heidnischer Eltern geboren. Er ließ sich taufen und verließ den Militärdienst, um in der Nähe von Ligugé in Frankreich ein Kloster zu gründen, wo er unter der Leitung des heiligen Hilarius von Poitiers ein klösterliches Leben führte. Danach wurde er zum Priester geweiht und später zum Bischof von Tours gewählt. Martin war ein guter Hirte für sein Volk, gründete weitere Klöster, kümmerte sich um die Ausbildung des Klerus und evangelisierte die Armen. Er starb im Jahr 397. Er ist der erste Heilige, der nicht zu den Märtyrern gehört und dessen in der Liturgie gedacht wird.

Nichts anderes als Christus

Sulpicius’ „Leben“ des heiligen Martin (Sulpicius Severus, 363 in Aquitanien; † zwischen 420 und 425 in Südgallien) begann dieser bereits zu dessen Lebzeiten. Er war mit Martin persönlich sehr gut bekannt. Sulpicius berichtet: „Auch wenn er las oder sonst mit einer Arbeit beschäftigt war, ließ sein Geist doch nie vom Gebet ab. Wie ein Schmied bei seiner Arbeit immer wieder den Hammer auf den Amboss fallen lässt, so betete Martin ohne Unterbrechung, auch wenn er anscheinend etwas anderes tat ... In seinem Mund war nichts anderes als Christus, in seinem Herzen wohnten nur Güte, nur Friede, nur Erbarmen“.

Aus den „Briefen“ des Sulpicius Severus

Martin hatte den Tag seines Todes schon lange vorher vorausgesehen. Deshalb warnte er seine Brüder, dass er bald nicht mehr leben würde. In der Zwischenzeit rief ihn ein besonders schwerer Fall zu einem Besuch in der Diözese Candes auf. Die Geistlichen dieser Kirche kamen nicht gut miteinander aus, und Martin, der wusste, dass er nur noch wenig Zeit zu leben hatte und den Frieden wiederherstellen wollte, lehnte es nicht ab, für eine so edle Sache zu reisen. Er dachte, wenn es ihm gelänge, die Harmonie in dieser Kirche wiederherzustellen, würde er sein Leben auf dem Weg des Guten würdig krönen. So blieb er einige Zeit in dem Dorf oder der Kirche, in die er gegangen war, bis der Frieden wiederhergestellt war. Doch als er schon an die Rückkehr ins Kloster dachte, spürte er plötzlich, dass ihn die Kraft seines Körpers verließ. Er rief seine Brüder zu sich und warnte sie vor seinem bevorstehenden Tod. Sie waren alle sehr betrübt und sagten unter Tränen, als ob nur einer sprechen würde: Warum, o Vater, verlässt du uns? Wem überlässt du uns, die wir so verzweifelt sind?

Werden räuberische Wölfe deine Herde angreifen, und wer wird uns vor ihren Bissen schützen, wenn der Hirte niedergestreckt ist? Wir wissen sehr wohl, dass ihr euch danach sehnst, bei Christus zu sein; aber euer Preis ist sicher. Wenn es sich verzögert, wird es nicht weniger. Habt vielmehr Mitleid mit denen, die ihr zurücklasst. Von diesen Tränen ergriffen, schloss er sich ihnen in ihrem Weinen an und wandte sich an den Herrn, indem er zu denen, die weinten, sprach: Herr, wenn ich noch von deinem Volk gebraucht werde, so will ich mich nicht scheuen, mich abzumühen; dein Wille geschehe.

Ein Mensch, der über alle Maßen groß ist, der zur Arbeit einlädt, der im Angesicht des Todes unbesiegbar ist! Er hat für sich selbst keine Entscheidung getroffen. Er hatte weder Angst vor dem Tod, noch weigerte er sich zu leben. In der Zwischenzeit richtete er immer wieder seine Augen und Hände zum Himmel und ließ in der Intensität seines Gebets nicht nach. Die Priester, die sich um ihn versammelt hatten, baten ihn, seinen armen Körper ein wenig aufzurichten, indem sie ihn auf die Seite legten. Er aber antwortete: Lasst mich, Brüder, lieber auf den Himmel als auf die Erde schauen, damit mein Geist, der zum Herrn aufsteigen will, schon auf dem richtigen Weg ist. Als er dies gesagt hatte, sah er, dass der Teufel neben ihm stand. Dann sagte er zu ihm: Was tust du hier, du blutrünstige Bestie? Du wirst nichts in mir finden, Schuft! Der Schoß Abrahams nimmt mich auf. Mit diesen Worten übergab er seine Seele an Gott. Martin stieg fröhlich zu Abraham auf. Martin, arm und demütig, geht reich in das Paradies ein (Brief 3, 6. 9-10. 11. 14-17. 21; Sc 133, 336-343).

Benedikt XVI., Angelus am 11. November 2007:

Die Kirche gedenkt heute, am 11. November, des hl. Martin, Bischof von Tours, eines der berühmtesten und am meisten verehrten Heiligen in Europa. Er wurde um 316 als Sohn heidnischer Eltern in Pannonien, im heutigen Ungarn, geboren und dann vom Vater für die Militärlaufbahn bestimmt. Bereits als Jüngling begegnete Martin dem Christentum; nach Überwindung vieler Schwierigkeiten schrieb er sich als Katechumene ein, um sich auf die Taufe vorzubereiten. Er empfing das Sakrament im Alter von ungefähr zwanzig Jahren, mußte aber noch lange Zeit im Heer bleiben, wo er von seiner neuen Lebensweise Zeugnis ablegte: er war allen gegenüber respektvoll und entgegenkommend; er behandelte seinen Leibdiener wie einen Bruder und mied niedrige Vergnügungen.

Nach seiner Verabschiedung aus dem Militärdienst begab er sich nach Poitiers in Frankreich zum heiligen Bischof Hilarius. Dieser weihte ihn zum Diakon und Priester; in der Folge wählte er das monastische Leben und gründete mit einigen Schülern in Ligugé das älteste bekannte Kloster in Europa. Nachdem ungefähr zehn Jahre später die Christen von Tours ohne Hirte geblieben waren, wählten sie ihn per Akklamation zu ihrem Bischof. Von da an widmete sich Martin mit brennendem Eifer der Evangelisierung der ländlichen Gegenden sowie der Ausbildung des Klerus. Auch wenn ihm viele Wunder zugeschrieben werden, ist der hl. Martin vor allem für eine Tat der brüderlichen Nächstenliebe bekannt. Noch als junger Soldat begegnete er auf der Straße einem vor Kälte erstarrten und zitternden Armen. Da nahm er seinen Mantel, teilte ihn mit dem Schwert in zwei Teile und reichte dem Mann die eine Hälfte. In der Nacht erschien ihm im Traum Jesus, der lächelte und mit eben jenem Mantel bekleidet war. 

Liebe Brüder und Schwestern, die Geste der Nächstenliebe des hl. Martin folgt derselben Logik, die Jesus dazu drängte, das Brot für die hungernde Menge zu vermehren, vor allem aber sich selbst der Menschheit in der Eucharistie als Speise zu hinterlassen, höchstes Zeichen der Liebe Gottes, »Sacramentum caritatis«. Es ist dies die Logik des Teilens, in der auf authentische Weise die Liebe zum Nächsten zum Ausdruck kommt. Der hl. Martin helfe uns zu verstehen, daß es nur durch gemeinsames Teilen möglich ist, auf die große Herausforderung unserer Zeit zu antworten: eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit zu errichten, in der ein jeder Mensch mit Würde leben kann. Dies kann geschehen, wenn ein weltweites Modell echter Solidarität vorherrscht, das in der Lage ist, allen Bewohnern des Planeten Nahrung, Wasser, notwendige medizinische Versorgung, aber auch Arbeit und Energieressourcen sowie kulturelle Güter, wissenschaftliches und technologisches Wissen sicherzustellen.

 


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