Bischof Bätzing und die Hoffnungslosigkeit der Kirche in Deutschland

17. November 2021 in Kommentar


„Eine größere Hoffnungslosigkeit und einen größeren Mangel an Vertrauen in die Kraft des Evangeliums hat man in der Geschichte der Kirche sicher selten gesehen.“ Gastkommentar von Joachim Heimerl


Wien-Bonn (kath.net) Schon Martin Luther sagte, als er die Bibel ins Deutsche übertrug, man müsse dem „Volk dabei nur aufs Maul schauen“. Dass er damit ein Vorgehen beschrieb, das 500 Jahre später von einem deutschen Bischof mit „Evangelisierung“ verwechselt werden wird, das hat sich Luther sicher nicht einmal im Traum vorstellen können.

Dass Evangelisierung in Deutschland in Lutherischer Manier lediglich „Reform“ – um nicht zu sagen „Reformation“ – bedeutet, ist spätestens seit Beginn des sogenannten „Synodalen Weges“ allgemein bekannt. Bischof Bätzing hat dies jüngst im Interview mit dem offiziell nicht offiziellen Portal der katholischen Kirche in Deutschland folgendermaßen begründet: „Wenn wir nichts verändern, dann werden wir radikal verändert werden. Wir werden nämlich gegen Null gehen.“ Eine größere Hoffnungslosigkeit und einen größeren Mangel an Vertrauen in die Kraft des Evangeliums hat man in der Geschichte der Kirche sicher selten gesehen. Nicht die Verkündigung des Glaubens steht im Zentrum einer solchen Auffassung, sondern die schale Verkündung dessen, was wir in unserer Armseligkeit selbst daraus machen. Der Glaube wie die Kirche selbst werden so zu einem „Produkt“ auf dem Markt der Beliebigkeit und des Zeitgeistes.

Dazu passt es, wenn Bischof Bätzing Glaubenswahrheiten davon abhängig macht, ob sie „im Volk Gottes [noch] aufgenommen werden“ oder nicht. Die Glaubenswahrheit, um die es ihm im bereits erwähnten Interview geht, ist – wie häufig – das dem Mann vorbehaltene Priestertum. Da die diesbezüglich beständige Lehre der Kirche von den Leuten heute nicht mehr verstanden würde, sei sie, so der Bischof, im Grunde obsolet. Dem freilich muss man entgegenhalten, dass die Botschaft Jesu und mit ihr die Lehre der Kirche noch nie etwas gewesen ist, das „leicht verdaulich“ oder dem Zeitgeschmack angepasst war. Jesus selbst ermahnt die Jünger, als er sie aussendet, um das Evangelium zu verkünden: „Wenn man Euch aber in einem Haus oder in einer Stadt nicht aufnimmt, und Eure Worte nicht hören will, dann geht weg und schüttelt den Staub von Euren Füßen“ (Mt. 10,14). Davon, dass wir unsere Verkündigung vom Verständnis der Welt abhängig machen sollen, hat der Herr anders als Bischof Bätzing dagegen nichts gesagt.

Natürlich muss man dem Bischof zugutehalten, dass er in dem Interview eine mehr oder minder private Auffassung ins Spiel bringt, sofern eine öffentliche Äußerung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz überhaupt privat sein kann.

Gleichzeitig ist hierbei jedoch an keinen Geringeren als an Joseph Ratzinger zu erinnern. Als er Erzbischof von München wurde, sagte er in seiner Predigt: „Es ist nicht die Aufgabe eines Bischofs, seine persönlichen Ansichten zu vertreten, sondern er hat eine Botschaft auszurichten, die größer ist als er selbst.“ Der Größe dieser Botschaft scheinen viele Bischöfe in Deutschland heute nicht mehr ohne weiteres gewachsen zu sein, ebenso wenig dem Widerstand, auf den diese Botschaft zwangsläufig treffen muss.

Was die Kirche in Deutschland und überall auf der Welt braucht, das ist kein legeres „everything goes“ a la Bischof Bätzing und keine hoffnungslose Anpassung an den Mainstream, sondern das Vertrauen auf die erlösende Kraft des Evangeliums und auf die beständige Lehre der Kirche.

Wir mögen gegen „Null“ gehen, mag man Bischof Bätzing erwidern, aber wir werden dem Versprechen Jesu nach niemals untergehen! Wenn wir darauf nicht vertrauen, hat alles andere, was wir der Welt von heute zu sagen haben, keinen Sinn – und es hat auch keine Berechtigung.

Der Autor Dr. Joachim Heimerl ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat.
Archivfoto Heimerl (c) Privat


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