Mut machen, an das Unmögliche zu glauben

31. Dezember 2021 in Interview


Katholiken müssen sich von der beinahe universellen Vorherrschaft der kommerziellen Unterhaltungskultur abkoppeln - Gespräch über die Bedeutung der Schönheit mit Michael O'Brien (Father Elijah)/ VISION 2000


Wien (kath.net/http://vision2000.at)

Gibt es so etwas wie eine objektiv gute Kunst und eine objektiv schlechte Kunst oder ist das immer eine Frage subjektiver Einschätzung?

Michael O Brien: Klarerweise berührt uns die Kunst subjektiv, vor allem durch Schönheit, die unsere Gefühlswelt anspricht. Daher fassen Menschen Schönheit in unterschiedlicher Weise auf, da sie gewöhnt sind, sich an sehr unterschiedlichen und sogar widersprüchlichen kulturellen Äußerungen zu erfreuen. Dennoch gibt es grundlegende Merkmale der Schönheit, die zeitlos und über alle Grenzen der Geschichte, der Rassen und der Kulturen gelten. Etwas sei schön, sagt Thomas von Aquin, wenn es Lauterkeit (wahrhaft zu seiner Natur), das rechte Maß (Harmonie, Ordnung und Einheit) sowie Klarheit aufweist. Letzteres meint nicht nur eine gewisse Anschaulichkeit, sondern dass ein Strahlen des Seins von ihm ausgeht.

Wenn man das bedenkt, kann man schon beurteilen, ob ein Kunstwerk objektiv gut oder schlecht ist.  Wenn es beispielsweise eine Unwahrheit transportiert in einer Art, das die Augen und Emotionen stark in seinen Band zieht, ist es schlechte Kunst. Drückt es eine Wahrheit in einer ansprechenden Art aus und ist es meisterlich in seiner Kunstfertigkeit, dann ist es gute Kunst. Mit anderen Worten: Es bereichert unser Innenleben, erhebt uns. Wahre Kunst lässt uns wachsen.

Ist es für Sie wichtig, dass Ihre Kunst im Dienst Ihres Glaubens steht, im Dienste Gottes?

O Brien: Ja, das ist das Fundament, auf dem ich mein Leben gebaut habe.
(…)
Ist Ihre Kunst Gebet?


O Brien: In einem gewissen Sinn ist schöpferische Tätigkeit ein Gebet, wenn sie sich bemüht, Gott, als den Urheber aller Schönheit zu ehren, ohne in die Falle zu tappen, die darin besteht, Schönheit als ein Ziel an sich anzusehen. Ob implizit oder explizit ist christliche Kunst in sich eine Art Ausdruck von Lobpreis und Danksagung. Darüber hinaus bete ich, wenn ich das Werk konzipiere, ebenso im Zuge dessen Ausführung. Ich bitte den Heiligen Geist um die notwendige Inspiration, damit das Werk selbst gut gelinge, und ich bete für jene, die es eines Tages sehen oder lesen werden.

Hat Ihrer Ansicht nach die „Welt der Kunst“ Zukunft?

O Brien: Wenn Sie damit die kommerzielle Welt der Kunst oder das Reich der öffentlich geförderten Galerien meinen, denke ich Folgendes: Wenn es da nicht zu einer weit verbreiteten Änderung der Herzen kommt – genau genommen ginge es um Reue –, werden weiterhin verkümmertes Theoretisieren, Absurdes und Menschenfeindliches vorherrschen. Andererseits bin ich immer noch überzeugt, dass, wenn es einem Meisterwerk gelingt, dem sozialrevolutionär vorgeschriebenen Ghetto zu entrinnen, dann wird es erstrahlen mit einer Macht, welche Herz und Seele bewegt. Zur rechten Zeit wird das die Gewichte hin zu einer gesünderen Kultur verschieben.

Sehen Sie Hoffnung für eine christliche Kunst?

O Brien: Ja, unbedingt. Man erkennt das, an der großen Zahl von begabten jungen gläubigen Leuten, die ihrer kreativen Begabung und der Gnade Rechnung tragen. Überall auf meinen Reisen in der Welt bin ich ihnen begegnet. Ihr Engagement ermutigt mich immer und erinnert mich auch daran, dass der Heilige Geist niemals aufhört, Gnaden auszugießen, um zu erleuchten und uns zu wachsender Fruchtbarkeit zu führen.

Was steht einer wahren neuerlichen katholischen Renaissance im Weg?

O Brien: Ganz allgemein müssen Katholiken sich von der beinahe universellen Vorherrschaft der kommerziellen Unterhaltungskultur abkoppeln. Damit meine ich die elektronische Kultur. Täten wir das, so würden wir Schritt für Schritt die Stille zu schätzen lernen. Indem wir uns vom psychischen Kosmos eines hemmungslosen Konsumdenkens entfernen, würden wir aufs neue die Fülle des Lebens erfahren. Dann würden in uns auch zunehmend Dankbarkeit, Ehrfurcht und Aufmerksamkeit für das Heilige, das es rund um uns gibt, wachsen.

Zunächst aber müssten wir erkennen, dass wir betäubt waren – ja, wir Gläubige nicht weniger als Nicht-Gläubige. Wenn wir unsere Hoffnung auf eine neue Renaissance von Glaube und Kultur setzen, so müssen wir uns erst mit unserem Hang zur Mittelmäßigkeit auseinandersetzen, gleichzeitig aber auch Ausschau halten nach jenen kreativen Knospen neuen Lebens, die wider jede Erwartung aufsprossen mitten in dem die Seelen tötenden Tsunami der gegenwärtigen Kultur. Wir müssen dieses neue Leben fördern, wo immer es in Erscheinung tritt. Wir müssen der kommenden Generation Mut machen, an das Unmögliche zu glauben.  

Michael O Brien ist Journalist, Autor mehrerer Erfolgsromane („Father Elijah“) und widmet sich der Malerei. Das Gespräch mit ihm führte Paul Senz für The Catholic World Report v. 10.10.21


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