Erzbischof Gänswein übt scharfe Kritik am Synodalen Weg in Deutschland

1. Dezember 2021 in Weltkirche


„Ich frage mich mit vielen einfachen gläubigen Menschen, ob der Synodale Weg überhaupt etwas für den Glauben bringt“ – Brief von Papst Franziskus an die Katholiken in Deutschland wurde „fast überall gelobt und dann entsorgt“


Vatikan (kath.net/VaticanMagazin) Erzbischof Georg Gänswein, Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., hat den Synodalen Weg in Deutschland scharf kritisiert. „Der synodale Weg will innerkirchliche Reformen durchpeitschen, die aus der Gemeinschaft mit der Weltkirche hinausführen“, betonte Gänswein in einem Interview mit dem „VATICAN-magazin“ (Dezember-Ausgabe). Sollte es zu keinem Einsehen kommen, drohe eine „riesengroße Enttäuschung“. Wörtlich sagte der Erzbischof: „Entweder setzen die Bischöfe diesen unrealistischen Forderungen ein Ende oder es wird spätestens ,aus die Maus’ heißen, wenn die synodalen Schlussdokumente nach Rom kommen. Dann hätte Rom wieder einmal den Schwarzen Peter. Damit wäre aber weder der Kirche in Deutschland noch der Weltkirche gedient.“ Die Sichtweise, wonach der Synodale Weg „die rettende Antwort auf die Missbrauchskrise“ sei, teile er „überhaupt nicht“. Ausdrücklich stellte sich Gänswein hinter Bischof Rudolf Voderholzer. Der Regensburger Oberhirte hatte mit Blick auf den Synodalen Weg von einem „Missbrauch des Missbrauchs“ gesprochen. „Bischof Voderholzer hat recht“, betonte Gänswein gegenüber dem „VATICAN-magazin“.  

Mit Nachdruck hob Gänswein die Unterschiede zwischen dem Synodalen Weg in Deutschland und dem von Papst Franziskus initiierten synodalen Prozess zur Vorbereitung auf die Weltbischofssynode hervor. „Dass beides theologisch und kanonistisch grundsätzlich unterschiedlich ist, sieht man auf den ersten Blick, wenn man die Statuten und Arbeitspapiere des Synodalen Weges in Deutschland und den Brief liest, den Papst Franziskus im Juni 2019 an die deutschen Katholiken geschrieben hat. Die Anliegen der Weltbischofssynode sind auf Neuevangelisation und Erneuerung im Glauben angelegt, der Synodale Weg zielt vor allem auf Strukturveränderungen“.

Gänswein bedauerte den Umgang mit dem Brief von Papst Franziskus an die Katholiken in Deutschland. „Als der Brief seinerzeit eintraf, wurde er fast überall gelobt und dann – entsorgt. Papst Franziskus hat für den Synodalen Weg vorgeschlagen: weg von den Strukturen hin zu einer Neuevangelisierung! Das deutlichste Zeichen, wie ernst man diesen Vorschlag nahm, war die Tatsache, dass ein fünftes Forum des Synodalen Weges zum Thema Neuevangelisierung knallhart abgelehnt wurde, auch von Bischöfen.“  

Kritik übte der Erzbischof auch am deutschen Verbandskatholizismus. Dort seien viele politisch Tätige versammelt, die zwar aus der katholischen Kirche kämen, in der Regel in zentralen theologischen Fragen aber eine ganz andere Auffassung hätten als das kirchliche Lehramt, und sich immer wieder lautstark bemerkbar machten. „Ich frage mich mit vielen einfachen gläubigen Menschen, ob der Synodale Weg überhaupt etwas für den Glauben bringt“, sagte Gänswein. „Führt er zu einer Vertiefung und Erneuerung des Glaubens?“ Vom Establishment des deutschen Verbandskatholizismus sei da bisher wenig Positives zu hören gewesen.

Regenbogenfahnen an Gotteshäusern und Altären bezeichnete Gänswein als „verfehlte“ plakative Aktionen, die „keineswegs hilfreich“ seien. Wenn kirchliche Verantwortliche Fehler gemacht hätten, müsse das eingestanden werden. „Aber dass wir uns in so plumper Form mit Fahnen oder Briefpapier dem Regenbogenfarben-Metier anbiedern, das überzeugt nicht. Meinen Sie, dass dadurch irgendeine Person zum Glauben zurückfindet oder bestärkt wird?“

Angesprochen auf die Tätowieraktion in der „Frankfurter Frauenkirche“ warnte Gänswein davor, „das Sacrum“ mit „dem Profanum“ zu verwechseln. Die Vertiefung des Glaubens beginne immer mit der eigenen Umkehr. „Ich habe nie gesehen, dass irgendwelche reißerischen äußeren Elemente dazu geführt haben, Menschen zurückzugewinnen oder neu für den Glauben zu begeistern.“ Es müssen alles uns Mögliche getan werden, um Glaubensferne anzusprechen, hob Gänswein hervor. Dies gelinge aber nur durch persönliches Vorleben und durch die Verkündigung des Evangeliums. Natürlich müsse man dafür die Sprache der Zeit sprechen und die entsprechenden Kommunikationsmittel nutzen. „Anbiedern sollte man sich dabei jedoch niemals.“

Danach gefragt, ob sich die Zerrissenheit der katholischen Kirche in Deutschland noch überwinden lasse, antwortete Gänswein: „Das hoffe ich.“ Der Wille zum Brückenbauen sei da. Aber Wille allein genüge nicht. „Wir müssen auch den Mut dazu haben.“ Gleichzeitig müsse klar sein, dass der Glaube nicht ein inhaltsloses Etwas sei. „Der Glaube ist das, was wir im Credo bekennen. Er ist das, was wir nicht selber gemacht haben, woraus und wovon wir aber leben. Und es ist das, was wir unverfälscht weitergeben müssen.“

„Die Kirche der Zukunft werde viel kleiner sein und viel an politischer und anderer Macht einbüßen, aber an innerer Stärke gewinnen“, zitierte Gänswein im Gespräch mit dem „VATICAN-magazin“ eine Aussage von Joseph Ratzinger aus dem Jahr 1958. Die Kirche sei dabei diese kleinere Gemeinschaft zu werden, so Gänswein. In dieser Situation brauche es „den Mut, bestimmte Dinge abstoßen und loslassen zu können.“ Oft seien gerade die großen finanziellen Möglichkeiten, die es in Deutschland gebe, keine Hilfe für den Glauben, sondern eher ein Hindernis. „Überall wo es der Kirche an Glauben fehlt, ist Aderlass nötig“, betonte der Erzbischof.

Auch seine persönliche Situation kam zum Gespräch. Im Gespräch mit dem „VATICAN-magazin“ räumt Gänswein ein, dass die hohe Belastung der vergangenen Jahre bei ihm gesundheitliche Spuren hinterlassen haben. „Ich hatte Probleme mit den Nieren. Die Sache ist etwas kompliziert.“ Inzwischen gehe es wieder besser. Nach einem Hörsturz vor vier Jahren seien Folgen geblieben.

Als er Papst Franziskus gefragt habe, wie es mit ihm weitergehe, habe dieser geantwortet: „Ich solle keine Zukunftspläne schmieden und geistlich an die Sache herangehen. „Lassen sie den Herrn machen und nehmen sie an, was er ihnen schickt“, habe Franziskus gesagt. In einer bestimmten Weise sei sein Ratschlag beruhigend gewesen, aber dennoch nicht einfach anzunehmen, so der Erzbischof.

Auf die Frage, ob für ihn eine Rückkehr nach Deutschland als Diözesanbischof denkbar sei, antwortete Gänswein: „Das können Sie sich ja selber nicht vorstellen, dass mich ein Kapitel einer deutschen Diözese zum Bischof wählt.“ Der Papst habe ihm geraten, sich keine Gedanken über seine Zukunft zu machen. „Dazu habe ich mich inzwischen durchgerungen und ich mache es auch nicht. Ich gehe einstweilen davon aus, dass ich wieder aktiv mein Amt als Präfekt des Päpstlichen Hauses ausführen werde, wenn Papst Benedikt einmal von dieser Welt abberufen werden wird.“

Das „VATICAN-magazin“ wird vom Fe-Medienverlag (Kißlegg) herausgegeben. Die Dezember-Ausgabe 2021 ist die erste nach einem Relaunch des Magazins unter Chefredakteur Bernhard Müller.

Archivfoto Erzbischof Gänswein (c) Paul Badde


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