Franziskus: EU muss mehr Solidarität bei Migration zeigen

7. Dezember 2021 in Aktuelles


Papst bei "fliegender Pressekonferenz": "Wer Mauern baut, hat das Verständnis für die eigene Geschichte verloren" - Kritik an Laizismus-Bestrebungen in internen EU-Dokumenten - Demokratie ein "Schatz der Zivilisation"


Athen/Rom (kath.net/KAP) Papst Franziskus hat die EU-Staaten erneut aufgefordert, möglichst vielen Flüchtlingen und Migranten eine sichere Einreise zu gewähren. Dazu müssten die Verantwortlichen endlich gemeinsame Lösungen finden, sagte Franziskus am Montag vor Journalisten auf dem Rückflug von Athen nach Rom. Jenen, die erneut Mauern und Stacheldrahtzäune errichteten, würde er sagen: "Stell dir vor, du wärst Migrant, und sie ließen dich nicht herein." Wer Mauern baue, habe das Verständnis für seine eigene Geschichte verloren, für die Zeit, als er Sklave eines anderen Landes war, kritisierte der Papst.

Natürlich müsse jede Regierung für ihr Land sorgen und habe ein Recht darauf, Einwanderung zu steuern und darauf zu achten, dass sich ein Land nicht übernimmt. Für Absprachen und Koordination der Verteilung von Migranten sei es wichtig, dass es die Europäische Union gebe. Doch Migranten hätten ein Recht auf Aufnahme, Begleitung, Förderung und Integration, und deshalb solle jede Regierung auch sagen: Wir können viele aufnehmen. Vor allem Integration sei wichtig, mahnte Franziskus. Dabei erinnerte er an die Terroranschläge am Brüsseler Flughafen Zaventem 2016. Die Attentäter seien zwar Belgier gewesen, aber ghettoisiert und nicht integriert.

"Es ist nicht leicht, Migranten aufzunehmen und das Problem der Migranten zu lösen, aber wenn wir das nicht tun, laufen wir Gefahr, dass unsere Zivilisation heute in Europa Schiffbruch erleidet", so der Papst. Entscheidend sei es deshalb, dass sich die Vertreter der europäischen Regierungen einigten. Zugleich äußerte sich Franziskus skeptisch zur Abschiebung oder Rückführung von Migranten in ihre Herkunftsländer. Man müsse ihnen bei der Integration in ihrer Heimat helfen, "statt sie an der libyschen Küste zu lassen", wo sie leichte Beute für Menschenschlepper würden. "So riskieren wir die Zivilisation."

Kritik an "Mode des Laizismus"

Bedenken in Richtung EU formulierte der Papst auch in Hinblick auf jüngste Bestrebungen, religiöse Feste in offiziellen Dokumenten neutral zu bezeichnen. Dabei handle es sich um eine "Mode des Laizismus", befand Franziskus. Bloß "frohes Fest" zu wünschen statt "Frohe Weihnachten", sei "ein Anachronismus". In der Geschichte habe so etwas noch nie funktioniert. Schon frühere Herrscher und Diktaturen hätten versucht, Sprachregelungen einzuführen, die gewachsene religiöse Traditionen verleugneten, antwortete Franziskus auf eine Journalistenfrage. Die EU sei wichtig, um die hohen Ideale ihrer Gründer hochzuhalten. Sie dürfe dabei nicht auf ideologische Abwege geraten. Stattdessen solle die Union Identität und Traditionen jedes Landes respektieren, sonst drohe sie zu scheitern.

Der Papst reagierte damit auf Debatten um ein kürzlich bekanntgewordenes internes Dokument der EU-Kommission, das Formulierungshinweise zum bevorstehenden Weihnachtsfest enthielt mit der Absicht, mündliche und schriftliche Sprache diskriminierungsfrei zu halten. Nach Kritik war das Dokument zunächst zurückgezogen worden. Wie der Papst erklärte, glaubt er selber nicht, dass die EU alles vereinheitlichen wolle. Jedes Land solle seine Eigenheit wahren, aber dabei offen bleiben für die anderen. "Europäische Union eben", so Franziskus.

Demokratie ein "Schatz der Zivilisation"

Die Demokratie bezeichnete der Papst als "Schatz der Zivilisation", den es zu bewahren gelte. Er sehe momentan zwei "Gefahren gegen die Demokratie", nämlich "ein Verwässern der eigenen Identität" unter dem Druck übermächtiger, übernationaler Polit-, Kultur- und Wirtschaftsmodelle, sowie zweitens auch den Populismus. "Wir müssen aufpassen, dass die Regierungen - ob von rechts oder von links - nicht auf diesen Weg des Populismus abrutschen", sagte der römische Pontifex.

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