Bericht warnt vor zunehmender Intoleranz gegen Christen in Europa

8. Dezember 2021 in Chronik


Wiener Beobachtungsstelle bezeichnet aggressive Formen des Säkularismus und des Islamismus als Hauptursachen für "besorgniserregenden Trend" - Mehrzahl der dokumentierten Fälle in Frankreich, Deutschland, Spanien, Schweden und Großbritannien


Wien (kath.net/KAP) Säkulare Intoleranz und islamistischer Extremismus tragen erheblich dazu bei, dass in europäischen Staaten praktizierende Christen oder christliche Einrichtungen immer häufiger Diskriminierung bis hin zu Gewaltakten und Verfolgung ausgesetzt sind: Das geht aus einem Bericht des in Wien angesiedelten "Observatory On Intolerance And Discrimination Against Christians In Europa" (OIDAC) hervor, der am Dienstag in einer Online-Pressekonferenz präsentiert wurde. Das Phänomen der Intoleranz gegen Christen sei in Europa völlig unterbelichtet und müsse sowohl politisch als auch gesellschaftlich wahrgenommen, diskutiert und vorgebeugt werden, so der Tenor.

"Im heutigen Europa ist es nicht nur unmodern, den christlichen Glauben überzeugt zu leben, sondern es kann auch zu schwerwiegenden Eingriffen in die persönliche Freiheit in wichtigen Lebensbereichen wie etwa am Arbeitsplatz oder in der Ausbildung führen", fasste OIDAC-Direktorin Madeleine Enzlberger die Ergebnisse zusammen. Intoleranz gegen Christen und deren Diskriminierung reiche von Vandalismus in Kirchen und christlichen Gebäuden bis zu Hassverbrechen gegen Einzelpersonen. Doch auch eine schrittweise Einschränkung von Grundrechten wie Meinungs-, Religions- und Gewissensfreiheit, der Vertragsfreiheit oder der elterlichen Rechte durch gesellschaftlichen oder staatlichen Druck sei festzustellen, ebenso ein hohes Ausmaß an "Selbstzensur" unter christlichen Studenten. Eine kleine, jedoch besonders gefährdete Gruppe seien darüber hinaus zum Christentum Konvertierte, die oftmals Drohungen und Gewalt von radikalen Islamisten ausgesetzt sind.

Für ihren jährlichen Bericht hatte die Wiener Beobachtungsstelle die von ihr dokumentierten Vorfälle sowie von Betroffenen ausgefüllte umfangreiche Umfragebögen zum Thema und vertiefende Interviews mit Experten ausgewertet. In fünf Staaten - namentlich Frankreich, Deutschland, Spanien, Schweden und Großbritannien - seien Christen am meisten mit Einschränkungen konfrontiert, geht daraus hervor. Konkret wurden für die fünf Länder 754 "hate crimes" dokumentiert, wobei Berichte von Diskriminierungen nicht dazugezählt wurden. In Frankreich und Deutschland sind laut dem Report Berichte über antichristliche Hassverbrechen besonders häufig, in Großbritannien gibt es die meisten Strafverfahren und -ermittlungen wegen angeblicher Hassrede. Insgesamt hätten antichristliche Hassverbrechen europaweit von 2019 auf 2020 um 70 Prozent zugenommen, wobei die Autoren zur Vorsicht gegenüber der Zahl mahnen: Mit dem Bericht werde "Neuland" betreten und eine enorme Forschungslücke aufgezeigt; für quantitative und vergleichende Aussagen sei es jedoch noch zu früh.

Eigene Meinung und offene Kirchen in Gefahr

Für Deutschland listet der Bericht 255 Fälle auf, von denen die meisten Vandalismus in Kirchen betreffen. "Davon sind immer mehr Christen betroffen, da dann die Kirchen geschlossen bleiben, um Zwischenfälle zu vermeiden", erklärte Enzlberger die Folgen. Während staatliche Maßnahmen nur "punktuell einschränkend" seien, gebe es in einigen Regionen große "soziale Feindseligkeit" gegen Christen. Dabei werde auf Bestreben radikalisierter Gruppen und unter dem Vorwand der Bekämpfung der "Hassrede" die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Als weitere Problemfelder nennen die Autoren des Berichts Einschränkungen der Elternrechte etwa bei der religiösen Bildung oder der Sexualerziehung, aber auch ungerechte Behandlung von christlichen Konvertiten durch Behörden, wenn bei diesen Befangenheit oder religiöses Unwissen im Spiel ist.

Ein konkretes Beispiel, "wie christlicher Glaube zum Schweigen gebracht wird", lieferte der anglikanische Pastor Bernard Randall. Der vormalige Seelsorger am Trent College in Nottingham, einer von der anglikanischen Church of England betriebenen Schule, war dem britischen Anti-Terrorismus-Programm "Prevent" gemeldet und von der Schule entlassen worden. Er hatte zuvor bei einer Schulmesse aufgerufen, sich eine eigene Meinung zu bilden über Ansichten, die eine in der Schule aktive LGBTI-Organisation bei einem Anti-Bulling-Training vertreten hatte. Er habe in seiner Predigt die Position des Vereins weder diskreditiert noch widerlegt, sagte der Geistliche, der sich keine Hoffnung macht, jemals wieder an einer Schule angestellt zu werden. Die Anhörung für seine Klage gegen die eigene Schule ist für September 2022 angesetzt. Randall warnte vor einem "Dammbruch": "In fünf, zehn Jahren könnte die Intoleranz, die mir entgegenschlug, auch in anderen Ländern Standard sein."

Theologin sieht "Anlass zur Sorge"

"Anlass zur Sorge" geben die sich im Bericht widerspiegelnden Tendenzen auch aus Sicht der Wiener Pastoraltheologin Regina Polak. Sie ist seit 2020 auch OSZE-Sonderbeauftragte für die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung mit Schwerpunkt auf Intoleranz und Diskriminierung von Christen und Angehörigen anderer Religionen. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte auch das OSZE-Menschenrechtsbüro einen eigenen Bericht über Hassverbrechen gegen Menschen aufgrund ihrer Religion, in dem für denselben Untersuchungszeitraum fast 1.000 derartige Vorfälle gegen Christen verzeichnet sind. Auch Polak mahnte zur Vorsicht und strich Unsicherheitsfaktoren hervor: Dass es bei der Fallzahl einen Anstieg gebe - auch im OSZE-Bericht um 70 Prozent - gehe auch auf die zunehmende Zahl berichterstattender Staaten zurück. Zugleich liege die Dunkelziffer höher, da jeder vierte OSZE-Staat derartige Hassverbrechen nicht gesondert erfasse und andere Länder dafür keine vergleichbare Definition hätten.

Als nötige Schritte für die Zukunft forderte die OSZE-Sonderbeauftragte mehr Aufmerksamkeit für Hassverbrechen gegen Christen und Einschränkungen der Religions- und Glaubensfreiheit. "Dringend erforderlich" sei eine verbesserte Erfassung dieser Vorfälle durch die Länder, sowie angemessene Erforschung und öffentliche Diskussion der neuen Phänomene, die in erster Linie "durch progressiven Säkularismus und religiös motivierten politischen Extremismus von islamischer Seite" entstünden, formulierte Polak. Schnelle Urteile gelte es dabei ebenso zu vermeiden wie eine "Politisierung" der Debatte. Letztere Gefahr bestehe aufgrund von rechtspopulistischen Parteien, "die die Opfer für politische Interessen instrumentalisieren". Dies erschwere das Finden tragfähiger Lösungen zusätzlich, bedauerte die Theologin.

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