Wenn der Bischof von Innsbruck die Fakten verdreht

21. Dezember 2021 in Kommentar


Anstatt wie die österreichischen Bischöfe in einseitigen, weltlichen Standpunkten zu verharren, sollten Christen im Umgang mit der Pandemie und den Maßnahmen mutig einen „Dritten Weg“ beschreiten - Kommentar von Michael Koder


Innsbruck (kath.net/mk) Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler rief am Freitag angesichts der enormen Demonstrationswelle gegen die von der Regierung geplante Corona-Impfpflicht wohl gut gemeint zu einer vorweihnachtlichen Mäßigung der Gemüter auf, verfing sich dabei aber in einer Verdrehung der Fakten: Er sehe in den Demonstrationen den Treibstoff für die außergewöhnliche Aggression in der Gesellschaft, meldete die Katholische Presseagentur. Bereits am ersten Adventsonntag hatte Glettler in einer Predigt dazu aufgerufen, darüber nachzudenken, „wofür sich Sorge und Empörung lohnen und wofür nicht“.

Die etwa seit August dieses Jahres zu beobachtende Spaltung der Gesellschaft in Geimpfte (sowie zeitlich befristet auch Genesene) einerseits und Ungeimpfte andererseits, welche der derzeitigen aggressiven Stimmung zugrunde liegt, ist jedoch nicht von Impfkritikern ausgegangen. Es waren Regierungsmitglieder, die von einer „Pandemie der Ungeimpften“ und dem „Anziehen der Daumenschrauben“ sprachen, und durch entsprechende Maßnahmen gegen die „unsolidarischen“ Sündenböcke einen Keil in die Gesellschaft trieben. Jetzt mit dem Finger auf besorgte bis verzweifelte Demonstranten zu zeigen, sie allein als Aggressoren zu bezeichnen und ihre Sorgen infragezustellen, zeugt von einem außergewöhnlich einseitigen Politikverständnis oder dem Sitz in einem sehr hohen Elfenbeinturm.

Überraschend ist Glettlers blinder Fleck jedoch nicht. Denn schon in der offiziellen Erklärung aller österreichischen Bischöfe vom 6. Dezember widersprechen sich diese, wenn sie einerseits die zunehmende Spaltung der Gesellschaft verhindern wollen, und andererseits die Impfpflicht ohne klare Bedingungen für zulässig erklären, die genau diese Spaltung enorm befördert. Kardinal Schönborn antwortete in der „Heute“-Zeitung auf die Frage, warum die Kirche der Impfpflicht nicht widerspreche, mit dem Verweis darauf, das sei „keine Glaubenssache“. In anderen moralischen Bereichen aber wird die Kirche (auch zu Recht) sehr politisch, etwa in Sachen Beihilfe zum Selbstmord. Und was ist mit der Glaubenskongregation, die eine Impfpflicht klar abgelehnt und sogar erklärt hat, dass die Impfung in der Regel keine moralische Verpflichtung darstellt? Die Bischöfe bleiben jede Aufklärung dieses eklatanten Widerspruchs schuldig.

Diverse kath.net-Presseanfragen an die Bischofskonferenz zu ihrem sachlich oft nicht nachvollziehbaren Verhalten im Umgang mit der Pandemie und nun auch konkret mit der Impfpflicht brachten nur standardisierte bis nichtssagende Rückmeldungen. Die bittere Wahrheit für den katholischen Widerstand gegen die Impfpflicht ist, dass er von den Bischöfen im Stich gelassen wurde.

Die offensichtliche Spaltung in der Gesellschaft beklagen die kirchlichen Hirten und viele andere aber zu Recht. Die von der Regierung ausgehende Gewalt durch Gegen-Gewalt zu vergelten, kann keine Lösung sein. Eine Bildung von zwei einander verhassten Lagern birgt früher oder später die Gefahr eines Bürgerkriegs, wie die österreichische Geschichte gezeigt hat, und den kann keiner wollen. Darum sind wir als Christen aufgerufen, keine Flaschen auf Polizisten zu werfen, sich vom eigenen (Jäh-)Zorn nicht zu Gehässigkeiten in Wort und Tat treiben zu lassen, sondern einen „Dritten Weg“ zu gehen. Damit ist kein duckmäuserischer Mittelweg, keine „österreichische Lösung“ gemeint, sondern die Hereinnahme einer übernatürlichen Realität in unseren Widerstand, nämlich das Bewusstsein, dass hinter dieser ganzen Spaltung in Wahrheit der Widersacher steckt. „Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs.“ (Eph 6, 12)

Der geistliche Kampf muss also neben dem politischen Kampf gegen ungerechten Zwang eine wesentliche Säule sein. Eine großartige Speerspitze sind die sich rasch verbreitenden öffentlichen Rosenkranzgebete. Wir müssen diejenigen Geimpften und Ungeimpften in ein Boot holen, die nicht auf die Schiene der Angst (vor dem Virus oder vor den Maßnahmen) aufspringen, abweichende Meinungen tolerieren und stets bereit sind, ihre eigene zu überdenken. Corona hat die Menschheit vor allem anderen in eine große Verblendung geführt. Jeder von uns ist vom Widersacher getäuscht worden, hat sich getäuscht, mehr oder auch weniger, aber keiner darf sich in diesem Zwist um den rechten Weg und das rechte Maß im Besitz der absoluten Wahrheit wähnen. Gerade die Verabsolutierung von einseitigen Standpunkten hat zu diesem politischen Dilemma geführt. Wir Christen dürfen unseren von „der Welt“ abweichenden Standpunkt zum Tod und einem Leben danach bekennen, aus dieser Hoffnung schöpfen und damit für uns einen entsprechend anderen Zugang zu einem potenziell todbringenden Virus einfordern.

Heilige Maria, Schutzfrau Österreichs, bitte für uns!

 

Termin-Hinweise: 22. und 29. Dezember - Rosenkranzgebet im gesamten deutschen Sprachraum - Alle Termin-Hinweise am Dienstag-Mittwoch im Telegram-Newsletter von kath.net  https://t.me/Kathnet

 

 


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