14. Februar 2022 in Weltkirche
Sie halten ihre Guillotine gut geschmiert und zögern keine Sekunde. Für mich genügt es nicht.- Peter Seewald im FOCUS....
Vatikan/München (kath.net/jg)
„Das Leben des Joseph Ratzinger schrieb eine Jahrhundertbiografie. Es steht für das Werk eines der Großen unserer Zeit, der Fehler machte, der aber auch mutig wie kein anderer gegen die Verwässerung und Verfälschung der Botschaft Jesu kämpfte, vor den Gefahren der Moderne warnte, Antworten gab und dabei ein Vermächtnis hinterließ, das für Kirche und Glauben im 21. Jahrhundert von unersetzlichem Wert ist.“ Zu diesem Resümee kommt Papstbiograph Peter Seewald am Ende seines Artikels im FOCUS, in welchem er Papst Benedikt XVI. vor dem Vorwurf der Lüge in Schutz nimmt. (Siehe Link am Ende des Artikels)
Benedikt habe seinen Irrtum hinsichtlich seiner Teilnahme an der Sitzung vor 42 Jahren eingeräumt, in welcher der Aufenthalt des Priesters H. im Erzbistum München beschlossen wurde. Der emeritierte Papst habe einen „Fehler bei der redaktionellen Arbeit“ dafür verantwortlich gemacht. Der Hintergrund sei in Wahrheit „so erschreckend, dass man ihn kaum erzählen möchte“, schreibt Seewald wörtlich.
Recherchen hätten gezeigt, dass Papst Benedikt gegenüber seinem Beraterstab seine Anwesenheit bei der Sitzung bezeugt habe. Benedikt habe sich richtig erinnert, schreibt Seewald. Seine Berater hätten ihn dazu bewegt, seine Aussage zu ändern. Grundlage dafür sei ein Sitzungsprotokoll, welches seine Abwesenheit bestätige. In Wahrheit zeige das Protokoll aber nicht die Abwesenheit des damaligen Erzbischofs Ratzinger, sondern von dessen Generalvikar Gruber. Ein Mitarbeiter habe das Dokument ungenau gelesen, schreibt Seewald. Dessen Aussage wurde dann nicht mehr überprüft. So sei der fatale Irrtum in die Welt gekommen, der dann als „Lüge des Papstes“ bezeichnet wurde; eines Papstes, der wie keiner seiner Vorgänger die Aufklärung und Bekämpfung von klerikalem Missbrauch durchgesetzt hat, wie Seewald betont.
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller habe das Gutachten zum Anlass genommen, von einer „historischen Zäsur“ zu sprechen. Ratzinger habe mit seiner Stellungnahme „sein Lebenswerk zerstört“. Seewald stellt die Frage, ob diese Schlussfolgerung gerechtfertigt sein kann. „Genügen vier in einem Anwaltsgutachten aufgelistete Fälle von mutmaßlichem Fehlverhalten, einen Bannfluch auszusprechen?“, fragt er. Müssten seine Bücher „auf den Scheiterhaufen? Müssen Institute schließen und Schulen sich umbenennen, die seinen Namen tragen?“
Letztlich werde die Geschichte über die Bedeutung von Papst Benedikt urteilen. Für Jakobiner, schreibt Seewald, mag ein Gutachten einiger Anwälte genügen, um über ihn den Stab zu brechen. „Für mich genügt es nicht“, fährt er fort und schließt mit dem Satz des Aphoritikers Erwin Koch: „Wirklich freigebig ist der Mensch nur dann, wenn es um die Verteilung von Schuldzuweisungen geht.“
Link zum Artikel von Peter Seewald im FOCUS: Eine Lanze für Papst Benedikt
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