18. Februar 2022 in Kommentar
Jurist Lothar C. Rilinger schreibt offenen Brief an Bischof Gebhard Fürst: "Damals jedenfalls haben Sie versprochen, sich für die Kirche einzusetzen. Argumente zu liefern, um sie zu zerstören, haben Sie freilich nicht gelobt."
Rottenburg-Stuttgart (kath.net) Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, hat, wie aus der Presseberichterstattung zu erfahren war, Papst em. Benedikt XVI. vorgeworfen, dass die Rolle, die er in der Missbrauchsaufarbeitung einnehme, als „unverantwortlich“ anzusehen sei und dass er deshalb nicht nur sich selbst, sondern auch der Kirche einen „schweren Schaden“ zugefügt habe. Diese Anschuldigungen wertet der Jurist Lothar C. Rilinger als unsubstantiiert und damit als nicht hinnehmbar.
In dem Missbrauchsgutachten haben die Ankläger, die sich zugleich zu letztentscheidenden Richtern aufgeschwungen haben, aus rein emotionalen und daher aus nicht sachlichen Gründen Benedikt als Vertuscher von sexuellen Missbräuchen verurteilt, obwohl die Gutachter in der Pressekonferenz, in der das Gutachten der Welt vorgestellt wurde, in kaum zu überbietender Peinlichkeit bekennen mussten, dass sie nicht in der Lage seien, eine Schuld Benedikts nachzuweisen. Sie gaben auftragswidrig an, überzeugt zu sein, dass Benedikt lediglich „wahrscheinlich“ schuldig sei und glauben deshalb nur, Benedikt habe sich schuldhaft verhalten.
Kardinal Marx hat aber den Gutachtern den Auftrag erteilt, nicht ein Glaubensbekenntnis abzulegen, sondern juristisch fundiert die Verantwortlichkeit auch des ehemaligen Erzbischofs Ratzinger zu untersuchen und dann festzustellen, ob er die kirchenrechtliche und juristische Sanktionierung von geistlichen Missbrauchstätern behindert hat. Sie konnten allerdings Erzbischof Ratzinger keine noch so kleine Verfehlung gerichtsfest nachweisen, bauschten aber mit dem Brustton der Überzeugung ihren Glauben in unzulässiger Weise als Nachweis auf.
Trotz des fehlenden Nachweises erhebt Bischof Fürst den Vorwurf, Benedikt habe durch sein Verhalten der Kirche „schweren Schaden“ zugefügt. Diese Ungeheuerlichkeit kann der Jurist Rilinger nicht unwidersprochen hinnehmen und weist – wie es Fürst vorgenommen hat – öffentlich in Form eines Offenen Briefes diese ehrverletzende Anschuldigung, juristisch fundiert, zurück, hofft aber gleichzeitig, dass die Vertreter des „Synodalen Weges“ die Angriffe gegen den ehemaligen Papst, in dessen vormaligem päpstlichen Abglanz sich viele Bischöfe – auch deutsche – wohlgefühlt haben, einstellen, um den Gegnern und Feinden der Kirche nicht noch mehr Nahrung für deren Kampf anzubieten.
kath.net dokumentiert den Offenen Brief in voller Länge:
Exzellenz!
Sehr geehrter Herr Bischof Fürst!
Ich habe mit Verwunderung aus der Presse zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie vorgetragen haben, die Rolle, die der ehemaligen Papst Benedikt XVI./J. Ratzinger in der Missbrauchsaufarbeitung spiele, sei „unverantwortlich“. Auch haben Sie ausgeführt, dass Benedikt XVI. sich, aber auch der Römischen Kirche dadurch einen „schweren Schaden“ zugefügt habe.
Wenn ein Dritter einen solch schwerwiegenden Vorwurf erhebt, kann man in einem Rechtsstaat erwarten, dass dieser Vorwurf auch substantiiert und detailliert begründet wird. Allerdings: Aus Ihren veröffentlichten Anschuldigungen ist nicht ersichtlich, dass Sie sich überhaupt der Mühe unterzogen hätten, zumindest die aus Ihrer Sicht vorliegenden Argumente vorzutragen. Der Presseberichterstattung ist lediglich zu entnehmen, dass Sie eine nicht begründbare, unsachliche und damit unerhebliche Äußerung von sich gegeben haben – offensichtlich eine Äußerung, die Ihre wahre Motivation und Intention, die Reputation von Benedikt XVI./J. Ratzinger zu zerstören, nicht mehr verschleiern kann. Sie offenbart allerdings auch, dass Ihnen das Wissen, wie Dritte einer Verfehlung begründet beschuldigt werden können, fehlt. Deshalb kann Ihre Äußerung von Personen, die Kirchenpolitik nicht als Emotion betrachten, sondern als einen Prozess, der unter rechtsstaatlichen Voraussetzungen zu erfolgen hat, nicht ernst genommen werden. Wenn jemand wie Sie, der ja immerhin ein Bistum im gesellschaftlichen Diskurs vertritt, sich erhebt, den vormaligen Papst in derart weitreichender Form zu beschuldigen, kann die Öffentlichkeit erwarten, dass Sie wenigstens die juristischen Grundvoraussetzungen beachten, die eingehalten werden müssen – zwingend eingehalten werden müssen –, um den Respekt vor der Majestät des Rechtes zu wahren.
Ich möchte nicht verschweigen, dass ich von Ihnen in Ihrer Position etwas mehr staatsbürgerliches Wissen, aber auch mehr christliches Verständnis für die Kirche und die Person Benedikts erwartet hätte. Wenn Sie mit der Theologie und Philosophie von Papst em. Benedikt XVI./J. Ratzinger nicht einverstanden sein sollten, was offensichtlich der Fall ist, dann wissen Sie ja genau, wie und wo eine intellektuelle Auseinandersetzung stattzufinden hat. Oder haben Sie das Gefühl, Ihrem Gegner intellektuell nicht gewachsen zu sein, so dass sie unsachlich argumentieren? Dass ich dieses Manko in Ihren Äußerungen meine, zu erkennen, kann Ihnen sicherlich nicht verborgen geblieben sein.
Sollte es Ihnen möglich sein, das Gutachten in Bezug auf den ehemaligen Erzbischof Ratzinger zu verstehen, hätten Sie unschwer erkennen können, dass die Vorwürfe in dem Gutachten rein emotionale oder, juristisch ausgedrückt, unerhebliche sind. Wenn sogar einer der Gutachter einräumen muss, dass Joseph Ratzinger „wahrscheinlich“ verwerflich gehandelt habe – was als ein ungewolltes Eingestehen der eigenen Unfähigkeit angesehen werden muss, einen gerichtsfesten Nachweis zu erbringen – und wenn Sie diese Äußerung gleichwohl als Nachweis verwerflichen Handelns anerkennen, dann kann ich nur resigniert antworten, dass die Kirche solch juristisch unbedarfte Theologen nicht nötig hat.
Auch ein Bischof hat in unserer Gesellschaft eine herausgehobene Stellung und wird infolge dessen ernst genommen, wenn er über einen anderen Bischof urteilt. Wenn Sie – öffentlich – einem ehemaligen Papst rechtswidrige Handlungen unterstellen, ohne diese Anschuldigung auch nur ansatzweise zu begründen, ja, begründen zu können, dann verdienen Sie sich geradezu das Wohlwollen der Atheisten und Agnostiker und geben den Kirchengegnern Argumente an die Hand, um weitere Angriffe gegen die Kirche führen zu können.
Bevor Sie sich zu diesen unbegründeten Anschuldigungen haben hinreißen lassen, wäre es nützlich und vor Allem angebracht gewesen, einen Blick in die Akte zu werfen und sich in Ihrer Argumentation nicht auf hasserfüllte Kommentare aus irgendwelchen Zeitungen zu stützen. Je mehr Benedikt mit unsubstantiierten und undetaillierten Argumenten seitens seiner innerkirchlichen Gegner angegriffen und beschuldigt wird, desto mehr verfestigt sich die öffentliche Meinung, dass Benedikt verwerflich gehandelt hat – was sogleich auf die Kirche an sich deriviert wird und ihr schadet. Wenn Sie dies wollen, kann Sie keiner daran hindern. Allerdings: Wissen Sie noch, was Sie bei Ihrer Weihe als Priester und Bischof vor Gott gelobt haben? Damals jedenfalls haben Sie versprochen, sich für die Kirche einzusetzen. Argumente zu liefern, um sie zu zerstören, haben Sie freilich nicht gelobt. Es wäre angebracht, dass Sie sich mäßigen und sich vielleicht doch juristisch beraten lassen, damit es Ihnen ermöglicht wird, die Aussagen in dem Gutachten bezogen auf den ehemaligen Erzbischof Ratzinger und Papst em. Benedikt XVI. zu verstehen.
Mit freundlichem Gruß
Lothar C. Rilinger
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht i.R.
Stellvertretendes Mitglied des
Niedersächsischen Staatsgerichtshofes a.D.
Archivfoto Bischof Fürst (c) Diözese Rottenburg-Stuttgart
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