Liebende Stille

23. Februar 2022 in Jugend


Ich glaube, Gott hat eine unsagbar große Sehnsucht, gehört zu werden. Nicht wie wir Menschen. Nicht, weil er es braucht, sondern weil Liebe ohne Hören gar nicht fließen kann - Die Jugendkolumne von Lucia Zimmermann


Salzburg (kath.net)

In einem Buch, das ich gerade lese, steht, dass Stille die Ohren „reinigt“. Gerade auch die Ohren unseres Herzens. Als eine introvertierte Frau empfinde ich Stille als wohltuend und suche sie regelmäßig. Aber während ich dieses Buch lese, muss ich feststellen, dass ich mir nur äußerlich Zeit für Stille nehme,  innerliche Stille hingegen gibt es nicht. Tagträume, Gebete, innere Dialoge, Unerledigtes, Sorgen, Probleme, Fragen etc.. „Innere Stille“, kenne ich nur von Erzählungen über Meditationsübungen, aber ich praktiziere sie nicht, ich übe sie nicht, ich versuche es nicht einmal.

Dabei sehne ich mich danach „hören“ zu können. Meinen Mitmenschen zuhören und die Wahrheit heraushören, die Stimme meines Herzens und vor allem die Stimme Gottes in mir und in meinem Leben hören.

Jeden Tag bete ich um ein hörendes Herz. Ich will empfänglich sein für die Weisheit und die Liebe Gottes. Umso nachdenklicher macht mich dieses Buch. Gebe ich Gott genug Raum zu mir zu sprechen? Wie viel Sinn macht meine tägliche Gebetszeit und mein Gebet um ein hörendes Herz ohne diese liebende Stille?

Somit stehe ich also vor einem Problem. Innerlich still sein fällt mir richtig schwer. Trauriger Weise kann ich das nicht nur in meiner Beziehung zu Gott feststellen, sondern auch in meiner zwischenmenschlichen Kommunikation. Noch während der andere redet, brüte ich schon einmal über meiner eigenen Antwort. Vieles bleibt so ungehört, vielleicht sogar ungesagt. Dabei geht es mir im Gespräch ja selbst oft weniger um eine Antwort, als darum gehört zu werden.

Gehört zu werden, tut so gut. — Ich darf sein. Ich bin Zeit und Aufmerksamkeit wert. Jemand hört mich. Jemand sieht mich. Jemand versteht mich. Da ist jemand, der „erkennt“ mich.

Ich glaube, Gott hat eine unsagbar große Sehnsucht, gehört zu werden. Nicht wie wir Menschen. Nicht, weil er es braucht, sondern weil Liebe ohne Hören gar nicht fließen kann. Liebe braucht einen Empfänger - ein empfängliches Herz. Er will, dass wir seine Liebe empfangen. Er will, dass wir seine Liebe in die Welt tragen. Er will durch uns die Welt mit seiner Liebe erfüllen.

Liebende Stille. Das ist mein Leitwort für die kommende Fastenzeit. Im Gebet und in den Begegnungen des Alltags.

„Neigt euer Ohr und kommt zu mir, hört und ihr werdet aufleben!“ (Jes 55,3)

„Gott offenbart sich dem Suchenden, spricht zu dem Hörenden und bezeugt sich durch den Liebenden“ (Martin Schleske; Herztöne)


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