Synodaler Weg – mein ganz persönlicher Einwurf in die Debatte

23. Februar 2022 in Kommentar


„Die Sache ist die, dass die Identität der Kirche angefragt ist, und zwar substantiell. Und das ist existentiell bedeutsam, für mich wenigstens.“ Gastkommentar von Klaus Obenauer


Bonn (kath.net)

„Nam tua res agitur, paries cum proximus ardet, et neglecta solent incendia sumere vires.“ (Horaz, Epistulae I,18)

1. Meine Betroffenheit und die Legitimitätsfrage

„Synodaler Weg“: Dazu gibt es viele, eben auch kritische, Wortmeldungen, dass es eigentlich mich nicht auch noch braucht – so nüchtern-selbstkritisch bin ich da schon. „Eigentlich“: handelte es sich um eine bloße akademische Debatte oder ähnliches. Die Sache ist aber die, dass die Identität der Kirche angefragt ist, und zwar substantiell. Und das ist existentiell bedeutsam, für mich wenigstens. Geht es doch um mein geistiges Haus, in dem ich lebe. Und da sehe ich es ungern, wenn sich ein, von mir jedenfalls, ungebetenes Architektenbüro daran macht, Pläne zu entwerfen, die vorgeblich einen Umbau projektieren, jedoch die Frage aufwerfen, ob das nicht am Ende auf einen Abriss hinausläuft. Und da bin ich betroffen, da brennt wirklich die nächste Wand, um mit den Worten des römischen Dichters zu sprechen.

-    Natürlich geht es dabei nicht nur um mich oder um mich in erster Linie. „Manchmal müssen Umsiedlungen weniger halt sein“, könnte man da immer noch sagen. Was dann aber die Legitimationsfrage angeht, die sich hier stellt: Ich gehe von der starken, aber religionsphilosophisch einsichtig zu machenden wie durch den Glauben der Kirche sanktionierten Voraussetzung aus, dass der Glaube (qua „fides quae“) und seine Implikationen nicht demokratisch zu legitimieren sind: und eine Abänderung per Mehrheitsbeschluss impliziert einen demokratistischen Legitimismus. Und die Verwerfungen, die letzterer mit sich bringt, lassen seine immanente Selbstwiderlegung greifbar werden: Was ist eigentlich mit denen, die so gar nicht mit diesen „Neuaufbrüchen“, wie sie der Synodale Weg postuliert, können? Das Projekt einer Kirche, die umfassend partizipationsgerecht und dabei radikal-inklusiv sein will, produziert zwangsläufig neue Exklusionen. Irgendwie wird immer jemand exkommuniziert. Wobei diese Exkommunikation vorläufig die harmlose Gestalt einer Marginalisierung an sich trägt, welche die konservativen Dunkelmänner und allen voran deren episkopale Gewährsleute in die Ecke stellt. Mit Blick auf die Vergangenheit aber ist die Für-jetzt-Minderheit Majorität. Will man also auch die Vergangenheit, ganze Jahrtausende exkommunizieren? Manches hört sich schier so an. Neuaufbruch im Angesicht eines Gestern, für das man sich angeblich bloß noch schämen kann. Auch das ist Selbstdelegitimierung.

-    Lassen wir uns jedoch methodisch ad hoc auf das Paradigma „demokratische Legitimation“ ein, so ist diese für die Postulationen des Synodalen Weges ja gar nicht so fraglos sicher, wie es scheint; vor allem, wenn man diese demokratische Legitimation an die theologische Größe „sensus fidelium“ rückbinden will. Ist dieser bei allen, die einen Taufschein haben und irgendwie mitreden wollen, gleich authentisch ausgeprägt? Genügt es dazu, in Kirche und/oder Theologie irgendwie „Profi“ zu sein? Ich gestehe gerne ein, dass gerade meine aktuelle Erlebnisperspektive recht begrenzt ist: Aber nach meiner Wahrnehmung hat besagter „sensus fidelium“ dort, wo er sich am intensivsten ausdrückt, das schlechteste, wenn nicht gar kein Sprachrohr. In meiner Kritik an „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ – ein Geschwisterprojekt zum Synodalen Weg – sprach ich es schon einmal an: Was ist mit den intensiv Praktizierenden, die, soweit möglich, mehrere Male auch unter der Woche (und nicht nur sonntags) die Heilige Messe besuchen? Gut, ich habe dort noch keine Umfrage veranstaltet: Aber meine nachhaltige Impression ist, dass der Synodale Weg wenigstens nicht authentischer Ausdruck dieser kleinen, aber gerade nicht unbedeutenden Minderheit ist, wenn nicht ganz im Gegenteil. Diese Art von Basis hat in der medialen Öffentlichkeit einfach kein Da-Sein, sie „kommt“ nicht „vor“. Auch binnen-kirchlich behandelt man uns wie die „AG der Besonders-Frommen“, die sich nicht allzu viel einbilden soll; wo doch der „Selbstvollzug der Kirche“ ja nicht nur in Gottesdienst-Feiern bestehe, sondern auch in der Diakonie etc. Aber ich bleibe dabei: „wir sind Kirche“ finde ich irgendwie skurril, wenn ich mich im Extremfall, der aber schon mal vorkommt, im Kirchenschiff allein vorfinde (Zelebrant mit Ministrantin im Chor, Küsterin an der Sakristeitür). Und wenn ich sehe, wie sehr uns Corona auch für die Sonntage die Kirchen gelehrt hat …

-    Wie schon zugestanden: Es ist dies meine Sicht aus begrenzter Erlebnisperspektive, aber durchaus nicht ohne Aussagekraft. „Unsereinem“ wird zur Zeit schon etwas zugemutet; und es scheint mir mit Blick auf die Psychohygiene immer öfter geraten, den genaueren Blick in die Tageszeitung schon beim Frühstück zu vermeiden: möchte ich doch nicht Malu Dreyer als engagierte ZDK-Laiin mit gewichtiger Stimme vorgesetzt bekommen. Die Aussicht auf eine Staatskirche, in der die Sozen den Ton angeben, ist nichts für meinen Adrenalinspiegel (ohne Möglichkeit, mich abzureagieren).

2. Zeitübergreifende Identität und glaubwürdige Kirche

Sicher wird damit für den Leser greifbar, dass ich hier eher ad hominem argumentiere, wie ich auch nicht vorhabe, die Problemmaterie im Detail aufzurollen. Auf alle Fälle aber muss den Unbefangenen, denke ich, klar werden, dass die „ratio agendi“ des Synodalen Weges unter dringendem Aporie-, wenn nicht Absurditätsverdacht steht: Man will revolutionäre Reformen, deren (jedenfalls) umfängliche und konsequente Durchsetzung auf Spaltung hinausliefen. Nun aber: Gibt es ein solches Recht auf ein geistiges Expatriieren einer Minderheit, das obendrein mit der diachronalen Identität der Kirche bricht? Was soll das?

-    Der Apostolische Nuntius hatte in seinem „Wort an die Dritte Synodalversammlung“ (siehe Link)den heiligen Irenäus von Lyon mit einem berühmten Passus zitiert, worin der das Wunder der die Regionen übergreifenden Selbigkeit des Glaubens in Treue zur apostolischen Überlieferung feiert. Die Redakteure besagter Frühstückszeitung hatten dazu nichts anderes zu sagen, als dass das Zitat des Nuntius mehr an Asterix und Obelix erinnere. Geben jetzt die Banausen den Ton an? … (vgl. Mt 7,6). – Ich möchte an das Wort des Nuntius auf meine Weise anknüpfen: Wenn ich mir (und gegebenenfalls anderen) über meinen christlichen, näherhin katholischen Glauben Rechenschaft geben will und dabei in mich hineinhöre und nicht auf irgendeine (an sich noch so wichtige) Systematik rekurriere, dann ist für mich gerade der im Gang der Zeiten durchgehaltene Anspruch der Kirche, letztgültig die Wahrheit zu lehren, ganz wesentlich. Ohne dieses Kontinuum macht es für mich keinen Sinn, mich auf die existentiell betreffende Heils-bedeutsamkeit des Jesus von Nazareth mit seinem historischen Auftreten vor zweitausend Jahren einzulassen. Besagte Kontinuität schließt eine Dogmengeschichte mit ihren Wechselfällen und Spannungen nicht aus: Für mich jedenfalls besteht das delegitimierende Novum von Projekten wie „Synodaler Weg“ darin, dass man daran geht, offen zu manipulieren, indem man es in Angriff nimmt, sich von Lehrbeständen zu verabschieden, die das nach bis dato verbindlicher Doktrin gar nicht zulassen. Man schreibt einfach den Katechismus um (bzw. fordert das), man interpretiert neu, so dass das Dogma unkenntlich wird (hier denke ich in Sonderheit an das Geschwisterprojekt „Gemeinsam am Tisch des Herrn“).

-    Damit greife ich das auf, was schon das Erste Vatikanische Konzil so formuliert hatte: „Ja, sogar die Kirche-an-sich selbst – nämlich wegen ihrer staunenswerten Verbreitung, herausragenden Heiligkeit und in allem Guten nicht erschöpften Fruchtbarkeit, wegen der katholischen Einheit und nicht bezwungenen Beständigkeit [‚invictamque stabilitatem‘] – ist ein großes und fortwährendes Motiv der Glaubwürdigkeit und ein unwiderlegliches Zeugnis ihrer göttlichen Sendung.“ (DS 3013) – Stolze Worte, sicher; und mit Blick auf das aktuelle Bild der Kirche, das sie selbst abgibt, das aber auch gehörig durch den Fokus der medialen Transferierung bedingt ist, muten diese Worte gar als peinlich stolz an. Gibt man sich aber Rechenschaft über die völlig unzulängliche Reduktion auf Skandale und Institutionenversagen, dann behalten die im Zitat benannten Motive gleichwohl ihr argumentatives Potential, in Sonderheit das der „nicht bezwungenen Beständigkeit“ („invicta stabilitas“), auf das ich hier eigens abstelle. Denn wie soll es im Gegenzug die Kirche glaubwürdiger machen, wenn sie sich, in die Enge getrieben, im Bruch mit ihrer Kontinuität den Akzeptanzstandards der Gegenwart unterwirft? Und das, um damit eine Bedingung zu erfüllen, die sie in säkular-ethischer Instanz überhaupt erst voll satisfaktionsfähig macht? Dann haben längst die anderen, die „Welt“ die Maßstäbe gesetzt; das ist dann das, was unbedingt gilt. Wir dürfen dann in solchem Rahmen nur noch Angebote machen. Ich jedenfalls pfeif auf solche „Angebote“ einer endlich „in der Moderne angekommenen“ Kirche.

-    Es kommt hinzu, dass besagtes Erstes Vatikanum einer nachträglichen Umdeutung der Dogmen der Kirche gegen deren genuinen Sinn eine eindeutige Absage erteilt hat (DS 3043), umso mehr einem faktischen Abschaffen dieser Dogmen. Nun legen die Vertreter der reformistischen Mehrheitspartei die theologische Rahmendiskussion metatheoretisch an: das Ganze müsse eben auf den Prüfstand, der somit auch nicht vor dem Anspruch, unveränderliche Lehren vorzutragen, Halt mache. Allein: Mit besagtem Bestehen auf der Unveränderlichkeit (und erst recht Unabschaffbarkeit) der Dogmen hat das Erste Vatikanum seinerseits schon eine metatheoretische Grenzziehung vorgenommen. Somit aber: Was heißt das nun, was hat das eigentlich für Implikationen, dass man jetzt daran geht, der Kirche eine metatheoretische Kehrtwende zu verordnen, man offiziös bis offiziell das Sich-Distanzieren vom ererbten Letztverbindlichkeitsanspruch verbindlich machen will? Halsbrecherische Purzelbäume!

3. Meine Sicht auf das Kernproblem

In Bezug auf die im Rahmen des Synodalen Weges konkret diskutierten Fragen muten meine Überlegungen sicher etwas abstrakt an. In der Tat stelle ich mehr ab auf die Hintergrundmusik. Was mich im Innersten bewegt bzw. was mich zumindest so bewegt, dass ich wollte, es würde mich, immer mehr, im Innersten bewegen: Angesichts der Grenzen, die mir das Leben gezogen hat und an denen längst nicht nur andere schuld sind, glaube ich „irgendwie zu spüren“, dass die Gemeinschaft mit Gott – und das ist ja das A und O unseres Christ-Seins – nur so erfüllende Wirklichkeit für (je) mich ist, dass Er mich hat, nicht ich Ihn, beziehungsweise ich Ihn, indem Er mich (vgl. S. Bonaventura: Breviloquium V,1). Bewusst will ich das ganz ohne, sich selbst widerlegende, spirituelle Prätentiosität so gesagt haben: nur ein vorsichtiges Ahnen nehme ich in Anspruch, nicht prahlerisch eine erfüllte Wirklichkeit. Und ich erfahre dabei, dass der Anspruchs dieses Ideals (wenn ich es so sagen darf) meine Bedürfnisse nach Selbstbehauptung, mein neidisches Hadern mit den ausgebliebenen Selbstverwirklichungsmöglichkeiten etc. richtet: soll Ersteres Wirklichkeit werden, muss Letzteres schwinden. „Oh, Gott, ich wollte, ich wär ein Mensch nach Deinem heiligsten Willen“; und: „ich wollte, das wäre immer mehr mein erstes und letztes Gebet“.

-    Dieses Ein-klein-wenig-Einsicht-Geben in mein Inneres würde ich nun selbst karikieren, wollte ich damit anderen den Spiegel vorhalten, so als dürfte ich unterstellen, das von mir (mehr Geahnte als schon) Erlebte sei bei ihnen nicht oder doch weniger (geschweige denn: nicht in weit höherem Aus-maß) der Fall. Und die aktiven Teilnehmer am Synodalen Weg, wobei ich eher an die tonangebende Majorität denke, sind zahlreiche Individuen, über deren Köpfe hinweg pauschal zu urteilen mir nicht zusteht. Jedoch: „ton“-angebend, wie ich oben von „Hintergrundmusik“ sprach. Nach was klingt das Gesamtkonzert? Nach was riecht das, wenn man so will? Und da habe ich nun mal nicht den Eindruck, dass dort „ins-gesamt“ jener Geist wirksam ist, der in uns macht, dass wir uns für Gottes Willen gar kreuzigen lassen. Dort, wo man sich von diesem Geist prägen lässt, ist einem dieses Wild-Emanzipatorische, dieses Trotzig-Aufbegehrende fremd. Dies zeigt sich im Umgang mit der Sexualität, auf den christliches Ethos nicht zu reduzieren ist, dem aber eine hohe indizielle Funktion zukommt, wie er nicht umsonst in der synodalen Diskussion eine große Rolle spielt: bloße Selbst-Bestimmung und freies Sich-Bestimmen-Lassen von Gott sind zweierlei. Dass man „neuzeit-lich“ an die autonome Freiheit appelliert, um sich von einer im Namen Gottes sprechenden Institution nichts dreinreden zu lassen, das ist dann schon von eigener Aussagekraft, woher da der Wind weht (vgl. Joh 3,6-8; Röm 8,5-10). Das Befreit-Sein für Gott und in die Verfügbarkeit für ihn trotzt nicht dem kirchlichen Gehorsam, es hat sein „Symbol“ in Letzterem.

-    Und damit ist auch klar, dass uns, konsequent betrachtet, alles entglitten ist, wenn wir nur noch mit sinnstiftenden „Angeboten“ bereit halten, sprich: uns auf Dienstleistung in Sachen „Kontingenzbewältigung“ reduzieren. Ich greife das auf, was auch Karl Rahner gegen Ende seines Lebens bewegte, bewegte vor dem Hintergrund einer sich abzeichnenden Fehlentwicklung (um mir im Klaren zu sein, dass er alles andere als ein „rechter“ Theologe war): dass es beim streng sich selbst mitteilenden Gott, dem Nucleus des Christ-Seins, erstlich und letztlich nicht um uns geht, sondern um Ihn, wenngleich wir alles davon haben, Er nichts. Mit anderen Worten: Es geht um Gottes „Vor-Kommen“ in uns. Und dazu muss ich ihn vor-kommen lassen, indem ich konsequent zurück-trete. Das ist Gottes Herrschaft, die er in uns angebrochen haben will, deshalb die Basileia-Ausrufung als Essenz der Predigt Jesu, so wie die Synoptiker sie uns überliefern. Und das kirchenkritische Potential – wenn es denn unbedingt bemüht sein muss – ist gerade damit gegeben, dass die eigenen Wunschprojektionen („Träume“) zurückgestellt werden müssen, dass gerade jener Illusion eine Absage erteilt wird, wonach das Ja-Sagen zu den Menschen im indifferenten Ab-„Segnen“ ihrer Lebensentwürfe bestehe, und nicht viel mehr darin, sie in Blickkontakt mit der verzehrenden Liebe Gottes zu bringen.

4. Zum Thema Reform und in eigener Sache

Ein echtes Reformprogramm muss meines Erachtens anknüpfen an der Einheit von unbestechlicher Orthodoxie und kompromissloser Orthopraxie, von Wahrheit und Liebe, wie ich sie gerade in den drei Johannesbriefen, zumal im ersten ausgesprochen finde, wobei nicht umsonst die Nächstenliebe schier exklusiv als Bruderliebe thematisiert ist. Das Gegenteil dieser Einheit in Wahrheit und Liebe sind Häresie und Schisma. Und diese liegen im Fluchtpunkt der radikalen Postulationen des Synodalen Weges; besonders greifbar wird dies, wenn man sich, zumal seitens bischöflicher Protektoren, in einen „point of no return“ hineinredet, welcher dem höchsten Lehr- und Hirtenamt seinerseits Grenzen ziehen will. Und aus der Perspektive jenes Basis-Gläubigen, der seinen katholischen Glauben einfach nur treu, integral und konsequent praktizieren will, ist dies, wie ich zu Anfang deutlich anklingen ließ, besonders zu registrieren. Ich empfinde das immer öfter als eine Spaltung von Apparatkirche und Gläubigenkirche in Deutschland. Und der Synodale Weg ist, wohlgemerkt, Teil des Apparates.

Hier ist aber der Punkt für mich gekommen, noch etwas ganz Persönliches – und für den Leser wohl auch etwas überraschend – einzubringen: Wenn ich zurückblicke auf inzwischen über zehn Jahre gelegentlicher Wortmeldungen meinerseits, theologisch-kirchenpolitische Themen betreffend, sehe ich auch Grund für Selbstkritik. Ich bin meinerseits der Einheit in der Liebe nicht immer gerecht geworden, ja, habe gegen sie verstoßen. Und deshalb: Alle, die sich durch meine gelegentliche Direktheit samt Sarkasmus angegriffen, verletzt und verunglimpft wissen, bitte ich von Herzen um Vergebung. Namentlich tue ich dies gegenüber meinem ehemaligen Chef, Prof. Dr. Karl-Heinz Menke, den ich seinerzeit mit einer harten Invektive angegangen war und verletzt hatte. Ich möchte dafür von Herzen Abbitte leisten. Auch mit Kritik an Papst Franziskus war ich nicht sparsam: Obwohl ich an seinem Pontifikat nach wie vor einiges kritisch sehe, bitte ich wegen entstandener Ärgernisse um Vergebung. – Natürlich geht aus dem Ganzen meiner Wort-meldung hervor, dass ich mich damit nicht auch von meinen inhaltlichen Positionierungen distanziere, bzw. nicht prinzipiell, wenn ich auch inzwi-schen einiges nuancierter sehe. Abgesehen von irgendwelchen Bedenken im Detail (die ich eigentlich immer habe), sollen die Leser wissen, dass mein per-sönliches Hart-Bleiben in der Sache gerade auch für mein kleines Engage-ment in der Affäre um „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ gilt. Da geht es nun wirklich um die Sache, in meinen Augen um Sein oder Nicht-Sein.

5. Wo meines Erachtens anzusetzen wäre

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie eventuelle „auswärtige“ Leser bei mir eine sehr selektive Wahrnehmung, ja eine Unzahl blinder Flecken ausfindig machen werden. Was nun aber den Missbrauch angeht, an dem ja die synodale Debatte aufgehängt ist, so erübrigt sich zu den Untaten selbst jedes weitere Wort. Was den Skandal angeht, so ist doch das Problem (wie ich mit einigen anderen meine) ganz besonders darin gelegen, dass er „uns“ so alt aussehen lässt: man hat nichts entgegenzusetzen. Jedenfalls ist der mediale Wahrnehmungsfokus so, dass da nur Schande und Blamage ist. – Ich persönlich mache mir darauf den Reim, dass „unsere“ fehlende Glaubwürdigkeit etwas mit mangelnder Verkörpe-rung zu tun hat. In der Tat halte ich Papst Franziskus zugute, die Wichtigkeit solcher Verkörperung neu entdeckt zu haben. Wer im Dienst des Reiches Gottes, des „Vorkommens Gottes“ (s.o.) steht, an dem muss – damit sein Anspruch überhaupt die Chance hat, ihm abgenommen zu werden – „mani-fest“ werden, dass sein Hoffnungsanker nicht in dieser Welt festgemacht ist (vgl. Hebr 6,18-20). Wie es aussieht, hat der eine oder andere Bischof das für sich sehr wohl schon registriert. Aber, ohne billigen Pauschalurteilen aufgesessen zu sein: da ist noch Nachholbedarf. Natürlich für uns alle, aber besonders für die, die in Christi Gesandtschaft stehen (vgl. 2 Kor 5,20). Die „Entweltlichung“, die Benedikt XVI dringend angemahnt hatte – und ich finde, es ist ein gutes Wort –, birgt ein Anforderungsprofil für die Askese in sich: „immerzu das Todesleiden Jesu am Leibe mit uns tragend, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib ‚manifestiert‘ wird“ (2 Kor 4,10).

PD Dr. theol. Klaus Obenauer gehört der kath.-theol. Fakultät der Uni Bonn an. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in scholastischer Theologie und Philosophie.


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