Was muss ich tun?

28. Februar 2022 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: wenn wir tief darüber nachdenken, wenn wir dem Herrn gut zuhören, im ganzen Evangelium, entdecken wir dahinter die große Weisheit Jesu, des Wortes Gottes. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Was muss ich tun?, die Frage ist auch dann möglich und notwendig, wenn ich weiß, dass es vor Gott kein Tun gibt, das mir Recht und Anspruch erwerben könnte. Aber die letzte Antwort Jesu sagt dem jungen Mann nicht, was er tun, sondern was er lassen muss: alles. Dass der Mann darüber erschrocken war, ist nur zu verständlich. Jedem wird es so gehen, den das Wort Jesu trifft. Ist also jeder von der Gemeinschaft Gottes ausgeschlossen, der nicht alles aufgeben, allem Besitz in jeder Form entsagen kann? Das wäre irgendwie logisch; aber Gott ist nicht logisch, sondern gütig und groß: „Für Gott ist alles möglich“. – Mt 19,16-26; Lk 18,18-27“ (Schott).

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Am 15. März  2010 begegnete Papst Benedikt XVI. den Jugendlichen aus Rom und Latium zur Vorbereitung auf den Weltjugendtag. Wie dies bei diesen Begegnungen üblich war, hatten die Jugendlichen einige Fragen vorbereitet, auf die der Papst nach einer Einleitung einging. Benedikt XVI. konzentrierte sich zunächst auf das oberste Gebot der Gottes.

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Evangelium vom Montag der achten Woche im Jahreskreis:

Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter! Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. Da sah ihn Jesus an, gewann ihn lieb und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach! Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Sie aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich (Mk 10,17-27).

Benedikt XVI., bei der Begegnung mit den Jugendlichen aus Rom und Latium zur Vorbereitung auf den Weltjugendtag, 25. März 2010

Frage: Heiliger Vater, der junge Mann aus dem Evangelium hat Jesus gefragt: Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Ich weiß nicht einmal, was das ewige Leben ist. Ich kann es mir nicht vorstellen, aber eines weiß ich: Ich will mein Leben nicht wegwerfen, ich will es bis ins Letzte leben und nicht allein. Ich habe Angst, daß das nicht geschieht, ich habe Angst, nur an mich zu denken, alles falsch zu machen und am Ende ziellos in den Tag hinein zu leben. Ist es möglich, aus meinem Leben etwas Schönes und Großes zu machen?

Liebe Jugendliche,

bevor ich auf die Frage antworte, möchte ich euch allen von Herzen für eure Anwesenheit danken, für dieses wunderbare Glaubenszeugnis, für das Zeugnis, daß ihr in Gemeinschaft mit Jesus leben wollt, für eure Begeisterung, Jesus nachzufolgen und gut zu leben. Danke!

Und jetzt zur Frage. Sie haben uns gesagt, daß Sie nicht wissen, was das ewige Leben ist und es sich nicht vorstellen können. Niemand von uns ist in der Lage, sich das ewige Leben vorzustellen, da es außerhalb unseres Erfahrungshorizontes liegt. Dennoch können wir beginnen zu verstehen, was das ewige Leben ist, und ich glaube, daß Sie uns mit Ihrer Frage eine Beschreibung dessen gegeben haben, was das Wesentliche des ewigen Lebens, also des wahren Lebens ist: das Leben nicht wegzuwerfen, es in der Tiefe zu leben, nicht für sich selbst zu leben, nicht in den Tag hinein zu leben, sondern das Leben wirklich in seinem Reichtum und in ganzer Fülle zu leben. Wie kann man das tun? Das ist die große Frage, mit der auch der junge Mann aus dem Evangelium zum Herrn gekommen ist (vgl. Mk 10,17). Auf den ersten Blick erscheint die Antwort des Herrn sehr trocken. Im großen und ganzen sagt er: Beachte die Gebote (vgl. Mk 10,17).

Aber wenn wir tief darüber nachdenken, wenn wir dem Herrn gut zuhören, im ganzen Evangelium, entdecken wir dahinter die große Weisheit Jesu, des Wortes Gottes. Einem anderen Wort Jesu zufolge sind die Gebote zusammengefaßt in diesem einen Gebot: Gott zu lieben mit ganzem Herzen, mit dem ganzen Verstand, mit dem ganzen Leben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Gott zu lieben setzt voraus, Gott zu kennen, Gott zu erkennen. Das ist der erste Schritt, den wir tun müssen: Wir müssen versuchen, Gott kennenzulernen. Und so wissen wir, daß es unser Leben nicht aus Zufall gibt, daß es kein Zufall ist. Mein Leben ist von aller Ewigkeit her von Gott gewollt. Ich werde geliebt, ich bin notwendig. Gott hat einen Plan mit mir, der die ganze Geschichte betrifft; er hat einen Plan für mich persönlich. Mein Leben ist wichtig und auch notwendig. Die ewige Liebe hat mich im Tiefsten erschaffen und erwartet mich. Das also ist der erste Punkt: Gott zu erkennen, ihn kennenzulernen und so zu verstehen, daß das Leben ein Geschenk ist, daß es gut ist zu leben. Das Wesentliche ist auch die Liebe. Diesen Gott zu lieben, der mich erschaffen hat, der diese Welt erschaffen hat, der inmitten aller Schwierigkeiten des Menschen und der Geschichte herrscht und der mich begleitet. Und den Nächsten zu lieben.

Die Zehn Gebote, auf die Jesus in seiner Antwort verweist, sind nur eine Erläuterung des Liebesgebots. Es sind sozusagen Regeln der Liebe, die den Weg der Liebe aufzeigen. Die wesentlichen Punkte sind dabei: die Familie als Grundlage der Gesellschaft; das Leben, das als Geschenk Gottes geachtet werden muß; die Ordnung der Sexualität, der Beziehung zwischen Mann und Frau; die soziale Ordnung und schließlich die Wahrheit.

Diese wesentlichen Elemente erläutern den Weg der Liebe, sie erläutern, wie man wirklich lieben und den rechten Weg finden kann. Es gibt also einen grundlegenden Willen Gottes für uns alle, der für uns alle gleich ist. Aber seine Durchführung ist in jedem Leben anders, denn Gott hat einen bestimmten Plan mit jedem Menschen. Der hl. Franz von Sales hat einmal gesagt: Die Vollkommenheit, also gut zu sein, den Glauben und die Liebe zu leben, ist im wesentlichen eine einzige, aber sie hat sehr unterschiedliche Formen. Die Heiligkeit eines Kartäusers und die eines Politikers, eines Wissenschaftlers oder eines Bauern und so weiter unterscheiden sich sehr voneinander. Und so hat Gott für jeden Menschen seinen Plan, und ich muß unter meinen Lebensumständen meinen Weg finden, diesen einen und gemeinsamen Willen Gottes zu leben, dessen große Regeln in diesen Erläuterungen der Liebe aufgezeigt werden. Man muß daher auch versuchen, das zu erfüllen, was das Wesen der Liebe ist: das Leben nicht für mich zu nehmen, sondern das Leben hinzugeben; nicht das Leben zu »haben«, sondern das Leben zu einem Geschenk zu machen, nicht mich selbst zu suchen, sondern den anderen zu geben.

Das ist das Wesentliche, und es erfordert Verzicht, also aus mir herauszukommen und nicht mich selbst zu suchen. Und gerade indem ich nicht mich selbst suche, sondern mich den großen und wahren Dingen hingebe, finde ich das wahre Leben. So wird jeder in seinem Leben verschiedene Möglichkeiten finden: sich einzubringen als freiwilliger Helfer, in einer Gebetsgemeinschaft, in einer Bewegung, in seiner Pfarrei, in seinem Beruf. Meine Berufung zu finden und sie an jedem Ort zu leben ist wichtig und grundlegend, ob ich nun ein großer Wissenschaftler oder ein Bauer bin. Alles ist wichtig in den Augen Gottes: Es ist schön, wenn es bis ins Letzte gelebt wird mit jener Liebe, die wirklich die Welt erlöst.

 


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