5. März 2022 in Spirituelles
Apostolischer Nuntius in Berlin in Predigt: Jesus Christus „spricht von den Früchten als Zeichen für das Gute und Böse einer Person und seiner Handlungen“.
Berlin (kath.net/pl) kath.net dokumentiert die Predigt von S.E. Apostolischer Nuntius Erzbischof Dr. Nikola Eterović am 27.2.2022 in Berlin in voller Länge und dankt für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung - Sir 27,4-7; Ps 92; 1 Kor 15,54-58; Lk 6,39-45
„Ein Jünger steht nicht über dem Meister“ (Lk 6,40).
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir setzen die Lektüre und die Reflektionen über die sogenannte Feldrede im Lukasevangelium fort. Hierin geht es um die Lehre Jesu, die eine tiefe Wahrheit unseres Glaubens beinhaltet und Hinweise gibt, diesen in die Tat umzusetzen, um wahrhaft Jünger Jesu Christi zu werden. Öffnen wir unsere Herzen der Gnade des Heiligen Geistes, um das verkündete Wort Gottes in rechter Weise zu begreifen und um es zum Bestandteil unseres christlichen Lebens werden lassen zu können. Bei drei Punkten des Evangeliums wollen wir besonders verweilen: Jesus Christus ist unser Meister (I). Er mahnt uns, andere nicht zu richten (II), sondern im Gegenteil gute Früchte für uns und für die Gemeinschaft hervorzubringen (III).
1. „Nur einer ist euer Meister“ (Mt 23,8).
Das heutige Evangelium beginnt mit den Worten Jesu: „Kann etwa ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen?“ (Lk 6,39). Es handelt sich um eine klare Ermahnung Jesu: Wer sich von einem Blinden führen lässt, zeigt eindrücklich, dass er selbst blind ist. Und weil keiner der beiden sieht, fallen sie gemeinsam in die Grube. In der Folge spricht der Herr davon, wie wichtig es ist, einen guten Lehrer zu haben. Der Schüler muss von ihm lernen, um selbst irgendwann zu einem Meister für andere zu werden: „Ein Jünger steht nicht über dem Meister; jeder aber, der alles gelernt hat, wird wie sein Meister sein“ (Lk 6,40). Demütig und beständig muss der Schüler seinen Lehrmeister hören, um verständig und weise zu werden. Erst dann wird er in der Lage sein, andere auf dem Weg zu einem reifen Leben anzuleiten.
Die Worte des Herrn Jesus machen uns nachdenklich. Vor allem in unserer heutigen Welt mit einer Gesellschaft, die global vernetzt kommuniziert, gibt es viele selbsternannte „Führer“ und unzählige Möglichkeiten, deren Weltanschauungen und Lebensmethoden zu kennen. Viele und zum Teil sehr anziehende Angebote werden gemacht, so dass ein einfacher gläubiger Mensch leicht getäuscht werden kann. Bei der Vielzahl der Angebote und Möglichkeiten sind manche auch gefährlich, wie man am Beispiel an jenen sieht, die zum Fundamentalismus, zu Gewalt und Terrorismus führen. Angesichts eines solchen Marktes der Möglichkeiten hat ein Christ jedoch keinen Zweifel, dass sein Meister Jesus Christus ist. Denn er hat gesagt: „Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus“ (Mt 23,10). Nur Jesus kann von sich sagen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). Erneuern wir daher unsere Entscheidung für Jesus als unserem Lehrmeister und trachten wir danach, nach seiner Lehre zu leben, denn nur Er vermag uns die Wahrheit über Gott und den Menschen zu schenken, indem er uns dazu einlädt, ein Leben der Liebe zu führen, das ewiges Leben bringt.
2. „Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden“
(Lk 6,37).
Mit dieser Maxime haben wir die Synthese der Lehre Jesu über den Splitter, den wir leicht im Auge des Nächsten erkennen, aber den Balken im eigenen Auge nicht sehen wollen (vgl. Lk 6,41-42). Eine solche Haltung verurteilt der Herr hart: „Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen“ (Lk 6,42). Ein Mensch wird sehr schnell dazu verleitet, eine irrige Haltung durch mildernde Umstände zu rechtfertigen, denn persönliche und gesellschaftliche Bedingungen bestimmen nicht selten sein Handeln. Doch die gleichen Umstände lässt er beim Nächsten nicht gelten und verurteilt ihn daher unnachgiebig. Doch das Gegenteil sollte geschehen. Wir müssen gegenüber uns selbst wahrhaft unnachgiebig und zu den anderen nachsichtig sein, denn wir kennen gewöhnlich die persönlichen, familiären und sozialen Umstände nicht, die ihr Verhalten prägen. Es gibt in der Kirche und im Zivilleben zahlreiche Beispiele für Leute, die nur andere kritisieren. Das zeigt, sie haben selbst Probleme und unruhige, bösartige Herzen. Es genügt, die Kritiken aus dem öffentlichen Raum gegenüber Vertretern von Kirche, Politik oder bekannten Persönlichkeiten zu analysieren, die nicht selten von Leuten kommen, die den Balken in ihrem Auge nicht sehen, aber nicht müde werden, den Splitter bei denen anzuprangern, die sie zu Objekten ihrer Kritik gemacht haben. Sobald ihre Heuchelei entlarvt ist, verlieren sie ihre moralische Autorität und werden ihrerseits kritisiert, so dass hier zurecht das Wort des Herrn zutrifft: „Denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden“ (Lk 6,38). Um nicht in eine heuchlerische Haltung zu verfallen, muss ein Christ sich selbst gut kennen, nicht zuletzt mittels der Gewissenserforschung, die es jeden Tag zu üben gilt. Die Kirche schenkt uns die Gelegenheit, unser Verhalten am Beginn einer jeden Heiligen Messe vor Gottes Angesicht zu prüfen. Wenn wir unsere eigenen Grenzen, Irrtümer und Sünden anerkennen, werden wir demütiger. Mit einfachem und dem friedfertigen Herzen werden wir so fähig, Gott und den Nächsten um Vergebung zu bitten. Ohne jede Überheblichkeit können wir den Nächsten ermahnen, wenn es sein Verhalten im persönlichen und öffentlichen Leben nötig macht, wie es der Herr Jesus empfiehlt: „Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht! Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen“ (Mt 18,15).
3. „Jeden Baum erkennt man an seinen Früchten“ (Lk 6,44).
Der Herr spricht von den Früchten als Zeichen für das Gute und Böse einer Person und seiner Handlungen. Jesus erläutert sein Denken mit Bildern, die alle verstehen: „Von den Disteln pflückt man keine Feigen und vom Dornstrauch erntet man keine Trauben“ (Lk 6,44). Diese Bilder dienen aber Jesus dazu, zwei Arten von Menschen zu unterscheiden: „Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor“, während „der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor“ (Lk 6,45). Und er fasst zusammen: „Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht sein Mund“ (ebd.). Dieses Wort erinnert uns daran, was der Herr Jesus über die falschen Propheten sagt, die wir an ihren Früchten erkennen werden: „Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch in Schafskleidern, im Inneren aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,15-16). Er beruft sich auch auf die Bedeutung des Herzens, um zu bestimmen, was rein und was unrein ist. Es sind nicht die Speisen, die in den Menschen hineingelangen und ihn so unrein machen, sondern „was aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen, und das macht den Menschen unrein“ (Mt 15,11 mit Blick auf Mt 15,8). Bitten wir daher den Herrn um die Gabe eines guten und großzügigen Herzen, das gute Früchte hervorbringt, andere zu verstehen, ihnen zu helfen und sie zu ermutigen auf dem Weg zum Guten. Vom Heiligen Geist inspiriert, hat der Prophet Ezechiel die Verheißung Gottes erhalten: „Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurem Fleisch und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich gebe meinen Geist in euer Inneres und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Rechtsentscheide achtet und sie erfüllt“ (Ez 36,26-27). Diese Verheißung erfüllt sich in der Person des Herrn Jesus, dem Gott und Menschen. Er hatte wahrhaft ein neues Herz; er nahm ein menschliches Herz an, um uns nahe zu sein. In der Eucharistie begegnen wir dem auferstandenen Herrn, seinem von Liebe erfüllten Herzen, das auch unser Herz von Stein verwandeln kann in eines aus Fleisch, eines, das im wahren Sinn des Wortes großherzig ist und voller Liebe zu Gott und dem Nächsten, vor allem zu denen, die am Rand der Gesellschaft sind. Der auferstandene Herr ergießt in Fülle den Geist über die Christen (vgl. Joh 3,34), vor allem über das Sakrament der Taufe, das unverzichtbar ist, um einen neuen Geist zu haben.
Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir die Erfüllung unserer Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, auf dass Gottvater durch seinen Geist in uns ein neues Herz erschaffe, das dem seines Eingeborenen Sohnes ähnlich ist. So werden wir fähig sein, Jesus Christus als unserem einzigen Lehrer und Meister zu folgen. Treu seiner Lehre und mit der Gnade des Heiligen Geistes verurteilen wir die anderen nicht, sondern unser christliches Leben möge reichlich gute Früchte bringen, nicht allein für uns, sondern für unsere Gemeinschaften und die ganze heilige Kirche Gottes auf dem Erdenrund. Amen.
Archivfoto Nuntius Eterović (c) Apostolische Nuntiatur Berlin
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