24. März 2022 in Kommentar
„Dass nur die Heilige die Kirche prägen und sie erneuern, werden Reformatoren des Synodalen Weges nur mit einem selbstgefälligen Lächeln quittieren, während sie sich weiters an der Zerstörung der Kirche abarbeiten.“ Gastkommentar von Joachim Heimerl
Wien (kath.net) Vor 800 Jahren träumte es Papst Innozenz III., die Lateranbasilika würde einstürzen und nur ein unbekannter Mönch würde dies verhindern, indem er ihr und der ganzen Kirche neuen Halt gab: Franziskus von Assisi.
Tatsächlich war in der Zeit Innozenz' III. die Bedrängnis der Kirche groß.
Laienbewegungen wie die Katharer hatten damit begonnen, aus eigener Vollmacht das Evangelium zu verkünden. Der katholische Anstrich dieser Bewegung, der strenge Bußgeist und ein ausgeprägtes Armutsideal konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine regelrechte Gegenkirche handelte, die beim Volk allerdings großen Anklang fand. Erst mit den Impulsen, die von Franz von Assisi ausgingen, fanden diese Strömungen wenigstens teilweise wieder in die Kirche zurück, die sich ihrerseits unter Innozenz neu am Evangelium ausrichtete. Die Zeit der Krise wurde so zu einer Zeit der Erneuerung.
Wer unter diesem Aspekt vom 13. Jahrhundert auf unsere Zeit blickt, wird heute Ähnliches feststellen wie zur Zeit der Katharer: Laienorganisationen haben die mediale Deutungshoheit über das Katholische an sich gerissen und verkünden auf dem „Synodalen Weg“ kraft eigener Vollmacht, was nunmehr katholisch sein soll und was nicht. Dass sie längst den Boden der Kirche verlassen haben, stört dabei niemand mehr, am wenigsten Bischöfe wie Kardinal Reinhard Marx, der vollmundig gern von „seiner“ Kirche spricht und davon, wie sie sich verändern müsse, um „zukunftsfähig“ zu bleiben. Dass diese Veränderung die völlige Preisgabe des Katholischen bedeuten würde, wird von Marx billigend im Kauf genommen, und auch die Bischöfe Bätzing, Bode, Overbeck – um nur einige zu nennen – werden nimmer müde, antikatholische Positionen zu vertreten und diese gebetsmühlenartig zu wiederholen.
Wie in der Zeit der Katharer ist „katholisch“ plötzlich nicht mehr das, was die Kirche glaubt und lehrt, sondern das, was sich Einzelne zurechtbasteln, seien es Bischöfe oder seien es Laien. Ihnen allen aber ist gemeinsam, dass sie – wie einst die Katharer – die Stimme der Zeit erkannt haben wollen und dass sie diese gleichzeitig mit der Stimme des Heiligen Geistes verwechseln, die allerdings niemals im Gegensatz zur Lehre der Kirche steht.
Was hinter all dem sichtbar wird, ist deshalb ganz sicher nicht das Wirken des Geistes Gottes; es ist nichts anderes als eine erschreckende Krise des Glaubens.
Die Kirche ist zu einem Marketingprodukt geworden, das „gemanagt“ werden und das weiter hohe Kirchensteuermittel erwirtschaften soll. Keine Rede ist mehr davon, dass Jesus Christus der alleinige Herr der Kirche ist und dass Bischöfe wie Priester lediglich zu Arbeitern in seinem Weinberg und zu Verwaltern seines Eigentums bestellt sind.
Was man stattdessen hört, ist etwas völlig anderes, etwas wie: „Kirche, das sind wir.“ Oder: „Wir schaffen das.“ Vom Vertrauen auf Christus hört man dagegen nichts mehr. Dementsprechend betrachten nicht wenige Bischöfe die Kirche mittlerweile als eine schnöde „Nichtregierungsorganisation“ und meinen, sie könnten diese nach Gutdünken und eigener Façon „modernisieren“.
Was einst katholisch war, wird jetzt nur noch als Störfaktor der „Reformation 2.0“ wahrgenommen, der zweifellos zugutekommt, dass ohnehin kaum noch ein Katholik weiß, worin sein römisch-katholischer Glaube konkret besteht und worin eben nicht. Die Jahrzehnte fehlender Katechese haben im Glaubenswissen der Durchschnittsgläubigen ihre verderblichen Spuren hinterlassen, und manch einer wird an dieser Stelle verblüfft fragen: „Katechese? Was ist das eigentlich?“
Hinzu kommt: Der Religionsunterricht ist in den Schulen zu einem gesellschaftswissenschaftlichen Fach verkommen, das kaum noch katholische Inhalte behandelt, und auch an den staatlichen Hochschulen ist die „katholische“ Theologie völlig aus dem Ruder gelaufen. Dass sich einer aktuellen Umfrage nach 80 Prozent der Religionslehrer in Deutschland von der kirchlichen Lehre distanzieren, überrascht hier kaum noch. In vielen Bistümern ist die – nie erlaubte – Laienpredigt ebenso eine Normalität geworden wie die Tatsache, dass hier nur mehr subjektive Zerrbilder des katholischen Glaubens verkündet werden, sofern vom Glauben überhaupt noch die Rede ist.
Darüber hinaus nagen die beständigen Forderungen nach Frauenweihe, Interkommunion und Aufhebung des Zölibats an der Kernidentität des Katholischen, von einer Veränderung der Sexualmoral und einer Aufweichung des Ehesakraments gar nicht zu reden.
Insgesamt, so könnte man zusammenfassen, ist die Ausrichtung auf Gott hin der Nabelschau des Menschen gewichen; eine anthropozentrische Gegenkirche protestantischen Zuschnitts ist im Begriff die katholische Kirche zu ersetzen und unterwandert sie mit bischöflichem Segen seit viel zu langer Zeit. Zum äußeren Ausdruck dieser anthropozentrischen Wende ist nach einem Wort von Benedikt XVI. die Verkehrung der Zelebrationsrichtung in der Heiligen Messe geworden: Aus der Feier zum Herrn hin ist eine Feier zum Menschen hin geworden; wer nach einem greifbaren Symbol für die Misere der Kirche sucht, der findet es genau hier.
Dass man sich etwa in Deutschland vom Papst selbst ermutigt sieht, eine neo-protestantische Kirche aufzurichten, ist ganz sicher eine deutsche Fehleinschätzung. Der Traum Innozenz' III. aber ist zum Alptraum der Kirche im 21. Jahrhundert geworden.
Bereits im Jahr 1970 hat der spätere Papst Benedikt XVI. dies in seiner Schrift „Glaube und Zukunft“ vorausgeahnt. Vielleicht hat er den Traum Innozenz' III. und die Rettung der Kirche durch Franz von Assisi vor Augen gehabt, als er dort schrieb: „Die Zukunft der Kirche wird auch dieses Mal, wie immer, von den Heiligen neu geprägt werden. Von Menschen also, die mehr wahrnehmen als die Phrasen, die gerade modern sind. Die Kirche der Zukunft wird nicht von denen kommen, die sich nur dem jeweiligen Augenblick anpassen. Sie wird nicht von denen kommen, die nur andere kritisieren, aber sich selbst als unfehlbaren Maßstab annehmen. Sie wird also auch nicht von denen kommen, die nur den bequemen Weg wählen (…) Es wird eine verinnerlichte Kirche sein, die nicht auf ihr politisches Mandat pocht und mit der Linken so wenig flirtet wie mit der Rechten.“
Wie alle Propheten ist Papst Benedikt XVI. in seiner Heimat am schlechtesten aufgenommen worden. Die banale „Wir sind Papst“-Folklore ist einer breiten Rezeption seiner Werke im Grunde nie gewichen, und es überrascht kaum, dass man zuletzt in München einmal mehr versucht hat, ihn nachhaltig zu demontieren.
Die große Botschaft des bedeutendsten Theologen seit Gregor dem Großen blieb in Deutschland ungehört, wo man das Geschenk eines deutschen Papstes über Jahre hinweg hochmütig ignoriert hat.
Dass nur die Heiligen die Kirche prägen und sie erneuern, werden die Reformatoren des „Synodalen Weges“ so allenfalls nur mit einem selbstgefälligen Lächeln quittieren, während sie sich weiters an der Zerstörung der Kirche abarbeiten. Viel mehr als ihren leeren Worten dürfen wir aber dem Blick Benedikts XVI. in die Zukunft trauen: Die Kirche wird ganz sicher nur von den Heiligen geprägt - und sie wird nur von ihnen gerettet!
Dr. Joachim Heimerl (siehe Link) ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat.
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