26. März 2022 in Kommentar
„Konkurrierende päpstliche Verfügungen schaden der Einheit der Kirche viel mehr, als dies zwei Formen des einen Römischen Ritus tun.“ Gastkommentar von Joachim Heimerl
Wien (kath.net) Wer glaubt, nur deutsche Bischöfe würden in letzter Zeit höchst schräge Ansichten vertreten, der irrt leider. Das Übel, die eigene Meinung mit der Lehre der Kirche oder mit päpstlichen Anordnungen zu verwechseln, tritt in Gestalt von Erzbischof Arthur Roche derzeit auch in Rom auf. So fällt der neue Liturgiepräfekt vermehrt mit heftigen Attacken gegen die überlieferte Form der Heiligen Messe auf, die er jüngst als „unvereinbar“ mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bezeichnete.
Auf mehr als auf seine bloße „Meinung“ konnte sich der Erzbischof hierbei freilich nicht berufen und diese „Meinung“ kann man kurz und bündig als das bezeichnen, was sie ist: Sie ist schlicht falsch, und zwar so falsch, wie es auch Roches Auffassung vom Konzil ist.
Allerdings wird man Roche zugeben müssen, dass das Zweite Vatikanum weithin als das gilt, was es nie gewesen ist, nämlich als eine Art modernes „Superkonzil“.
Während jedoch schon Joseph Ratzinger vor Jahrzehnten auf diese ebenso falsche wie weit verbreitete Auffassung hingewiesen hat, hat sich der verklärte Nimbus des Zweiten Vatikanums inzwischen gemeinhin von der Wirklichkeit abgelöst und nahezu vollständig verfestigt. Das „Pastoralkonzil“ ist so zum Inbegriff eines „Reformkonzils“ geworden. Dabei enthalten gerade die Konzilsdokumente überhaupt keine umstürzenden Beschlüsse zu einer Kirchen- und Liturgiereform, und auch die Wirksamkeit des Konzils blieb hinter derjenigen bedeutenderer Konzile (IV. Laterankonzil, Trienter Konzil) weit zurück. So könnte etwa nur ein Blinder übersehen, dass die Reformimpulse, die schließlich im Nachgang des Konzils erfolgt sind, gründlich versagt haben: Beispielsweise haben sich die Kirchen – anders als erhofft – immer mehr geleert, während die der liturgischen Tradition verbundenen Gemeinschaften gewachsen sind. Gleichermaßen verhielt es sich mit den Zahlen der Weihekandidaten.
Blickt man auf das Konzil lediglich sehr nüchtern als das, was es war, ergibt sich gerade in Bezug auf die Liturgie ein völlig anderes Bild als dasjenige, das Roche entwirft: Weder hat das Zweite Vatikanum die Kirche neu erfunden, noch hat es einer „neuen“ Kirche eine ins sich völlig neue Liturgie übergestülpt, die mit der „alten“ nicht mehr kompatibel sein soll. Auch dass das Konzil „den Weg verändert habe, auf dem wir fortschreiten“, wie Roche sagt, ist ebenso falsch wie seine Auffassung, das Konzil habe mit „Lumen gentium“ eine Abkehr vom bisherigen Bild der Kirche vorgenommen. Überzeugende „Beweise“, die dies untermauern würden, bleibt Roche jenseits des Floskelhaften entsprechend schuldig.
So taugt gerade das Zweite Vatikanische Konzil nicht zu dem, wozu es Roche gebrauchen möchte, nämlich zum „Totschlagargument“ für die „alte Messe“.
Auch Papst Franziskus argumentiert in „Traditionis custodes“ übrigens keineswegs in diese Richtung, und gerade auf den Heiligen Vater kann sich Roche hier am wenigsten berufen. So besehen steht er mit seiner „Meinung“ ziemlich alleine da, und Roches Kampfansage gegen die „alte Messe“ dürfte auf dieser dünnen Basis letztlich ins Leere laufen. -Kein Geringerer als Friedrich Nietzsche aber nannte eine Meinung als bloße Meinung lediglich eine „Variante von Wahn“, und genau so darf man Roches Invektiven gegen die alte Messe auch verstehen.
In seiner ideologischen Abneigung gegen die überlieferte Form des römischen Ritus übersieht Roche jedoch eine sehr wichtige Frage, die seit „Traditionis custodes“ ungeklärt geblieben ist, nämlich die, wie sich dieses Motu proprio zur Bulle „Quo primum“ von Pius V. verhält. -Wie man weiß, hat Pius seinem Missale darin ewige Fortgeltung verliehen und genau aus diesem Grund konnte Paul VI. die „alte Messe“ so wenig abschaffen, wie es Franziskus getan hat.
Allerdings hat Pius ebenfalls unaufhebbar verfügt, dass keinem Priester jemals verboten werden kann, nach seinem Missale zu zelebrieren, was „Traditiones custodes“ indirekt jedoch sehr wohl tut. Konkurrierende päpstliche Verfügungen indes schaden der Einheit der Kirche viel mehr, als dies zwei Formen des einen Römischen Ritus tun. Insofern wäre es für die Kirche sehr viel besser, Erzbischof Roche würde hier zu einer verbindlichen Klärung beitragen, als einen Grabenkampf gegen die überlieferte Form des Heiligen Messe zu beginnen.
Dr. Joachim Heimerl (siehe Link) ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat.
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