Eine metaphysische Wette

24. März 2022 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: jenes aus der Zukunft Gottes kommende Licht, von dem die Hirtenkinder erfüllt waren, ist dasselbe Licht, das sich gezeigt hat, als die Zeit erfüllt war. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Vigiltag des Hochfestes der Verkündigung des Herrn. Neun Monate vor dem Geburtsfest des Herrn wird Papst Franziskus einen besonderen Akt vollziehen: er wird die Menschheit, Russland und die Ukraine dem unbeflecktem Herzen Mariens weihen. Franziskus erfüllt damit den Auftrag den die Gottesmutter vor rund 100 Jahren den kleinen einfachen Seherkindern in Fatima gegeben hat. Franziskus nimmt damit demütig die „metaphysische Wette“ gleichsam im Stil eines Blaise Pascal an. Keiner seiner Vorgänger, weder Benedikt XV. noch Pius XI., Pius XII., Johannes XXIII, Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II. oder Benedikt XVI., hat dies explizit getan. Nach acht Päpsten tut es Franziskus, verbunden mit einem Aufruf an alle Bischöfe und Priester der Kirche, ihm zu folgen, mit einem intensiven Weihegebet, mit dem er die von Gott abgefallene Menschheit unter dem Mantel der Gottesmutter und Königin des Friedens zurückführen will.

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Evangelium vom Donnerstag der dritten Woche der Fastenzeit (Lk 11,14-23)):

Jesus trieb einen Dämon aus, der stumm war. Es geschah aber: Als der Dämon ausgefahren war, da konnte der Mann reden. Alle Leute staunten. Einige von ihnen aber sagten: Mit Hilfe von Beelzebul, dem Herrscher der Dämonen, treibt er die Dämonen aus. Andere wollten ihn auf die Probe stellen und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. Doch er wusste, was sie dachten, und sagte zu ihnen: Jedes Reich, das in sich selbst gespalten ist, wird veröden und ein Haus ums andere stürzt ein. 18 Wenn also der Satan in sich selbst gespalten ist, wie kann sein Reich dann Bestand haben? Ihr sagt doch, dass ich die Dämonen mit Hilfe von Beelzebul austreibe. Wenn ich aber die Dämonen durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben dann eure Söhne sie aus? Deswegen werden sie eure Richter sein. 20 Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen. Solange ein bewaffneter starker Mann seinen Hof bewacht, ist sein Besitz sicher; wenn ihn aber ein Stärkerer angreift und besiegt, dann nimmt ihm der Stärkere seine ganze Rüstung, auf die er sich verlassen hat, und verteilt seine Beute. Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.

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Benedikt XVI., aus der Predigt am Aschermittwoch, 1. März 2006

Die Fastenzeit erinnert uns also daran, daß das Leben des Christen ein ununterbrochener Kampf ist, in dem die »Waffen« des Gebets, des Fastens und der Buße eingesetzt werden. Das Böse, jede Form von Egoismus und Haß bekämpfen und sich selbst entsagen, um in Gott zu leben, das ist der aszetische Weg, den jeder Jünger Jesu zu gehen berufen ist – mit Demut und Geduld, mit Großmut und Beharrlichkeit. Die gehorsame Nachfolge des göttlichen Meisters macht die Christen zu Zeugen und Aposteln des Friedens. Wir könnten sagen, daß diese innere Haltung uns hilft, auch besser deutlich zu machen, was die christliche Antwort auf die Gewalt sein muß, die den Frieden in der Welt bedroht. Sicher nicht Rache, Haß, ebensowenig Flucht in einen falschen Spiritualismus. Die Antwort dessen, der Christus nachfolgt, ist vielmehr, den Weg zu gehen, den er gewählt hat, als er angesichts der Übel seiner Zeit und aller Zeiten entschlossen das Kreuz auf sich nahm und den längsten, aber wirksamsten Weg der Liebe ging. Auf seinen Spuren und mit ihm vereint müssen wir alle uns bemühen, dem Bösen mit dem Guten, der Lüge mit der Wahrheit, dem Haß mit der Liebe zu begegnen. In der Enzyklika Deus caritas est wollte ich diese Liebe als das Geheimnis unserer persönlichen und kirchlichen Umkehr vorstellen. Mit dem Hinweis auf die Worte des Paulus an die Korinther »Die Liebe Christi drängt uns« (2 Kor 5,14) betonte ich: »Die Erkenntnis, daß in ihm Gott selbst sich für uns verschenkt hat bis in den Tod hinein, muß uns dazu bringen, nicht mehr für uns selber zu leben, sondern für ihn und mit ihm für die anderen« (Nr. 33).

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Benedikt XVI., 13. Mai 2010: Apostolische Reise nach Portugal anlässlich des 10. Jahrestages der Seligsprechung der Hirtenkinder von Fatima, Jacinta und Francisco – heilige Messe im Heiligtum von Fatima:

Liebe Pilger!

„Ihre Nachkommen werden bei allen Nationen bekannt sein […] Das sind die Nachkommen, die der Herr gesegnet hat“ (Jes 61,9). Diese Worte, mit denen die erste Lesung dieser Eucharistiefeier begonnen hat, finden ihre wunderbare Erfüllung in dieser gottesdienstlichen Gemeinschaft, die sich so andächtig zu Füßen der Gottesmutter versammelt hat. Liebe Schwestern und Brüder, auch ich bin als Pilger nach Fatima gekommen, zu diesem „Haus“, das Maria erwählt hat, um in unserem modernen Zeitalter zu uns zu sprechen. Ich bin nach Fatima gekommen, um mich an der Gegenwart Marias und ihrem mütterlichen Schutz zu erfreuen. Ich bin nach Fatima gekommen, weil die pilgernde Kirche, die ihr Sohn als Werkzeug der Evangelisierung und Sakrament des Heils stiften wollte, am heutigen Tag an diesem Ort zusammenströmt. Ich bin nach Fatima gekommen, um mit Maria und so vielen Pilgern für unsere Menschheit zu beten, die von Leid und Not geplagt wird. Und schließlich bin ich mit den gleichen Gefühlen nach Fatima gekommen, von denen auch die seligen Francisco, Jacinta und die Dienerin Gottes Lucia erfüllt waren, um der Gottesmutter vertrauensvoll zu bekennen, daß ich Jesus „liebe“, daß die Kirche und die Priester Jesus „lieben“ und ihren Blick fest auf ihn richten wollen. Zudem möchte ich zum Abschluß des Priesterjahres die Priester, die Männer und Frauen des geweihten Lebens, die Missionare und alle Menschen, die Gutes tun und so das Haus Gottes zu einem gastfreundlichen und angenehmen Ort werden lassen, dem mütterlichen Schutz Marias anempfehlen.

„Das sind die Nachkommen, die der Herr gesegnet hat…“ Eine vom Herrn gesegnete Nachkommenschaft bist du, geliebte Diözese Leira-Fatima, mit deinem Hirten Bischof Antonio Marto, dem ich für das Wort des Grußes danke, das er zu Beginn dieses Gottesdienstes an mich gerichtet hat, und für die Fürsorge, die er mir in diesem Heiligtum auch durch seine Mitarbeiter entgegenbringt. Ich grüße den Herrn Staatspräsidenten und alle weiteren Vertreter des öffentlichen Lebens, die im Dienst dieser ruhmreichen Nation stehen. Im Geiste schließe ich alle Diözesen Portugals, die hier durch ihre Bischöfe vertreten sind, in die Arme und vertraue alle Völker und Nationen der Erde dem Schutz des Himmels an. In Gott trage ich alle ihre Söhne und Töchter in meinem Herzen, vor allem jene, die Situationen der Not und Verlassenheit durchleben, und möchte ihnen jene große Hoffnung vermitteln, von der mein Herz erfüllt ist und die hier an diesem Ort gleichsam greifbar zu spüren ist. Diese unsere große Hoffnung möge Wurzeln fassen im Leben eines jeden von euch, liebe hier versammelte Pilger, sowie all jener, die durch die sozialen Kommunikationsmittel mit uns verbunden sind.

Ja, der Herr ist unsere große Hoffnung, er ist bei uns. In seiner barmherzigen Liebe gibt er seinem Volk eine Zukunft: eine Zukunft in Gemeinschaft mit ihm. Das Volk Gottes, das die Erfahrung der Barmherzigkeit und des Trostes Gottes gemacht hat, der es bei seiner beschwerlichen Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft nicht alleingelassen hat, ruft aus: „Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott“ (Jes 61,10). Die erhabenste Tochter dieses Volkes ist die Jungfrau und Gottesmutter von Nazaret, die Begnadete, die über das Wirken Gottes in ihrem jungfräulichen Schoß erstaunt war. Und auch sie bringt eben diese Freude und Hoffnung im Gesang des Magnifikat zum Ausdruck: „Mein Geist jubelt über Gott meinen Retter“. Dabei sieht sie sich aber nicht als Privilegierte inmitten eines unfruchtbaren Volkes, sondern sie sagt ihnen vielmehr die süßen Freuden einer wunderbaren Gottesmutterschaft voraus, denn „er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ (Lk 1,47.50).

 

Beredtes Zeichen hierfür ist dieser heilige Ort. In sieben Jahren werdet ihr euch erneut hier einfinden zur Feier des hundertsten Jahrestages der ersten Erscheinung jener Frau, die „vom Himmel gekommen ist“ und als Lehrerin die Seherkinder in die innerste Erkenntnis der dreifaltigen Liebe einführt und sie dazu anleitet, sich an Gott als dem schönsten Gut ihres Lebens zu erfreuen.

Durch diese gnadenvolle Erfahrung haben sie zur Liebe Gottes in Jesus gefunden, so daß Jacinta ausrufen konnte: „Es bereitet mir so große Freude, Jesus zu sagen, daß ich ihn liebe! Wenn ich es ihm mehrmals sage, dann habe ich den Eindruck, ich hätte ein Feuer in der Brust, das mich aber nicht verbrennt“. Und Francisco sagte: „Am meisten hat es mir gefallen, unseren Herrn in jenem Licht zu sehen, das unsere Mutter uns ins Herz gelegt hat. Ich habe Gott so lieb! (Memorias da Irmã Lúcia [Erinnerungen von Schwester Lucia], I, 40 und 127).

Brüder und Schwestern, wenn wir diese unschuldigen und tiefsinnigen mystischen Bekenntnisse der Hirtenkinder hören, könnte manch einer angesichts dessen, was sie gesehen haben, mit ein wenig Neid auf sie blicken oder mit der enttäuschten Resignation jener, denen dieses Glück nicht zuteil geworden ist, die aber trotzdem gerne sehen würden. Jenen Menschen sagt der Papst mit den Worten Jesu: „Ihr irrt euch, denn ihr kennt weder die Schrift noch die Macht Gottes“ (Mk 12,24). Die Heilige Schrift lädt uns zum Glauben ein: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29), doch Gott – der tiefer ist als unser eigenes Innerstes (vgl. hl. Augustinus, Bekenntnisse, III, 6,11) – hat die Macht, – vor allem durch die inneren Sinne – zu uns vorzudringen, so daß die Seele sanft berührt wird von einer Realität, die über das sinnlich Wahrnehmbare hinausgeht und sie befähigt, zum Nichtsinnlichen zu gelangen, zu dem, was den menschlichen Sinnen nicht zugänglich ist. Hierzu bedarf es einer inneren Wachheit des Herzens, die unter dem Druck der gewaltigen äußeren Wirklichkeiten und der die Seele erfüllenden Bilder und Gedanken meistens nicht gegeben ist (Theologischer Kommentar zur Botschaft von Fatima, 2000). Ja, Gott kann uns erreichen, indem er sich unserer inneren Schau darbietet.

Zudem ist jenes aus der Zukunft Gottes kommende Licht, von dem die Hirtenkinder erfüllt waren, dasselbe Licht, das sich gezeigt hat, als die Zeit erfüllt war, und das für alle gekommen ist: der menschgewordene Sohn Gottes. Daß er die Macht hat, auch die kältesten und traurigsten Herzen zu entflammen, sehen wir an den Emmausjüngern (vgl. Lk 24,32). Unsere Hoffnung hat daher eine reale Grundlage, denn sie beruht auf einem Ereignis, das in der Geschichte geschehen ist und sie zugleich übersteigt, nämlich Jesus von Nazaret. Die Begeisterung, die seine Weisheit und sein Heilswirken bei den Menschen seiner Zeit hervorrief, war so groß, daß – wie wir im Evangelium gehört haben – eine Frau aus der Menge rief: „Selig die Frau, deren Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat.“ Jesus aber erwiderte: „Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen“ (Lk 11,27.28). Doch wer nimmt sich die Zeit, sein Wort zu hören und sich von seiner Liebe ergreifen zu lassen? Wer wacht mit betendem Herzen in der Nacht des Zweifels und der Ungewißheit? Wer erwartet das Morgengrauen des neuen Tages, ohne dabei die Flamme des Glaubens verlöschen zu lassen? Der Glaube an Gott läßt den Menschen offen werden für eine sichere Hoffnung, die nicht enttäuscht; er gibt ihm ein festes Fundament, auf dem er sein Leben furchtlos aufbauen kann; er verlangt von ihm, daß er sich vertrauensvoll der göttlichen Liebe überantwortet, von der die Welt getragen wird.

„Ihre Nachkommen werden bei allen Nationen bekannt sein […] Das sind die Nachkommen, die der Herr gesegnet hat“ (Jes 61,9): Er hat sie gesegnet mit einer unerschütterlichen Hoffnung, aus der die Frucht einer Liebe hervorgeht, die sich für die anderen aufopfert, statt sie zu opfern; vielmehr gilt, was wir in der zweiten Lesung gehört haben: „Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand (1 Kor 13,7). Ein anspornendes Beispiel hierfür sind die Hirtenkinder, die ihr Leben für Gott hingegeben und es aus Liebe zu Gott mit ihren Nächsten geteilt haben. Die Gottesmutter hat ihnen geholfen, ihre Herzen der Universalität der Liebe zu öffnen. Vor allem die selige Jacinta war unermüdlich in ihrer Sorge um die Armen und in ihrem aufopferungsvollen Wirken für die Bekehrung der Sünder. Nur mit dieser von Brüderlichkeit und Anteilnahme beseelten Liebe wird es uns gelingen, die Zivilisation der Liebe und des Friedens aufzubauen.

Wer glaubt, daß die prophetische Mission Fatimas beendet sei, der irrt sich. Hier an diesem Ort wird jener Plan Gottes wieder lebendig, der die Menschheit seit frühesten Zeiten mit der Frage konfrontiert: „Wo ist dein Bruder Abel? […] Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden“ (Gen 4,9). Dem Menschen ist es gelungen, einen Kreislauf des Todes und des Schreckens zu entfesseln, den er nicht mehr zu durchbrechen vermag… In der Heiligen Schrift ist häufig davon die Rede, daß Gott nach Gerechten sucht, um die Stadt der Menschen zu retten, und ebendies tut er hier, in Fatima, wenn die Muttergottes die Frage stellt: „Wollt ihr euch Gott hingeben, um alle Leiden ertragen zu können, die er euch aufzubürden gedenkt, als Sühne für die Sünden, durch die er geschmäht wird, und als flehentliche Bitte um die Bekehrung der Sünder?“ (Memorias da Irmã Lúcia [Erinnerungen von Schwester Lucia], I, 162).

In Anbetracht einer Menschheitsfamilie, die bereit ist, ihre heiligsten Pflichten auf dem Altar kleinlicher Egoismen im Namen der Nation, Rasse, Ideologie, Gruppe oder des Individuums zu opfern, ist unsere gebenedeite Mutter vom Himmel herabgekommen, um all jenen, die sich ihr anvertrauen, voller Hingabe die göttliche Liebe ins Herz zu legen, die auch in ihrem Herzen brennt. Zu jener Zeit waren es nur drei Personen, deren Lebensbeispiel sich – insbesondere durch die Weitergabe der Wandermuttergottes – in zahllosen Gruppen auf der ganzen Erde verbreitet und vermehrt hat, die sich dem Anliegen brüderlicher Solidarität widmen. Möge in den sieben Jahren, die uns noch vom hundertsten Jahrestag der Erscheinungen trennen, der angekündigte Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit näherkommen.

 


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