Der Osterfriede und Dostojewskis Legende vom Großinquisitor

13. April 2022 in Aktuelles


Franziskus: der Übergang zur Verpflichtung, den Frieden Jesu konkret zu bezeugen. Der Krieg dieser Tage: ein Frevel an Gott, ein blasphemischer Verrat am Herrn von Ostern. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht“ (Joh 14,27).

Vierzehnte Generalaudienz des Jahres 2022 mit Pilgern und Besuchern in der Aula „Paolo VI“. Papst Franziskus konzentrierte sich in seiner Katechese auf das Geschehen der österlichen Geheimnisse.

Wir befänden uns also mitten in der Karwoche. Am Palmsonntag „jubelten die Menschen, weil sie in Jesus den König sahen, der ihrer Erwartung nach durch sein machtvolles Eingreifen endlich den ersehnten Frieden herbeiführen würde“.

Aber schon wenige Tage später werde deutlich, dass Jesus auf eine ganz andere Art Frieden in die Welt bringen werde: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch“ (Joh 14,27). Der Friede des Herrn komme auf dem Weg der Sanftmut, auf dem Weg des Kreuzes. Christus nehme alles Schlechte, unsere Sünde und unseren Tod, auf sich.

Sein Friede sei nicht Ergebnis von Kompromissen, sondern Frucht der liebenden Hingabe seiner selbst. Mit dieser Art von Frieden „haben wir Menschen unsere Schwierigkeiten“, so der Papst. Die Menge, die Jesus erst zujuble, seit dieselbe, die später schreie: „Kreuzige ihn“.

Die Waffen des Evangeliums seien das Gebet, die Zärtlichkeit, die Vergebung und die Nächstenliebe, die keinen Lohn erwarte. So komme Gottes Frieden in die Welt. Jeder Krieg sei deshalb unvereinbar mit dem Weg, den der Herr uns vorausgegangen sei und dem zu folgen er uns einlädt, wenn er am Ostermorgen den Seinen gleich zweimal zurufe: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19.21).

In diesem Zusammenhang sei eine von Dostojewskis großen Geschichten, die so genannte Legende vom Großinquisitor, immer noch aktuell. Sie erzähle von Jesus, der nach mehreren Jahrhunderten auf die Erde zurückkehre. Er werde sofort von der festlichen Menge begrüßt, die ihn erkenne und bejuble. Doch dann werde er vom Inquisitor verhaftet, der die weltliche Logik vertrete. Der Inquisitor befrage ihn und kritisiere ihn heftig. Der letzte Grund für den Tadel sei, „dass Christus, obwohl er dazu in der Lage war, niemals zum Cäsar, dem größten König dieser Welt, werden wollte, sondern den Menschen lieber in Freiheit ließ, als ihn zu unterjochen und seine Probleme mit Gewalt zu lösen“.

Er hätte den Frieden in der Welt herstellen können, indem er das freie, aber unsichere Herz des Menschen mit der Kraft einer höheren Macht beuge, aber er wollte es nicht: „Du", sage der Inquisitor zu Jesus, „hättest, indem du die Welt und den Purpur der Cäsaren angenommen hättest, das universelle Reich gegründet und den universellen Frieden gegeben“ (Die Brüder Karamasow). Und mit einem peitschenden Satz schließe er: „wenn es jemanden gibt, der unsere Verbrennung mehr als jeder andere verdient hat, dann bist du es“. Das sei die Täuschung, die sich in der Geschichte wiederhole, die Versuchung eines falschen, auf Macht basierenden Friedens, der dann zu Hass und Verrat an Gott führt.

Am Ende wolle der Inquisitor, dass Jesus etwas zu ihm sage, vielleicht sogar etwas Bitteres, etwas Schreckliches. Doch Christus reagiere mit einer süßen und konkreten Geste: „Er nähert sich ihm schweigend und küsst ihn sanft auf seine alten, blutlosen Lippen“. Der Friede Jesu überwältige die anderen nicht, er sei niemals ein bewaffneter Friede. Die Waffen des Evangeliums seien so das Gebet, die Zärtlichkeit, die Vergebung und die unentgeltliche Liebe zum Nächsten, zu jedem Nächsten:

„So bringen wir den Frieden Gottes in die Welt. Deshalb ist die bewaffnete Aggression dieser Tage, wie jeder Krieg, ein Frevel an Gott, ein blasphemischer Verrat am Herrn von Ostern, eine Bevorzugung seines sanften Antlitzes gegenüber dem des falschen Gottes dieser Welt“.

Vor seinem letzten Pascha sage Jesus zu seinen Jüngern: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht“ (Joh 14,27). Ja, denn „während die weltliche Macht nur Zerstörung und Tod hinterlässt, baut sein Friede die Geschichte auf, ausgehend vom Herzen eines jeden Menschen, der ihn aufnimmt“. Ostern sei also das wahre Fest Gottes und der Menschen, denn der Friede, den Christus am Kreuz durch seine Selbsthingabe errungen habe, werde an uns weitergegeben.

„Brüder, Schwestern“, so Franziskus abschließend, „Ostern bedeutet ‚Übergang’. Es ist, besonders in diesem Jahr, die gesegnete Gelegenheit, vom weltlichen Gott zum christlichen Gott überzugehen, von der Gier, die wir in uns tragen, zur Liebe, die uns frei macht, von der Erwartung eines gewaltsam herbeigeführten Friedens zur Verpflichtung, den Frieden Jesu konkret zu bezeugen. Stellen wir uns vor den Gekreuzigten, die Quelle unseres Friedens, und bitten wir ihn um Frieden im Herzen und Frieden in der Welt“.

Die Pilger und Besucher sowie die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Liebe Gläubige deutscher Sprache, ich lade euch ein, in den liturgischen Feiern des österlichen Triduums den Weg des Herrn innerlich mitzugehen – diesen Weg der liebevollen Selbsthingabe, der zu jenem wahren Frieden führt, den der Herr für uns möchte.

 


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