27. April 2022 in Aktuelles
Franziskus: Glaube und Liebe können alle Schwierigkeiten der unterschiedlichen Generationen und familiären Konstellationen wie auch ethnisch, kulturell und religiös bedingte Hindernisse überwinden. Von Armin Schwibach
Rom (kath.net/as) „Noomi sagte zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Kehrt doch beide heim zu euren Müttern! Der Herr erweise euch Güte, wie ihr sie den Toten und mir erwiesen habt. – Rut antwortete: Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren! Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein. Der HERR soll mir dies und das antun - nur der Tod wird mich von dir scheiden“ (Rut 1, 8.16-17).
Sechzehnte Generalaudienz des Jahres 2022 mit Pilgern und Besuchern auf dem Petersplatz. Papst Franziskus setzte seine Katechesenreihe zum Alter fort. Die siebte Katechese stand unter dem Thea: „Noomi, das Bündnis zwischen den Generationen, das die Zukunft eröffnet“.
Der Papst ließ sich also von dem kleinen biblischen Buch Rut inspirieren. Das Gleichnis von Rut beleuchte die Schönheit familiärer Bindungen: Sie entstünden durch die Beziehung des Paares, gehen aber auch darüber hinaus. Bindungen der Liebe, die ebenso stark sein könnten, in denen die Vollkommenheit jenes Polyeders grundlegender Zuneigungen, die die Familiengrammatik der Liebe bildente, ausstrahle. Diese „Grammatik“ bringe Herzblut und generative Weisheit in die Gesamtheit der Beziehungen, die die Gemeinschaft bildeten. Verglichen mit dem Hohelied sei das Buch Rut wie die andere Tafel des Diptychons der bräutlichen Liebe; „genauso wichtig und unerlässlich ist es, die Kraft und Poesie zu feiern, die den Banden der Generationen, der Verwandtschaft, der Hingabe und der Treue innewohnen müssen, die die gesamte Familienkonstellation umschließen“.
Die Lesung bringe mit wenigen Worten die innige und liebevolle Beziehung zwischen der Jüdin Noomi und ihren beiden moabitischen Schwiegertöchtern zum Ausdruck.
Die Bibel widerlege hier nicht nur – wie so oft – ein gängiges Klischee, die Geschichte von Noomi und Rut könne uns vieles über den Generationen übergreifenden Zusammenhalt in der Familie vermitteln. Aus Liebe und Fürsorge zu ihren verwitweten Schwiegertöchtern „hatte Noomi ihnen geraten, nicht mit ihr nach Israel zu ziehen, sondern in ihrem eigenen Land erneut zu heiraten und sich so eine Zukunft aufzubauen“. Noomi glaube nicht daran, dass es den beiden in der Fremde gut ergehen könne.
Rut jedoch widerspreche dieser Mutlosigkeit ihrer Schwiegermutter. Ja, manchmal zeigr das Alter solch eine Tendenz zum Pessimismus – und die junge Generation tue gut daran, dem liebevoll aber bestimmt entgegenzuwirken. Noomi gelinge es dann tatsächlich, ihre Verzagtheit zu überwinden, sie ergreife schließlich sogar selbst die Initiative und gänzlich uneigennützig ermutige sie nun ihrerseits Rut, die eigene Zukunft in die Hand zu nehmen, mit ihr in die Fremde zu ziehen und dort erneut zu heiraten.
So werde Noomi noch im Alter indirekt zur Entstehung einer neuen Generation beitragen. Glaube und Liebe könnten alle Schwierigkeiten der unterschiedlichen Generationen und familiären Konstellationen wie auch ethnisch, kulturell und religiös bedingte Hindernisse überwinden.
Tatsächlich werde nun Noomi, die von Ruts Engagement bewegt sei, ihren Pessimismus überwinden und sogar die Initiative ergreifen, um Rut eine neue Zukunft zu eröffnen. Sie instruiere und ermutige Rut, die Witwe ihres Sohnes, einen neuen Ehemann in Israel zu gewinnen. Der Kandidat beweise seinen Edelmut, indem er Rut vor den Männern, die bei ihm arbeiten, verteidige: „leider ist dies ein Risiko, das auch heute besteht“.
Ruts neue Ehe werde gefeiert und die Welten seien wieder in Frieden. Die Frauen Israels sagten Noomi, dass Rut, die Fremde, mehr wert sei als sieben Söhne“ und dass die Heirat ein „Segen des Herrn“ sein werde. Noomi werde in ihrem hohen Alter die Freude erleben, an der Entstehung einer neuen Geburt teilzuhaben. „Seht, wie viele ‚Wunder’ die Umkehr dieser alten Frau begleiten!“, so der apst: „sie bekehrt sich zu der Verpflichtung, sich mit Liebe für die Zukunft einer Generation zur Verfügung zu stellen, die von Verlusten verwundet und von Verlassenheit bedroht ist. Die Fronten der Neuzusammensetzung sind dieselben, die nach den Wahrscheinlichkeiten der Vorurteile des gesunden Menschenverstandes zu unüberwindbaren Brüchen führen sollten“.
Stattdessen ermöglichten Glaube und Liebe ihre Überwindung: „die Schwiegermutter überwindet ihre Eifersucht auf den eigenen Sohn, indem sie Ruts neue Verbindung liebt. Die Frauen Israels überwinden ihr Misstrauen gegenüber dem Fremden (und wenn die Frauen es tun, werden es alle tun). Die Verletzlichkeit des alleinstehenden Mädchens, das der Macht des Mannes gegenübersteht, wird durch eine Verbindung voller Liebe und Respekt versöhnt“.
„Und das alles also nur“ so Franziskus abschließend, „weil die junge Rut hartnäckig an einer Verbindung festgehalten hat, die ethnischen und religiösen Vorurteilen ausgesetzt ist. Und das alles nur, weil die ältere Noomi die Initiative ergreift, um Rut eine neue Zukunft zu eröffnen, anstatt nur ihre Unterstützung zu genießen“. Wenn die jungen Menschen sich der Dankbarkeit für das, was sie erhalten hätten, öffneten und die alten Menschen die Initiative ergriffen, um ihre Zukunft neu zu gestalten, „kann nichts das Aufblühen des Segens Gottes unter den Völkern aufhalten! Möge Gott uns gewähren, dass wir Zeugen und Vermittler dieses Segens sind!“.
Die Pilger und Besucher sowie die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:
Von Herzen grüße ich die Pilger deutscher Sprache. In den Evangelien dieser österlichen Tage hören wir vielfach, wie der Auferstandene sich den unterschiedlichsten Menschen zeigt und ihnen neue Hoffnung und neues Leben schenkt. Ich wünsche auch euch die Erfahrung seiner lebendigen und neu belebenden Gegenwart!
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