„Die heiligen Weihen ruhen auf einem festen christologischen Grund“

9. Mai 2022 in Spirituelles


„Beim deutschen Synodalen Weg wurde die Existenz des Weihesakramentes in der katholischen Kirche zur Disposition gestellt. Aber…“ Homilie zur Diakonen- und Priesterweihe in Courtalain. Von Gerhard Card. Müller


Courtalain (kath.net) Kardinal Müller hat diese Predigt am 7.5.2022 bei der Diakonen- und Priesterweihe im Priesterseminar Saint-Vincent-de-Paul in Courtalain (Region Centre-Val de Loire) gehalten. kath.net dankt für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung.

Beim deutschen Synodalen Weg wurde die Existenz des Weihesakramentes in der katholischen Kirche zur Disposition gestellt. Dahinter steht die Meinung, eine beliebige Anzahl von Laien und Bischöfen könnten über die apostolische Lehre und Verfassung der katholischen Kirche entscheiden nach dem eigenen Gutdünken und dem Beifall der Mehrheit. Es gebe nicht die einmalige Offenbarung Gottes in Jesus Christus und ihre definitive Erkenntnis gemäß der Lehre der Apostel. Im Sinne der modernistischen Hermeneutik wird nur eine allgemeines Gefühl für die Transzendenz vorausgesetzt. Selbst das Person-Sein Gottes und damit ein tatsächliches Sprechen zu seinem auserwählten Volk sei nur eine von beliebig vielen menschlichen Vorstellung vom unerkennbaren Absoluten. Die Dogmen der Kirche gelten diesen agnostischen Relativisten darum nur als wandelbare und zeitbedingte Objektivationen des unbestimmten religiösen Grundgefühls.

Der katholische Glaube richtet sich aber auf die eschatologische Selbstoffenbarung Gottes in der Menschwerdung seines Sohnes Jesus Christus und in der Ausgießung des Heiligen Geistes über alle Menschen. Das Heilswerk des dreifaltigen Gottes ist darum lebendig gegenwärtig in der Lehre der Kirche, ihrem geistlichen und sittlichen Leben und in ihrer sakramentalen Liturgie. „Die Aufgabe aber, das (in der Heiligen Schrift) geschriebene oder (in der Apostolischen Tradition überlieferte) Wort Gottes auszulegen, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche (d.h. dem Papst und den Bischöfen in der apostolischen Sukzession) anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Christi ausgeübt wird.“ (II. Vaticanum. Dei verbum 10). Im Hinblick auf die Getauften, die an der Auferstehung Christi Anteil haben und mit ihm in Ewigkeit herrschen und die deswegen „Priester Gottes und Christi“ (Offb 20,6) genannt werden, erklärte schon der hl. Augustinus: „Das bezieht sich natürlich nicht auf die Bischöfe und Priester, die heutzutage Priester im eigentlichen Sinne genannt werden (qui proprie iam vocantur in ecclesia sacerdotes), sondern alle bezeichnen wir als Priester (sacerdotes), weil sie Glieder des einen Priesters sind, so wie wir auch alle als Gesalbte (christos/christianos) bezeichnen im Hinblick auf das geheimnisvolle Chrisma (= die Salbung mit dem Heiligen Geist).“ (De civitate Dei XX, 10).

Wer kann noch Zweifel haben an der Stiftung eines apostolischen Dienstamtes, in dem die von Christus selbst berufenen Jünger teilhaben an seiner messianischen Sendung und Weihe, wenn er in der Heiligen Schrift liest: „Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie die Schafe, die keinen Hirten haben. Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter auszusenden für seine Ernte.“ (Mt 9, 36).

Dieses eine Amt der berufenen Apostel Jesu Christi hat sich urkirchlich ausgefaltet hat in die Stufen des Bischofs, der Presbyter und der Diakone. Übertragen wird es durch die sakramentale Handauflegung und das Weihegebet. Der Apostel Paulus erinnert die Bischöfe und Presbyter daran, dass sie vom Heiligen Geist zu Hirten eingesetzt sind, um für die Kirche des Herrn zu sorgen (vgl. Apg 20, 28). Sie handeln nicht in eigener Autorität, sondern in der Person Christi, des Hauptes der Kirche, wenn sie in der Predigt das Wort Gottes verkünden, in der Liturgie Gott verherrlichen und als gute Hirten sein Heil den Menschen sakramental vermitteln ( II. Vaticanum, Presbyterorum ordinis 2; Lumen gentium 28).

Man fragt sich wie Martin Luther und alle, die ihm folgen, den Unterschied zwischen dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen und dem priesterlichen Charakter des apostolischen Dienstes leugnen konnte? Was war der Grund seiner tendenziösen und skandalösen Fehlinterpretation einer Stelle im Ersten Petrusbrief? Dort wird die Kirche Christi nach dem Vorbild des Gottesvolkes Israel als „königliche Priesterschaft“ und Gottes besonderes Eigentum charakterisiert, um die großen Taten Gottes zu verkünden, der uns aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat (vgl. 1 Petr 2, 9; Offb 1, 6; 20,6). Denn durch die Taufe sind wir Glieder am Leib Christi geworden. Darum gilt uns allen der Aufruf: „ Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen.“ (1 Petr 2, 5).

Da in demselben Brief der Apostel Petrus die Presbyter der Kirche als Hirten im Namen des obersten Hirten, nämlich Christi „des Hirten und Bischofs eurer Seelen“ (1 Petr 5, 5, 4; 2, 25) bezeichnet, ist die katholische Glaubenswahrheit von der Einheit des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen (d. h. nicht nur der Laien) und des hierarchischen, d.h. sakramentalen Priestertums (der Bischöfe und Presbyter) bestätigt. Es gibt eine differenzierte Teilhabe der ganzen Kirche, ihrer Gläubigen und Hirten am Hohenpriesterum Christi ( II. Vaticanum, Lumen gentium 10).

Nur wenn man nicht die Analogie in der Definition des Priesterlichen beachtet, kommt es auch sachlich zu einer Konfusion in der Anwendung der Kategorie des „Priesterlichen“ entweder auf die alleinige Erlösung der Menschen durch den Hohenpriester Christus oder als Bezeichnung für die Teilhabe aller Gläubigen an seinem Heilsdienst für die Welt oder in Bezug auf die beiden priesterlichen Amtsstufen von Bischof und Presbyter, die mit dem Diakonat das eine und unteilbare Weihesakrament darstellen. Dass der Bischof und Presbyter dann auch in der griechisch- und lateinischsprachigen Liturgie als hiereus oder sacerdos bezeichnet werden, hat nicht das Geringste mit einer Anleihe an dem Opferkult der heidnischen Priester zu tun, die Mittelspersonen zu ihren Göttern oder Götzendiener sind.

Weil sich in der Eucharistie die sakramentale Vergegenwärtigung des einmaligen Kreuzesopfers Christi vollzieht, ist in ihrer liturgische Feier der Bischof der Hirte der Herde Gottes, der im Namen des Hohenpriesters Christus die Gaben der Kirche darbringt, worin die Gläubigen in die Hingabe Christi an den Vater einbezogen werden. So hatte es schon Hippolyt in seiner Traditio Apostolica zu Beginn des 3. Jahrhunderts ausdrücklich formuliert (TA 3).

Die exegetische Fehlleistung Luthers mit der Folge einer Abspaltung großer Teile der Christenheit von der Einheit der katholischen Kirche, hat ihren Grund in dem dogmatischen Vorurteil, dass die katholische Lehre die hl. Messe als zusätzliches Opfer zum Kreuzesopfer Christi verstehen würde. Das eucharistische Opfer der Kirche ist aber nichts anderes als die Einbeziehung der Gläubigen in die Hingabe Christi an den Vater und die Anteilhabe an der Liebe der drei göttlichen Personen. Vom Dienst der Priester (in den beiden Stufen Bischof und Presbyter) sagte aber schon lange vor Luther der hl. Thomas von Aquin ganz klar: „Die Priester des Neuen Bundes können Mittler genannt werden zwischen Gott und den Menschen, insofern sie Diener des wahren Mittlers sind, an dessen Statt sie die heilbringenden Sakramente den Menschen darbieten… Sie üben den Dienst des Mittlers also nicht principaliter et perfective aus, sondern nur ministerialiter et dispositive,“ (S.th. III q. 26 a.1 ).

Meine lieben Kandidaten für die Diakonen- und Priesterweihe!

Ihr seht also, dass die heiligen Weihen, die ihr heute durch die Hände des Bischofs als Nachfolger der Apostel empfangen werdet, auf einem festen christologischen Grund ruhen und in seiner sakramentalen Kirche verankert sind. Sie sind durch die Heilige Schrift und die Apostolische Tradition und durch die Autorität des kirchlichen Lehramtes gedeckt. Eure Erwählung, Berufung, Sendung und Autorisierung als Priester Christi wie auch als Hirten und Lehrer seiner Kirche geht persönlich auf Christus zurück. Durch das sakramentale Zeichen der Handauflegung und das Weihe-Gebet zu Dienern der Kirche bestellt, führt Ihr die Sendung des Christi fort. Nach seiner Auferstehung von den Toten hat er zu den Aposteln gesagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ und der sie anhauchte mit den Worten: „Empfangt den heiligen Geist. Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.“ (Joh 20, 21-23). Durch den Heiligen Geist werdet also ihr die geistliche Vollmacht erhalten, „im Namen Christi die Herde Christi durch das Wort und die Gnade Gottes zu weiden.“ (II. Vaticanum, Lumen gentium 11).

Die Kategorie des Diakonischen beschreibt nicht nur die erste der drei Weihegrade, sondern soll durchgehend in allen drei Weihestufen den ganzen Heilsdienst prägen. Besonders seien auch die Presbyter und Bischöfe daran erinnert, dass alle Hirten der Kirche nur dann nicht Mietlinge sind, wenn sie wie Christus, der gute Hirt, bereit sind, ihr Leben für seine Schafe hinzugeben (Joh 10, 11).

Der Weihetag ist ein Höhepunkt in Eurem Leben, denn er bezeichnet die definitive Übertragung der geistlichen Vollmacht zum Aufbau der Kirche Christi und zur Förderung des Reiches Gottes in dieser Welt. Er hat euch unwiderruflich in seinen Dienst gestellt, so dass ihr durch einen unverlierbaren Charakter ihm als Hirten, Lehrer und Priester gleichgestaltet worden seid. Aber Euer Weihetag wird ab morgen zeitlich in der Vergangenheit liegen. Damit ihr aus der Kraft des Sakramentes aktuell und zukünftig wirken könnt, rufe ich als Euer Weihe-Bischof jedem Einzelnen die Worte des hl. Paulus an seinen Schüler und Mitapostel ins Gedächtnis:

„Entfache die Gnade Gottes wieder, die Dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist! Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit…. Er hat den Tod vernichtet und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht durch das Evangelium, als dessen Verkünder, Apostel und Lehrer ich eingesetzt bin…. Als Vorbild gesunder Worte halte fest, was Du von mir gehört hast in Glaube und Liebe in Christus Jesus. Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt.“ ( 2 Tim 1, 6f., 10.13f). Amen.

Archivfoto Kardinal Müller (c) Emmanuel du Bourg de Luzençon


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