Creator Spiritus

3. Juni 2022 in Aktuelles


Eine Pfingstpredigt. Von Walter Kardinal Brandmüller


Rom (kath.net/wb/as)

“Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, es grünten und blühten Feld und Wald;

auf Hügeln und Höhen, in Büschen und Hecken übten ein fröhliches Lied - die neuermunterten Vögel. Jede Wiese sprosste von Blumen in duftenden Gründen...”

So der Dichter.

Und nun die Apostelgeschichte. Sie spricht nicht vom lieblichen Fest. Da ist von Feuer und Sturm die Rede. Doch - beides, Frühling der Natur wie Sturm und Feuer waren und sind Bild des Geistes Gottes, der Leben schafft und seine Braut, die Kirche Jesu Christi, mit seinem Licht und seiner Kraft erfüllt.

So singen wir denn heute “Komm Schöpfer Geist...” und wir sollten es laut und begeistert singen, denn heute ist alle Welt zwar um die Schöpfung besorgt, vom Schöpfer aber ist kaum noch die Rede.

Vor aller Schöpfung gilt es jedoch an “IHN” zu denken, “ohn’ den nichts ist, was ist, von dem wir alles haben”, wie ein Dichter sagt, an den Creator Spiritus, den Schöpfergeist.

Von Künstlern sagen wir, ihnen eigne schöpferische Kraft, die sie Gutes, Wahres, Schönes hervorbringen läßt, und wir staunen, bewundern ihre Werke und erfreuen uns an ihnen.

Wie viel, viel mehr gilt dies, wenn wir die Werke des Geistes Gottes, seine Schöpfung betrachten - und damit kommen wir nie an ein Ende.

Die Kinder singen: “Weisst du wieviel Sternlein stehen - Gott der Herr hat sie gezählet” - kein Mensch wird je vermögen es zu tun. Auch Astronomen und Astronauten sind weit davon entfernt, den Weltraum und seine unzählbaren Milchstrassensysteme - zu kennen oder gar zu ermessen.

Kehren wir aber zurück auf die Erde, auf der wir Pflanzen, Tiere in unvorstellbarer Fülle finden. Da sind die Vögel, die den Wald, den Himmel bevölkern. Wussten Sie, dass man bisher deren neuntausend siebenhundert verschiedene Arten entdeckt hat? Und wenn wir dann von kundiger Seite hören, dass sich im Meer, im Fluss, im See zweiunddreissigtausend fünfhundert Arten von Fischen, von Meerestieren aller Art tummeln, dann bleibt uns nur noch Staunen und Bewunderung.

Es bleibt noch der Schöpfung Krone: Der Mensch. Unter all den Millionen von Menschen, die die Erde bewohnen, gibt es keinen einzigen, dessen biologisches Erbgut – wir sprechen von DNA, - dem genetischen Code - einem anderen gliche. An seinem Fingerabdruck ist der Einzelne in seiner Einzigartigkeit unverwechselbar zu erkennen.

“Herr unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde.” Und weiter fragt der Psalm:

“Was ist der Mensch, dass du, Gott, an ihn denkst?”

Und nun die Antwort:

“Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.”

Eben das meint auch jenes Gebet aus der Weihnachtsmesse: “Gott, du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und - nach dem Sündenfall der Stammeltern - noch wunderbarer erneuert.” Noch wunderbarer ist diese Wiederherstellung, weil in ihr dem Geschöpf Mensch nicht nur Anteil an der göttlichen Natur verliehen, sondern er im Innersten Christus gleichgestaltet wird. Er ist, wie Jesus zu Nikodemus sagt, “wiedergeboren aus dem Wasser und dem Heiligen Geist. “Wenn also jemand in Christus ist, ist er eine neue Schöpfung: das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.”

So also kann der Apostel Paulus – die Christen in Korinth fragen: “Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?” Wiedergeburt aus dem Wasser der Taufe und dem Heiligen Geist – das bedeutet, – dass der getaufte wiedergeborene Christ kein bloßes Geschöpf mehr ist. Er ist auch nicht mehr nur Gottes Ebenbild, er ist geliebtes Kind Gottes, an dem der Vater die Züge seines Eingeborenen wieder erkennt.

Nehmen wir dies nicht nur glaubend zur Kenntnis. Bauen wir darauf unser gläubiges Selbstbewusstsein. Der getaufte Christ ist viel mehr, als bloßer Mensch. Und eben dies ist das Werk jenes Geistes, der im Sturm und Feuer auf die Jüngerschar herabgekommen und seither bei ihr geblieben ist und wirkt.

Von all dem Gesagten, von diesem Wirken des Geistes Gottes in der Seele des Erlösten , Getauften erlebe ich, erleben wir in Kirche und Welt so wenig. Wie ein Schiff bei Windstille mit schlaffen Segeln nicht an Fahrt gewinnt, so die Kirche unserer Tage in unseren Landen und Zeiten. Längst ist vom Sturm und Feuer des Pfingsttages kaum noch ein Hauch zu spüren. Was ist da mit jenen neunzig Prozent der getauften und gefirmten deutschen Katholiken geschehen, die am Sonntag den Weg zur Kirche nicht mehr finden? Wenn selbst Hirten vor dem Wolf fliehen, ja ihm die Tür zum Schafstall öffnen? - Es machen sich seit Jahrzehnten in der Kirche des deutschen Sprachraumes dumpfer Materialismus, Gleichgültigkeit und müde Resignation breit und wir sind dabei, der Warnung des Apostels Paulus nicht achtend den Geist auszulöschen. Noch sprudelt ja die Kirchensteuer und hält den um sich selber klappernd kreisenden Apparat “Kirche” in Gang.

Aber – Freunde – trotz alledem: der Geist weht wo Er will - sagt Jesus zu Nikodemus. Und – Er weht! Selbst im geistlich so müde gewordenen Europa ist er am Werk, im Kleinen noch, doch wer weiss, wie bald im Grossen.Wo immer ein treuer eifriger Priester am Werk ist,füllt sich die Kirche-und es sind deren mehr als man denkt. Es wächst eine junge geistliche Elite heran, die den Ruf zum Priestertum und Ordensstand vernommen, und begonnen hat, Gemeinschaften zu bilden und – wo gut geführt – Priesterseminare zu bevölkern.

Doch blicken wir zunächst, zuerst, auf uns selbst.

Trotz Dunkel, Dürre und Kälte waltet Gottes Geist auch in jedem von uns. Dass wir trotz allem glauben, unsere Hoffnung auf Gott setzen, Gott und den Nächsten zu lieben versuchen - all das ist doch Werk des Heiligen Geistes in uns. “Ohne mich könnt ihr nichts vollbringen” sagt doch der Herr.

Wenn wir also trotz unserer Armseligkeit glauben, beten, versuchen - das Böse zu meiden und Gutes zu tun – dann ist dies doch nur möglich, weil der Heilige Geist in uns lebt und wirkt.

Wo immer Gläubigkeit, Bekehrung, Taten selbstloser Liebe geschehen, da erkennen wir den Geist Gottes am Werk. So wie wir am Leuchten der Lampen, am Rotieren der Maschinen die Kraft des elektrischen Stromes sehen und erfahren, so sehen wir an allem Guten das wir selber tun, das wir um uns herum geschehen sehen, das Wirken des Heiligen Geistes.

Er, der Schöpfer Geist, erschafft, bewirkt in uns die gnadenhaften Fähigkeiten zu glauben, zu hoffen, zu lieben. Fähigkeiten, die wir eben darum “göttliche Tugenden” nennen.

Am Anfang, damals zu Jerusalem, kam der Geist des Herrn in Sturm und Flammen. Wieviele Male ist seither ein eher stilles, sanftes Wehen – die Weise, in der Gottes Geist Herzen und Welten bewegt.

Vor zweihundert Jahren betete ein Dichter:

“Herr erbarme du dich meiner,

dass mein Herz neu blühend werde - mein erbarmte sich noch keiner

von den Frühlingen der Erde!”.

Machen wir uns heute – im Blick auf Welt und Kirche unserer Tage - doch diese Bitte zu eigen.

Es ist ja jene Bitte, von der der Herr sagt: “... wieviel mehr wird der Vater im

Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten”.

So komm denn Heiliger Geist, erfülle die Herzen, bringe sie zu neuer Blüte

 


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