Götze statt Gottvertrauen

3. Juni 2022 in Kommentar


Babelereignis oder Pfingsten? Wenn der Mensch nicht an Einheit glaubt, die Offenbarung als Lehrmeister abschafft und Lebenswirklichkeiten zu Götzen erhebt, bleibt dennoch Grund zur Hoffnung - BeneDicta am Freitag von Dorothea Schmidt


Regensburg (kath.net)

In den letzten Tagen und Wochen ist immer offenbarer geworden, dass viele eine Spaltung, einen deutschen Flickenteppich gern hinnehmen würden oder sich gar wünschen — Hauptsache, die eigenen Vorstellungen von Kirche würden schnellstmöglich umgesetzt. Der DKB-Vorsitzende Bischof Georg Bätzing sagte sogar, er halte Einheit für eine Fiktion. Diese Sicht auf die Kirche ist fatal. Aber er hat nicht ganz Unrecht.

Einheit ist eine Fiktion, solange wir sie selbst versuchen zu machen. Sie ist lebendige Realität, wenn Gott sie uns als Gabe schenken darf. Als Kirche dürfen und müssen sogar wir die Einheit vom Geist Gottes erwarten und von ihm erbitten. Wir dürfen glauben, dass Gott uns nichts lieber als das geben möchte. Denn ein gespaltener Leib Christi ist ein Krüppel und nicht funktionsfähig. Einheit ist ein Wesensmerkmal der Kirche und eine Frucht des Heiligen Geistes. Ohne sie kann Kirche nicht bestehen, dann zerfällt sie in viele Puzzleteile und bezeugt damit nicht Christus, sondern menschlichen Eigenwillen. Eine Kirche, die ihre eigene Botschaft bekämpft, ist alles andere als glaubwürdig. Gerade in Deutschland scheint die Kirche Gottes Geist zu brauchen wie vielleicht noch nie.

Die Crux mit dem Heiligen Geist ist nur: Er drängt sich nicht auf. Der Heilige Geist ist eine Person, der die Freiheit der Menschen achtet. Aber wenn er eingeladen wird, kommt er sicher, wenn auch nicht immer so, wie der Mensch es sich vorstellt, sondern der Geist Gottes weht, wo und wie er will (vgl. Joh 3,8). Dem einen begegnet er mit Volldampf, dem andern im Säuseln des Windes, zu einem kommt er in der Musik, zum andern in einem Wort, diesen berührt er bei der Handauflegung, jenem im Traum. Gott weiß, wer was wie braucht.

Er weiß auch, was Deutschland braucht, was Europa braucht, damit die Kirche auf diesem Kontinent wieder zu blühen und zu wachsen beginnt. Weltweit wächst die Kirche, vor allem in Amerika, Asien und Afrika. Europa dagegen ist am Verblühen, ist von einer gewaltigen Glaubenserosion erfasst, die sich selbst bis ins deutsche Episkopat durchgefressen hat. Die Utopie der Machbarkeit hat den Glauben an das Wirken Gottes verdrängt.

Pfingsten ruft uns in Erinnerung, dass Gott der Urheber allen Lebens ist und Wunder möglich sind. Er hat die Kirche mit einem gewaltigen Brausen ins Leben gerufen. Die Apostel waren um Maria versammelt und beteten. „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt“ und „alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ Menschen strömten herbei und waren ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden (vgl. Apg 2,2-8).

Jeder verstand Dank des Heiligen Geistes. Das ist auch heute möglich. Wenn wir dem Heiligen Geist Raum geben und Jesus unsern Chef sein lassen, wenn wir uns nicht um uns und unsere Vorstellungen drehen, sondern um Gott, dann weht und erneuert, heilt und erfreut der Heilige Geist, er erfüllt, schenkt Erkenntnis, Weisheit — und Einheit. Dann können ganz unterschiedliche Menschen einander verstehen und einen gemeinsamen Weg in Seinem Sinne gehen.

In der derzeitigen Diskussion in Deutschland dreht sich dagegen alles um die Lebenswirklichkeiten der Menschen von heute. Die Offenbarung, die unser Lehrmeister sein, sich in den Lebenswirklichkeiten bewähren und sie herausfordern sollte, wurde ersetzt durch die Lebenswirklichkeiten, die zur Offenbarungsquelle, zum Götzen, erhoben worden sind. So kann man eher ein zweites Babelereignis erwarten, aber kein Pfingsten.

Der Heilige Geist ist für viele zum Abstraktum verkommen. Trotzdem gibt es Hoffnung. Als mystischer Leib Christi darf einer für den anderen eintreten. Wie bestimmte Organe die Arbeit ausgefallener Organe übernehmen können, damit der gesamte Organismus weiterleben kann, so können auch diejenigen Teile des Leibes Christi stellvertretend für diejenigen bei Gott eintreten und für sie den Heiligen Geist erflehen, die es selber nicht können. Mit Liebe, Ehrfurcht, Vertrauen und Demut. Damit die Kirche wieder lebendig wird. Für Gott ist nichts unmöglich.

 


© 2022 www.kath.net