Homosexualität: Zwischen Keuschheit, Sünde und neuer „Moral“

15. Juni 2022 in Kommentar


„Inzwischen gehört es in kirchlichen Kreisen zum ‚guten Ton‘, den katholischen Glauben ebenso zu verleugnen wie die kirchliche Moral. Marx und Bätzing machen es vor, die Anhänger des Synodalen Irrweges machen es nach.“ Von Joachim Heimerl


Wien (kath.net/joh) Inzwischen gehört es in kirchlichen Kreisen zum „guten Ton“, den katholischen Glauben ebenso zu verleugnen wie die kirchliche Moral. Marx und Bätzing machen es vor, die Anhänger des Synodalen Irrweges machen es nach. Dabei dreht sich in Sachen kirchlicher Sexualmoral alles um die Homosexualität, die Marx und Bätzing nicht nur als „überholt“, sondern als „ausgrenzend“ bezeichnen. „Ausgrenzend“ sei es nämlich, wenn die Kirche im Katechismus lehrt, homosexuelle Menschen seien zur „Keuschheit gerufen“ (KKK 2359).

Wer solches behauptet, darf sich des Beifalls sicher sein. „Ausgrenzend“ ist heute schließlich alles, was nicht dem Zeitgeist entspricht. Nichts tut dies weniger als die Keuschheit, die immer eine Zumutung und nur selten ein Lebensziel blieb. In einer zügellosen Welt nimmt sie sich allenfalls noch als Kuriosum aus, im Sprachgebrauch taucht sie kaum noch auf und wenn, dann so, als ob man sie mit spitzen Fingern anfasst. Dass das in der „deutschen“ Kirche nicht anders ist, versteht sich inzwischen von selbst: Die überkommene Sittenlehre hat ausgedient, eine „neue Moral“ muss her. Man müsse die kirchliche Moral ja „weiterentwickeln“, sagt Bätzing, sie müsse an die Gesellschaft „anschlussfähig“ gemacht werden, meint Marx.

Natürlich sehen das nicht nur Marx und Bätzing so, sondern auch die, die sich für „Deutschlands oberste Katholiken“ halten. Moral, so hört man, sei ja immer das, was wir selber sind, und wenn wir uns ändern, biegen wir uns die Moral eben zurecht. Wir können das, wird dürfen das, denn „wir sind Kirche“.

Dass all dies ein Verrat am Evangelium und an Jesus Christus selbst bedeutet, ist kaum zu übersehen, denn niemand anders als ER hat uns vorgelebt, wie wir als Christen leben sollen: Nicht Bätzing, nicht Marx und nicht der Synodale Irrweg sind deshalb unsere Richtschnur, sondern nur ER ist es, an dem wir uns orientieren. Aus diesem Grund ist die Moral, wie sie Kirche lehrt, auch kein Konstrukt weltferner, „alter Männer“, sondern sie ist SEINE Moral – und schon deshalb kann sie niemals „überholt“ oder „ausgrenzend“ sein; ER will uns im Gegenteil ja ausnahmslos alle an sich ziehen (vgl. Joh. 12, 32). ER will, dass wir IHM nachfolgen, und das können wir nur, indem wir versuchen IHM ähnlich zu werden und so zu leben, wie ER gelebt hat. Jesus Christus aber hat in vollkommener Keuschheit gelebt und ist – so sagt es wiederum der Katechismus – ein „Vorbild der Keuschheit“ (KKK 2394), und zwar nicht nur für Priester und Ordensleute, sondern für alle Christen: „Jeder Getaufte ist zur Keuschheit berufen. Der Christ hat Christus als Gewand angelegt, ihn, das Vorbild jeglicher Keuschheit. Alle, die an Christus glauben, sind berufen, ihrem jeweiligen Lebensstand entsprechend ein keusches Leben zu führen. Bei der Taufe verpflichtet sich der Christ, in seinem Gefühlsleben keusch zu sein“ (KKK 2348). Das betont bereits in der Mitte des 2. Jahrhunderts der Heilige Polykarp, der die Philipper nachdrücklich an den Wert der Enthaltsamkeit erinnert. Die gehört zum Gesamtpaket des Christentums dazu, und von Anfang an haben sich die Gläubigen gerade in der Übung der Keuschheit von der „Unzucht“ der Heiden abgegrenzt (vgl. Apg. 15, 20). Der Apostel Paulus macht das gegenüber dem Statthalter Felix überdeutlich, der freilich einigermaßen schockiert reagiert, als Paulus von der Enthaltsamkeit und dem künftigen Gericht spricht (vgl. Apg. 24,25). Heute dagegen will kaum noch ein Nachfolger der Apostel eine solche Schockreaktion riskieren; für eine Welt, die moralisch aus den Fugen geraten ist, wäre sie gleichwohl wichtiger denn je.

Für die Kirche aber kann es, wie es das Beispiel des Paulus zeigt, nicht darum gehen, sich der Welt anzupassen, sondern die Welt zu überwinden (vgl. Joh. 16,33) und die Menschen zum Heil führen. Schon deshalb kann sie ihre Moral nicht einfach in einem neuheidnischen Menschenbild aufgehen lassen, nach dem erlaubt ist, was gerade gefällt. Stattdessen muss sie verkündigen, was sie von Christus her empfangen hat, und dazu gehört auch der Wert des keuschen Lebens. Die Keuschheit soll alle Christen „in den verschiedenen Lebensständen auszeichnen“ (KKK 2349), in der Ehe ebenso wie im Stand der Unverheirateten.

Das kommt heute nicht an und ist sicher nicht „anschlussfähig“; das ist aber auch nicht diskriminierend, wie Bätzing und Marx behaupten, sondern in der Weise herausfordernd, wie es der christliche Glaube als solcher ist: für Homosexuelle ebenso wie für Ehepaare und für Alleinstehende. Sie alle stehen vor der Frage, wie konkret sie die Tugend der Keuschheit leben können, um Christus auch in diesem Punkt treu nachzufolgen.

Natürlich geht es dabei nicht darum, nur einen äußeren Verzicht zu üben, sondern darum, zur „inneren Einheit (…) im leiblichen und geistigen Sein“ (KKK 2337) zu gelangen, kurz: zu jener echten Menschlichkeit, die sich uns wiederum in Christus gezeigt hat. - Eine „christliche“ Moral zu herabgesetzten Preisen gibt es demgegenüber nicht. Kein Geringerer als wiederum der Apostel Paulus sagt dies mit einer Deutlichkeit, die nichts zu Deuteln übrig lässt: „Weder Unzüchtige (…) noch Ehebrecher (…) noch jene, die mit Männern verkehren (…) werden das Reich Gottes besitzen (…) Flieht die Unzucht!“ (1. Kor. 6, 9ff.).

An dieser Stelle aus dem ersten Korintherbrief arbeiten sich, wie man weiß, die „synodalen“ Gemüter hitzig ab. Nichts wird unversucht gelassen, um Paulus zu demontieren: Was könnte schließlich ein Zeltmacher vor 2000 Jahren schon besser gewusst haben als wir? Nein, auf der Suche nach einer „neuen Moral“ braucht man heute keinen Apostel und keine Bibel mehr. Stattdessen sind der Zeitgeist und vorgebliche „Humanwissenschaften“ gefragt. Wunschgemäß liefern die eine „Moral“, die keine Sünde kennt und kein göttliches Gebot; sie ist nur noch eine Beruhigungspille, die narkotisch aufs Gewissen wirkt, eine teuflische Droge, in deren Rausch sich der Mensch zum Maß aller Dinge macht. So heißt es jetzt, in „verantworteten“ oder „gelungenen“ Beziehungen“ sei Homosexualität erlaubt, sie sei eine Form von Sexualität und Sexualität sei schließlich keine Sünde.

Dies freilich ist so kurz gegriffen, wie es falsch ist: Es gibt keine subjektive Verantwortung, die Gottes Gebot aufheben könnte, und auch „Humanwissenschaften“ können dies nicht. Nicht wir sind es, die bestimmen, was von Gott gewollt ist und was nicht, sondern nur Gott selbst ist es. Dass Gott dem Menschen die Sexualität geschenkt hat, ist wahr. Wahr ist aber auch, dass er ihm dafür einen konkreten Rahmen gegeben hat: die Ehe und die Weitergabe des Lebens. Dass außerhalb dieses Rahmens Sexualität nie einfach etwas aus sich selbst heraus „Gutes“ ist, zeigt der sexuelle Missbrauch als ein Beispiel von vielen. Gerade weil die Heilige Schrift und die Überlieferung außereheliche Sexualität in diesem Sinn ebenso eindeutig verwerfen wie den homosexuellen Akt, kann die Kirche diese von sich aus nicht „neu bewerten“ oder ihre Lehre „weiterentwickeln“. Sie kann aus Sünde nichts Heiliges machen oder etwas, das wenigstens nicht sündhaft ist. Sie hat keine Autorität aus sich selbst und kann nur weitergeben, was sie von Gott her empfangen hat, nicht weniger und nicht mehr. Alles andere würde bedeuten, dem falschen Versprechen der Schlange auf dem Leim zu gehen: „Ihr werdet sein wie Gott“ (vgl. Genesis 3,5).

Wenn die Kirche dem göttlichen Gebot folgend homosexuellen Menschen deshalb die Keuschheit ans Herz legt, ist das gewiss nicht leicht. Gleichwohl empfiehlt sie ihnen nichts, was nicht alle Christen mit Christus verbinden soll.

Dass es sich bei der Keuschheit freilich um keinen einfachen und zudem immer um einen sehr persönlichen Weg handelt, ist sicher klar. Deshalb spricht der Katechismus auch von einer „Schule der Selbstbeherrschung“ (KKK 2395), von einem lebenslangen Prozess. Keuschheit ist schließlich nichts, das man „besitzt“ oder dessen man sich sicher sein könnte, sie ist viel mehr ein sehr zerbrechliches Gut. Paulus selbst wiederum hat dies seiner eigenen Erfahrung nach erschütternd offen eingeräumt; die Wahrheit, die er zu verkünden hatte, hat er aber trotzdem nicht aufgeweicht oder sich selber angepasst. Er hat sich eben nicht selbst zum Maßstab der Botschaft gemacht, die er auszurichten hatte, sondern hat sich in seiner Schwäche an ihr aufgerichtet. Genau dies aber haben heute nicht wenige seiner Nachfolger im Hirtenamt verlernt: Es geht um eine Botschaft, die viel größer ist als sie selbst. Und gerade deshalb braucht man nicht auf ihre „Anschlussfähigkeit“ zu schielen, um sie unters Volk zu bringen.

Wie Paulus wissen wir als Christen alle, dass wir Sünder sind, und wir wissen auch, dass wir Sünder bleiben, allerdings Sünder, die zur Heiligkeit berufen sind. Als solche sind wir unterwegs, in unserem Bemühen und auch in unserem Scheitern. Die Keuschheit, die uns alle mit Christus verbinden soll, gilt es auf diesem Weg neu zu entdecken, ganz gleich, ob wir homo- oder heterosexuell sind. Dazu beizutragen, wäre die Aufgabe der Katechese und der Seelsorge. Es hilft aber nichts, wie Bätzing und Marx stattdessen auf einem Synodalen Irrweg neue Wegweiser aufzustellen, wenn man den einen und einzigen Weg längst verlassen hat: Jesus Christus.

Symbolbild (c) kath.net

 


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