Damit Familienleben gelingt

20. August 2022 in Familie


Gedanken zur Selbsterziehung - Von Manuela Fletschberger / Sonne im Haus / VISION2000


Wien (kath.net/vision2000.at)

An Konflikten sind nicht immer nur die anderen schuld. Mit etwas Abstand zur Auseinandersetzung muss man sich oft eingestehen: Leider hab auch ich das Feuer angeheizt. Im Folgenden Gedanken, was in dieser Situation helfen kann.

Prinzipiell ist uns das Wort Erziehung sehr geläufig, besonders im Zusammenhang mit Kindern. Wird diesem Wort ein „Selbst“ vorangestellt, schaut es deutlich anders aus. „Mich selbst erziehen“ ist in der Gedankenwelt des modernen Menschen am ehesten im Bereich Fitness und Gesundheit eine aktive „Disziplin“. Geht es darum, am eigenen Charakter zu feilen, Schwachstellen auszumerzen oder sich gar eigene Fehler einzugestehen und diese zu überwinden suchen, sieht es mager aus. Wer hat heute schon Schwächen – außer vielleicht für Schokolade?

Dass diese Auswirkungen auf unser Leben, auf unser Miteinander und vor allem Auswirkungen auf unser Familienleben haben, liegt auf der Hand. Als vierfache Mutter wird mir bewusst, wie sich meine Schwächen und Fehler negativ auf unser Familienleben auswirken. Ich stelle fest, dass sie meist dazu beitragen, dass es bei uns zuhause irgendwie knackst und knarrt. Geht es drunter und drüber und lässt unser Miteinander zu wünschen übrig, dann befeuern meine Schwachstellen den familiären Waldbrand zusätzlich. Denn anstatt mit ein paar gezielten Handlungen oder einem anderen mentalen Fokus gegenzusteuern, beginne ich herumzuschreien, im aufgewühlten Wasser zu strampeln, was dazu beiträgt, dass ein Hurrikan entsteht. So ergibt eines das andere und in mir wächst die Frustration über mein eigenes Handeln, was der ganzen Sache auch nicht dienlich ist.
Es ist einfach schwer, aus den typischen „Reaktionsmechanismen“ auszubrechen. Kommt zum Beispiel der Impuls zum Schreien, ist es wie ein Waggon auf Gleisen: Unmöglich einen anderen Weg zu nehmen!

Und doch: Es ist möglich! Diese Erfahrung habe ich gemacht. Zum Beispiel im Hinblick auf das Schreien hilft es mir, bewusst aus der Situation rauszugehen (Raum zu wechseln oder raus in den Garten zu gehen) oder das „Vinzenzwasser“ in den Mund zu nehmen. Was das ist? Dieser Brauch geht auf eine Begebenheit zurück, in der eine Frau vom Hl. Vinzenz den Rat erhielt, immer, wenn sie an ihrem Ehemann herumzunörgeln begann, einen Schluck Wasser in den Mund zunehmen. Dadurch wurde ihr Nörgeln unterbunden, der Zorn konnte verrauchen und die Ehe der beiden besserte sich zusehends. Eine Geschichte, die nicht nur zum Schmunzeln anregt, sondern auch zum Nachahmen.

Selbsterziehung wurde mir in den unterschiedlichsten Bereichen meines Lebens eine Hilfe. Sie ist mir zum Beispiel eine Hilfe, um im Alltäglichen das Wunderbare zu entdecken. Viel zu oft übersehe ich das Schöne, das mir durch meine Kinder im Alltag widerfährt. Ich nehme es im „Tunnelblick-Alltagsmodus“ schlicht nicht wahr. Dies wiederum ließ in mir das Gefühl wachsen, nur zu funktionieren, eine Arbeit nach der nächsten abhaken und die Kinder möglichst effektiv durch den Tag schleusen zu müssen.
Am Abend blieb ein schaler Geschmack zurück. Ich fühlte mich ausgelaugt. Leer. Und das wollte ich ganz und gar nicht. Viel zu oft ließ ich die Perlen, die meine Kinder mir Tag für Tag ganz nebenbei schenkten, zu Boden fallen. Ich war nicht achtsam. Auch hier war ich wie ein Waggon auf Gleisen. Es kam jedoch der Tag, an dem ich am Bett eines meiner schlafenden Kinder kniete und mir mit Tränen in den Augen vornahm, dies künftig besser zu machen. Ich wollte die Perlen aus ihren kleinen Händen nehmen und sie in meine Tasche stecken, mein Herz durch die schönen Momente, die es gab, beflügeln lassen. Ich wollte innehalten, wahrnehmen, mich mit ihnen freuen und gemeinsam das Schöne, das uns beschieden war, auskosten. „Schönheit wird die Welt retten,“ sagte Dostojewski, und ich dachte mir: Schönheit und Freude wird mich aus meinem Tunnelblick-Alltagsmodus retten. Seither gelingt es mir besser. Natürlich nicht immer, aber immer öfter.

Gerade letztens nahm ich mir – obwohl es mir unmöglich er­schien – die Zeit, mit meinem Jüngsten eine kleine Radtour zu machen. Wir waren 15 Minuten unterwegs. Und es war herrlich! Sonne im Gesicht, Wind in den Haaren und die schöne Natur, an der wir vorbeiradelten. Danach ging es uns beiden viel besser. Er war danach zufrieden, fröhlich und entspannt und ebenso ich. Ich konnte aufgetankt an meine unterbrochene Arbeit im Haushalt zurückkehren und erledigte es gefühlt viel schneller, als wenn ich durchgearbeitet hätte.

Selbsterziehung meint sinnge­mäß: Wachsen in den Tugenden. Und das will doch jede christliche Mutter: Himmelfähig werden! Schwächen überwinden, Stärken herausfinden und sie im Familienalltag aufleuchten lassen. Ich habe festgestellt, dass es in Sachen Selbsterziehung eine wichtige Zutat braucht, um das Unterfangen in die richtige Richtung zu lenken: Gott. Ich will mich unter Seinen liebenden Blick stellen. Denn Er liebt mich – trotz aller Schwäche und vor aller Leistung. An Gottes Hand und unter Seinem liebenden, barmherzigen Blick finde ich zur richtigen Haltung und zum richtigen Handeln. Sein Blick heilt mich und macht mich rein. Sein Blick begrenzt mich nicht, er lässt mich vielmehr Grenzen überwinden. Dadurch gerate ich nicht in eine Sackgasse. Durch Seinen Blick auf mich befreie ich mich von meinem eigenen falschen Blick und vom Blick der anderen auf mich. Das hilft mir auch, Stolpersteine wie Perfektionismus und Frust zu überwinden. Ohne Gott driftet Selbsterziehung nämlich in ein Streben nach Perfektion ab. Ich will nämlich ein Mensch werden, der nicht um seiner selbst willen gut sein will, sondern um Gottes Willen. Und eines muss ich mir mit den Worten des heiligen Franz von Sales auch immer wieder sagen: „Hab Geduld in allen Dingen, aber besonders mit dir selbst.“

Die Autorin ist Mit-Herausgeberin des empfehlenswerten Müttermagazins Sonne im Haus


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