Die Revision von „Roe gegen Wade“ – die Hoffnung lebt

28. Juni 2022 in Prolife


„Jedem Bischof, der zum Lebensschutz so klare Worte findet und öffentlich Position bezieht, ist von Herzen zu danken. Mehr denn je brauchen wir mutige Hirten.“ – Gastbeitrag von Gudrun Trausmuth


Wien-Washington D.C. (kath.net) Der 24. Juni 2022 ist ein historischer Tag. Durch die Revision des Urteils „Roe vs. Wade“ (1973) durch das Oberste US-Gericht, ist erstmals seit vielen Jahrzehnten eine juristische Schubumkehr in Richtung „mehr Lebensschutz“ erfolgt: Juristische und politische Entscheidungen in puncto Abtreibung gingen in der westlichen Welt bis dato fast ausschließlich in Richtung weitergehender Liberalisierung; die USA hat diesbezüglich nun eine Bremse gezogen, und - wie zu hoffen ist - auch international einen neuen Weg gewiesen.

Seit 1973 gab es aufgrund des in Texas durchexerzierten Falles „Roe vrs. Wade“ in den USA ein weitreichendes Recht der Frau, über Abbruch oder Fortführung einer Schwangerschaft zu entscheiden. Mit dem am 24. Juni – mit 6:3 Stimmen erfolgten – Entscheid des Supreme Court gibt es nun in den USA keine Abtreibung „on demand“ mehr, wie die Juristin Sophia Kuby in der Wochenzeitung „Die Tagespost“ https://www.die-tagespost.de, 24.6.2022).  betont: „Das Urteil gibt rechtlich gesehen nach fast 50 Jahren dem amerikanischen Volk die Abtreibungsdebatte zurück. Die Sprengkraft des Urteils liegt nämlich nicht in einer Stellungnahme zur geltenden Abtreibungsregelung selbst – diese ist im Urteil nicht enthalten – sondern in der Feststellung, dass die Kompetenz zur Regelung von Abtreibung in den Händen der Bundesstaaten liegt. Bundesstaaten haben also seit heute – 24. Juni 2022 – die Freiheit wiedererlangt, ihre eigenen Abtreibungsgesetze in einem demokratischen Prozess zu bestimmen, auch wenn diese in Richtung mehr Lebensschutz gehen, was seit dem Urteil in "Roe v. Wade" im Jahr 1973 unmöglich war“. Was nun das „Pro-Choice-Lager“ aufschreien lässt, ist, dass ab jetzt in republikanisch regierten amerikanischen Bundesstaaten auch eine restriktive Regelung im Interesse des ungeborenen Kindes – theoretisch – wieder möglich ist!

Hier in Europa weht der Wind leider (noch) ganz anders: In Deutschland ist – genau am 24. Juni – das Werbeverbot für Abtreibung gefallen – und vor ziemlich genau einem Jahr postulierte der im Europaparlament abgestimmte Matic-Bericht gar ein „Menschenrecht auf Abtreibung“…! Man könnte es für reinen Zynismus halten, wäre es nicht auch einfach Ausdruck der üblichen Schwerpunktsetzung im öffentlichen Diskurs: Das vermeintliche „Recht der Frau“ ist alles, dass es um das Leben eines Kindes geht, ist egal. Der Slogan „My Body, my Choice“ schlägt in dieselbe Kerbe: denn, dass es nicht nur um den Körper der Frau geht, sondern auch um den eines Kindes, wird ignoriert. – Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz, sagte übrigens nach der Abstimmung des Matic-Berichts: „Abtreibung als Gesundheitsmaßnahme und als Menschenrecht einzustufen, entwürdigt das ungeborene Kind und ist ethisch unhaltbar.“ Der Matić-Bericht ignoriere die schwierige Situation schwangerer Frauen in Not und klammere das Lebensrecht ungeborener Kinder aus. Damit Europa Zukunft habe, brauche es „ein klares Ja zum Leben, ein Ja zur werdenden Mutter und ein Ja zum ungeborenen Kind“. Jedem Bischof, der zum Lebensschutz so klare Worte findet und öffentlich Position bezieht, ist von Herzen zu danken. Mehr denn je brauchen wir mutige Hirten.

Über das Urteil des Obersten US-Gerichtshofes darf man sich von Herzen freuen, denn wir leben nun einmal im Zeitalter der Schadensbegrenzung. Vieles läuft seit Jahrzehnten gravierend falsch, ist politisch und mentalitätsmäßig „eingefahren“ und wird konsequent im Sinne des Mainstreams anerzogen. Die Cancel Culture greift erfolgreich und führt zu steigender Verengung dessen, was man öffentlich äußern „darf“. Ganz typisch dafür auch die europäischen Reaktionen in puncto Revision „Roe vs. Wade“: Maximal maßvoll positives Echo, sofern solches überhaupt in die Medien gelangte; dafür aber gleichsam pflichtgemäß schärfste Kritik seitens vieler Politikerinnen und Politiker in Richtung USA und in den sozialen Medien ist von einem „Anschlag auf Frauenrechte“ o. Ä. die Rede …  Offenbar „müssen“ politisch aktive Frauen eine einschlägige Wortspende abgeben – Politikerinnen, die eventuell anderer Meinung sind, schweigen. Selbstzensur und Schweigespirale in Reinkultur …. Und in den USA kündigen radikale Befürworter der Abtreibung einen „summer of rage“ an – die Dämonen bringen sich in Stellung, der Kampf geht weiter.

Ja, der Weg in Richtung lebensfreundlicher Gesellschaften, in denen ungeborene Kinder sicher sind, ist noch sehr weit. Dennoch, mit dem Urteil des Supreme Court ist ein erster Schritt in Richtung Umkehr getan. Die Hoffnung lebt.

Zur Autorin: Dr. Gudrun Trausmuth ist als Redakteurin bei Radio Maria Österreich tätig, mit dem Schwerpunkt Zeitgeschehen und Literatur. Außerdem hat sie einen Lehrauftrag für Religionsphilosophie am Europäischen Institut für Religion und Philosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz. Sie ist u.a. Mitglied im Kuratorium des „Instituts für Ehe und Familie“ der österreichischen Bischofskonferenz in Wien. Seit 2017 ist sie gemeinsam mit Prof. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz Herausgeberin der „Kleinen Bibliothek des Abendlandes“ im Be&Be Verlag Heiligenkreuz. Auch darüber hinaus ist die Familiemutter vielfältig publizistisch aktiv.


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