Kardinal Koch: Für Patriarch Kyrill ist Westen dekadent

4. Juli 2022 in Aktuelles


Leiter des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen im "Sonntagsblatt"-Interview mit erneut scharfer Kritik am Moskauer Patriarchen


Graz (kath.net/KAP) Kurienkardinal Kurt Koch hat einmal mehr scharfe Kritik am Moskauer Patriarchen Kyrill für dessen Unterstützung des russischen Angriffs auf die Ukraine geübt. Er sei erschrocken, "dass Patriarch Kyrill so weit geht, dass er den Krieg auch mit religiösen Motiven legitimiert", so Koch im Interview mit dem steirischen "Sonntagsblatt" (aktuelle Ausgabe). Nicht überrascht habe ihn freilich Kyrills Sicht von Russland. Kyrill habe immer wieder seine Meinung zum Ausdruck gebracht, "dass Russland eine besondere Aufgabe bei der Verteidigung der christlichen Werte gegen den in seiner Sicht dekadenten Westen zukommt".

Den innerorthodoxen Konflikt um die Ukraine wollte Koch aber nicht für den Angriff Ruslands verantwortlich machen. Es wäre in seinen Augen "erbärmlich", so Koch, "wenn die innerorthodoxen Konflikte den Krieg verursacht hätten". Kirchliche Probleme dürften nie mit Gewalt "gelöst" werden.

Der Dialog mit der Orthodoxie sei durch den innerorthodoxen Konflikt aber jedenfalls massiv belastet, räumte der Leiter des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen ein. Das sei freilich keine aktuelle Entwicklung. Die Auswirkungen hätten schon früher begonnen, nämlich mit der Verleihung der Autokephalie an die Orthodoxe Kirche in der Ukraine durch den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios 2018/19. Daraufhin habe das Russisch-Orthodoxe Patriarchat nicht nur die Beziehungen mit Konstantinopel abgebrochen, sondern auch entschieden, nicht mehr in der Internationalen Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und der Orthodoxie insgesamt teilzunehmen.
Koch: "Aufgrund des schrecklichen und absurden Krieges in der Ukraine und der völlig unverständlichen Gutheißung dieses Krieges durch Patriarch Kyrill ist die Uneinheit innerhalb der Orthodoxie nochmals verschärft worden. Diese Situation belastet natürlich auch die ökumenischen Beziehungen."

Die traditionell engen Beziehungen zwischen staatlicher Herrschaft und kirchlicher Hierarchie in der Orthodoxie beurteilte der vatikanische "Ökumene-Minister" sehr kritisch, noch dazu, da diese Beziehungen oft "mit nationalistischen Tendenzen" verbunden seien. Der Nationalismus sei ohnehin die "Ursünde der Neuzeit", von der freilich auch einzelne Katholiken nicht gefeit seien. Da aber die Orthodoxen Kirchen wesentlich nationalkirchlich strukturiert sind, sei das Verhältnis von Kirche und Staat auch ekklesiologisch festgelegt. Koch: "Diese Symphonie von Kirche und Staat ist nun aber durch die Position von Patriarch Kyrill zum Krieg massiv infrage gestellt worden. Diese Frage, die in den bisherigen ökumenischen Dialogen weitgehend ausgeblendet worden ist, muss deshalb jetzt eingehend besprochen werden."

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