Die „Synodale Kirche“ und das Goldene Kalb

6. Juli 2022 in Kommentar


„Die deutsche Synodale Kirche meint im Grunde nichts anderes als den breiten Abfall vom katholischen Glauben im Zuge einer zweiten Reformation, die wie die erste von Deutschland ausgeht und an der sich sogar Bischöfe beteiligen.“ Von Joachim Heimerl


Wien-München (kath.net/joh) Die deutsche „synodale Kirche“ ist plötzlich so sehr in aller Munde, dass man staunt, wie man bislang ohne sie ausgekommen ist. Dabei gibt es diese „Kirche“ nicht oder wenigstens nicht in dem Sinn, wie man sie diesem Begriff nach verstehen will: eine „basisdemokratische Kirche“, in der eine unbestimmte Mehrheit den Kurs festlegt und über Reformen entscheidet – und sei es, dass sie im Gegensatz zum kirchlichen Lehramt stehen.

Ohne Frage hat der deutsche „Synodale Weg“ zu diesem falschen Begriffsverständnis beigetragen und es mittlerweile über die deutschen Grenzen hinaus exportiert. Das ändert freilich nichts daran, dass eine „synodale Kirche“ im Gegensatz zu dem steht, was die Kirche ist: Sie ist, so sagt es der Katechismus, der Leib Christi und der Tempel des Heiligen Geistes. Sie ist heilig, weil Christus ihr Urheber ist, ist katholisch, weil sie den ganzen Glauben verkündet, und apostolisch, weil sie auf die zwölf Apostel gebaut ist. Sie ist kurz gesagt das universale Sakrament des Heiles. Dass das Wesen der Kirche demnach hierarchisch ist, ist ebenso offensichtlich wie die Tatsache, dass sie nicht „basisdemokratisch“ sein kann. Über Christus kann man nicht abstimmen, auch nicht über den Heiligen Geist, der in der Kirche durch alle Zeiten wirkt, oder über die beständige Lehre der Apostel und ihrer Nachfolger. An diesen Grundsätzen kommt niemand vorbei, der Papst nicht, ein weiteres Konzil nicht, auch wenn das ständig behauptet wird.

Dennoch scheint eine Bewegung in die Kirche gekommen zu sein, die sie unter der Federführung etlicher Bischöfe und Funktionäre auf den Kopf stellen will. Dass man sich dabei ausgerechnet auf den Papst und dessen Verständnis von Synodalität beruft, ist nur ein Bubenstück; Franziskus selbst hat dies immer wieder klargestellt, etwa durch den wiederholten Hinweis, eine Synode sei eben kein Parlament.

Das Schlagwort von der „synodalen Kirche“ meint so im Grunde nichts anderes als den breiten Abfall vom katholischen Glauben im Zuge einer zweiten Reformation, die wie die erste von Deutschland ausgeht und an der sich nun sogar eine Überzahl der Bischöfe beteiligt. Derlei hat es in der Kirche – man denke nur an den Arianismus – immer wieder gegeben und doch hat der Abfall vom geoffenbarten Glauben bereits ein biblisches Urbild: Die Geschichte vom goldenen Kalb. Die Mechanismen, die dort sichtbar werden, beobachten wir gegenwärtig bei jenen, die beständig von einer „synodalen Kirche“ reden und damit nichts anderes als eine apostatische „Kirche“ meinen, ganz nach dem Zuschnitt des „Synodalen Wegs“ in Deutschland.

Bei der Geschichte vom goldenen Kalb fällt auf, dass es hier im Grundsatz um eine „basisdemokratische“ Rebellion gegen Gott und die von ihm eingesetzte Autorität des Moses geht, in der man ein Vorbild für die Kirche erkennen darf. Als Moses dann viel zu lange nicht vom Berg zurückkehrt, auf dem er Gott schauen darf, schart sich das Volk um Aaron. Mit Hilfe des ersten Hohenpriesters will man aushebeln, was Mose zuvor im Namen Gottes verkündet hat: Neue Götter müssen her, vor allem solche, die man sehen kann, die dem Volk entsprechen und die es vor sich hertragen kann (vgl. Ex. 32,1). Tatsächlich willigt Aaron ein; er weicht dem Druck der Basis genauso, wie es unter der Führung Bätzings weite Teile des deutschen Episkopates tun. Heute wie damals dringt der Glaubensabfall nicht etwa von außen ein, sondern geht von Teilen des Volkes Gottes und sogar von seinen Hirten aus. Aus ihnen werden „reißende Wölfe“, sagt der heilige Paulus bei seiner Abschiedsrede in Milet und fügt hinzu: „Selbst aus Eurer Mitte werden Männer auftreten, die mit ihren falschen Reden die Jünger auf ihre Seite ziehen“(Apg. 20, 29-30). Genau dies geschieht in der Kirche gegenwärtig ebenso, wie es zuvor bei den Israeliten geschehen ist: Der Wille des Volkes wird mit der Offenbarung Gottes verwechselt und blind gegen die Verkündigung des Mose ausgespielt. Ein goldenes Kalb wird gegossen und ein Altar errichtet, und im Handumdrehen ist der Glaube an Gott, der sein Volk aus Ägypten herausgeführt hat, erloschen.

Gleiches beobachten wir in erschreckender Weise in Deutschland. Das „synodale“ Volk sammelt sich, stellt lautstarke Forderungen an die Kirche und baut entsprechenden Druck auf. Gefordert werden eine sogenannte „Geschlechtergerechtigkeit“, die „Weihe für alle“ und vieles mehr, kaum etwas, was nicht im Gegensatz zur Lehre der Kirche steht. Als Goldenes Kalb fungiert dabei weniger das verquere „Synodalkreuz“, das bewusst kein Bild des Gekreuzigten zeigt, sondern der Regenbogen. Anders als in der Heiligen Schrift steht der nun für alles, was Gott eben nicht ist: Er steht für die Absage an den Schöpfer und seine Schöpfungsordnung, für eine falsche Barmherzigkeit, die alles rechtfertigt und keine Sünde mehr kennt; von der freien Liebe bis zur Abtreibung ist alles okay, solange es nur nett verpackt ist, angeblich „menschlich“ daherkommt und irgendwie noch einen „katholischen“ Anstrich hat. Im Zeichen des Regenbogens soll eine neue Kirche installiert werden, eben eine „synodale“ Kirche, man könnte mit der seligen Anna Katharina Emmerick sagen: eine „Menschenmachwerkskirche“. Ihr Fundament ist nicht mehr Christus, sondern die Genderideologie. Konsequent weicht das Kreuz dem Regenbogen; der prangt an den Kirchtürmen oder bedeckt die Altäre, vor denen man Gottes Gebot und die Lehre der Kirche verhöhnt, etwa die von der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen oder von der ausschließlichen Heiligkeit der Ehe von Mann und Frau. Dass sich abermals Bischöfe daran beteiligen macht die Sache nur umso schlimmer.

Der Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte, der nach dem Evangelium ein Vorzeichen des Endes ist (vgl. Mt 24,15), ist genau dies: Der Gräuel des Regenbogens als Gegenbild zum Zeichen des Bundes zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen (vgl. Gen 9,13), als Gegenbild zum Kreuz und zu Christus selbst.

Wie solches ausgehen wird, zeigt wiederum die Geschichte vom goldenen Kalb: Nur mit Mühe kann Moses den Zorn Gottes über sein Volk zurückhalten; er kehrt vom Berg zurück und zerschmettert die Tafeln mit dem Gesetz, die er von Gott empfangen hat, am Fuße des Berges.

Gott allein ist der Gesetzgeber, nicht sein Volk, von dem Aaron wie entschuldigend zu Mose sagt: „Du weißt ja, wie zügellos es ist“ (Ex. 32, 22). Damit drückt Aaron die tiefere Ursache dafür aus, was bisher geschehen ist: Das Volk will sich nicht mehr unterordnen, Gott nicht und dem Mose schon gar nicht. Es hat sich selbst ermächtigt, es will nicht mehr gehorsam sein, so wenig wie Eva Gott gehorsam sein wollte und schließlich der Schlange mehr traute als ihm.

Wenn die Vorsitzende des sogenannten „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“ allen Ernstes sagt: „Wir müssen mehr Ungehorsam wagen“, verdichtet sich in diesem Satz jene Grundhaltung falscher Synodalität, die im Ungehorsam des Volkes Israel ihr biblisches Pendant findet.

Ungehorsam und Aufbegehren sind nie der Weg der Kirche. Das zeigt die Geschichte vom goldenen Kalb überdeutlich. Sie zeigt aber auch, worin der wahre Weg der Synodalität besteht: Im Hören auf Gott, wie es Moses verkörpert, in der Annahme des göttlichen Gesetzes und schließlich in der Umkehr, die das Volk auf die Weisung des Mose hin vollzieht. Ohne Umkehr gibt es keine Erneuerung. Und erst als die Umkehr erfolgt ist, gibt Gott Moses noch einmal die Steintafel mit dem Gesetz (vgl. Ex. 34,1). Gott allein bleibt so der Handelnde und der Herr, nicht sein Volk.

Dass auf dem Synodalen Irrweg von allem Möglichen die Rede ist, nur nicht von der Umkehr, zeigt erschütternd, wohin dort die Reise geht. Anders als das Volk Israel, das Moses schließlich ins gelobte Land führt, wird man dort bei den zerschmetterten Steintafeln in der Wüste bleiben, sich „zügellos“ selbst feiern und die eigenen Götzen für die „Kirche“ Gottes halten.

Dr. Joachim Heimerl (siehe Link) ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat.


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