"Ablehnung des Konzils" oder nur der Früchtchen?

26. Juli 2022 in Kommentar


Otti's Optik: Auf dem "Synodalen Weg" droht eine Konzilshermeneutik der Demenz - Ein Kommentar von Franz Norbert Otterbeck, Köln.


Köln (kath.net)

Dorothea Sattler oder Marianne Schlosser? Welche Theologin repräsentiert die Zukunft der Kirche besser? Oder doch Christiane Scherer, die über Selbsttäuschung forschte? Das ist "Thea Dorn", benannt nach dem kritischen Theoretiker Teddy Wiesengrund, der sich später Adorno nannte, seiner italienischen Mutter wegen. Die 'Frankfurter Schule' im Marsch auf Rom? Mit Künstlernamen müsste man Dr. Dr. h.c. Sattler wohl Hanni Luther Küng jr. nennen - und Frau Schlosser vielleicht Fine Ratz? Sie hielt den vielbeachteten Festvortrag bei der öffentlichen Feier zum 95. Geburtstag unseres vielgeliebten Papstes, in München. Frau Sattler repräsentiert im Blick auf das jüngste Konzil die "Hermeneutik des Bruchs" einigermaßen vehement. Sie meinte neulich sogar sinngemäß, Papst Franziskus werde vom "Synodalen Weg" siegen lernen. Die Erklärung des Vatikans vom 21. Juli zeigt da eine andere Richtung auf. Manche spekulierten schon, ob zwischen der Sattlerin und Bischof Bode, die gemeinsam das quasi misogyne Synodalforum XX leiten, mehr als nur Seelenverwandschaft herrsche; der verblüffend ähnlichen Physiognomie wegen. Cousin und Cousine? Betrachtet Euch still den "Supermond", er wird den Weg in die bleiche Zukunft der deutschen Mutterkirche weisen!

Scherz beiseite. Obwohl etwa George Weigel mit Recht herausarbeitet, dass immer noch ein Deutungskrieg um "das Konzil" im Gange sei, Reform in Kontinuität wider Aufbruch respektive Abbruch, haben wir Spätergeborenen doch längst ein viel größeres Problem. Das Zweite Vatikanum gerät in Vergessenheit! Nicht nur speziell beim nationaldeutschen Synodalismus. Es droht eine Hermeneutik der Demenz. Denn wie anders soll man es sehen, dass von höherer Warte aus jetzt behauptet wird, erhebliche Teile der Kirche würden "das Konzil" ablehnen. In den letzten 40 Jahren, seit ich über die Kirche nachzudenken begann, musste ich so einen blühenden Unsinn noch nicht vernehmen. Die meisten feierten das Konzil, immer. Es war aber nicht leicht, vor Erfindung des Internet, sich einen Pfad durch den Dschungel der Desinformation zu schlagen. Die deutschen Bischöfe und ihre willigen Vollstrecker haben  seit "Würzburg", der Scheinsynode von 1971-75, nichts unversucht gelassen, um ihre eigenwilligen Ideen als im Konzil wurzelnd zu behaupten: von der rebellischen Einführung der Handkommunion über die Konstruktion eines hypertrophen Rätesystems bis hin zum Fehlversuch "Pastoralreferent": alles angeblich im Geiste des Konzils erfunden. Die Aufsicht über die Theologie der Fakultäten wurde fast ganz drangegeben, von einigen prominenten Beispielen abgesehen. Gebracht hat diese Welle der Innovationen gar nichts, jedenfalls nicht aus der Perspektive des Konzils.

Kardinal Müller hat also mit Recht der "deutschen Kirche" (das ist nicht sein Begriff) angeraten, sie müsse das Zweite Vatikanum endlich einmal zur Kenntnis nehmen. "Ablehnung des Konzils" gibt es kaum da, wo sie unterstellt wird, nämlich bei den Freunden des älteren Gebrauchs der römischen Liturgie. Ablehnung existiert aber sehr heftig da, wo man - hinterlistig und erfolgreich - "das Konzil" gegen die nachkonziliaren Päpste zitierte, selektiv und willkürlich. "Gaudium et spes" kann niemand gegen "Humanae vitae" in Stellung bringen und "Sacerdotalis caelibatus" oder "Ordinatio sacerdotalis" entsprechen "Lumen gentium" vollauf. Aber diese sehr einfach zu ermittelnden Tatsachen (und viele mehr) werden von interessierter Seite bewusst der Amnesie überstellt. Verpflichtet fühlt man sich dem Super-Dogma der so gen. "Schule von Bologna": Diese geht auf den linkskatholischen Priester-Politiker Dossetti und den neomarxistisch angehauchten Kardinal Lercaro von Bologna zurück. Das Konzil sei "der Bruch", nichts sonst. Diese früh lancierte Deutung hat beispielsweise Marcel Lefebvre zum Widerspruch motiviert: "J'accuse le Concile!" (Ich klage das Konzil an!) Ein Buchtitel von 1976 mit deutlichem Anklang an den offenen Brief, den Zola 1898 in Sachen Dreyfus publizierte: Insofern muss man bei Lefebvre auch immer den innerfranzösischen Konflikt des "gallikanischen" Ideals von Thron und Altar wider die Republik mitbedenken. Die Versöhnung mit den Theoretikern des Bruchs "von rechts" konnte bislang nicht glücken. Weil die Bruchtheoretiker "von links", trotz ihrer verherrenden theologischen, pastoralen und moralischen Pleiten, keinen Millimeter Boden preisgeben. Stellungskrieg; koste es, was es wolle. Vorwärts - und gern vergessen! Aber das Konzil in seinen unveränderlich antimodernen Positionen, etwa zum Lebensschutz, wider den pragmatischen Modernismus anwenden? Ein absolutes Tabu, in tabuloser Zeit.

Die selbsternannten Propheten der "Kirche der Zukunft" nehmen die Texte des Konzils kaum noch kursorisch zur Kenntnis. Es sind eine Handvoll von Parolen, daraus herausgefiltert, die zur "Orientierung" genügen sollen. Deshalb erscheint es kaum noch möglich, die Weichenstellung für eine fruchtbare "Zukunft der Kirche" aus den Dokumenten des Konzils allein herzuleiten. Vielleicht eignet sich der "Weltkatechismus" von 1992 textlich besser als Basis der Verständigung darüber, was katholische Lehre, nach Trient und nach Vatikanum 1 + 2, eigentlich ist. Aber "den" Text lehnt die scheinbare Avantgarde deutscher Theologie aus ihrem dumpfen Ratzinger-Hass gleichfalls ab, weil sich "der Feind" darin verewigt hat; während Teilhard oder Rahner, und zunehmend auch Hans Küng, keiner mehr liest. Michael Seewald blamierte sich vor einiger Zeit reichlich, als er vortrug, der Papst habe im Katechismus den Begriff des Dogmas verändert, um so - gleichsam auf heimtückische Weise - die Frauenordination "für immer" untersagen zu können. In Wahrheit ist die Frauenordination seit dem Vorabend des Karfreitags untersagt, durch das Herrenwort selber, adressiert an die Apostel: Tut Ihr dies zu meinem Gedächtnis! Die Mickymaus von Münster möge doch endlich einmal "das Konzil" lesen. Das müsste an einem liturgiefreien Wochenende in Berchtesgaden oder auf Sylt doch möglich sein. Obwohl es viele Texte fabrizierte: Lesbar sind die immer noch, auch ohne Abitur.

Die Hermeneutik der Demenz ist, Gott sei es geklagt, bereits in das nicht nachvollziehbare Motuproprio vom 16. Juli 2021 hineingelangt. In 'Traditionis custodes' heißt es als Art. 1: 'Libri liturgici a sanctis Pontificibus Paulo VI et Ioanne Paulo II promulgati, iuxta decreta Concilii Vaticani II, unica expressio “legis orandi” Ritus Romani sunt.' Es ist eine rechtstheoretisch heikle Frage, ob ein den Tatsachen nach falsch notierter Sachverhalt in einem Gesetzestext überhaupt Verbindlichkeit bei den Rechtsunterworfenen beanspruchen kann. Denn die Rechtsfolge knüpft an einen Tatbestand an. Ich lese da nur eine kontrafaktische Behauptung. Mittels Gesetzgebung vermag niemand eine sachlich als Nicht-Ehe zu erfassende Tatsache als "Ehe" zu konstituieren. Die antihumanen Experimente zeitgenössischer Gesetzgebung, in Deutschland vom 30. Juni 2017, können de facto Gefolgschaft finden in der Staatsverwaltung: "glauben" kann daran niemand, der seinem Gewissen folgt. Es wird deswegen keine sakramentale "Homo-Ehe" auf dem Boden der Kirche Christi eingeführt werden, ganz gleich ob nach altem oder neuem Rituale Romanum. Was Liturgie ist, das entzieht sich dem Wesen nach gleichfalls der positiven Gesetzgebung. Ob des Papstes, der Konzilien, der Bischöfe oder irgendeines Pfarrgartenzwergs, der ins Hochgebet des Hochamts mal eben schnell einige "Zeichen der Zeit" mit aufnimmt ... Die liturgische Gesetzgebung der zuständigen Autorität bearbeitet etwas, das ihr vorausliegt. Schon vergessen? Der katholische Gottesdienst, in unterschiedlichen Riten, ist in den Grundzügen gottgegeben und sakrosankt, also unantastbar. Niemals kann nur ein bestimmter Bearbeitungsstand alleiniger und einziger gültiger Ausdruck der Liturgie sein. Wenn es aber eine Konkurrenz gibt, dann streitet die Tradition wider die Innovation.

Wer daran erinnert, der lehnt kein Konzil ab, sondern gehorcht ihm - und allen zuvor. Wir lehnen diese Früchtchen ab, die behaupten, dies oder jenes seien "Früchte des Konzils". Es gibt solche, einige: Aufwertung der Bischöfe, Aufwertung der Laien, mehr Vielfalt, mehr Dialog mit den Andersdenkenden. Aber hinsichtlich des Zusammenbruchs der Liturgie in manchen Regionen der Welt lässt sich der innere Zusammenhang zum "Ereignis Konzil" nicht mehr so ohne Weiteres in Abrede stellen. Liturgie ist Gottesdienst. Schon dieser schlichte Satz wird von Liturgiewissenschaftlern deutscher Zunge spitzfindig hinterfragt. Wer dient wem? Gotteslob. Gott lobt uns? Etwa für das graue Buch mit den grotesken Grafiken von 2013? Da wird man wohl an der Erinnerung noch arbeiten müssen, dass Gott allein Gott ist und wir alle, 'te Deum laudamus', IHM dankbar. Das wollte das Konzil aussäen: Wachstum und Ernte der Früchte sind dann gottgefällig. Als ein Bild für die Zukunft der Kirche empfiehlt sich mithin die Jungfrau Maria, als unsere Erntehelferin. Hilf Maria, es ist Zeit! Auch das scheint dem Führungsduo der "deutschen Kirche" unzumutbar zu sein. Stetter-Bätzing empören sich über schlechten Stil im Vatikan. Dabei sind sie es doch, die - wie Kilius/Bäumler in den Sechzigern - ihre Pirouetten auf dünnem Eis drehen. Marika und Jürgen wurden allerdings Weltmeister. Bei Irme/Georg sieht das anders aus. Der Applaus ebbt ab. Kurz vor Schluss der Show vollführen sie noch einen doppelten Zulehner, im Eiskunstlauf heißt das wohl: zweifacher Rittberger. Hohe Luftsprünge. Dann die krachende Niederlage. Ablehner des Konzils sind andere. Wir Katholiken lassen uns dieses Etikett nicht anheften.

 

 


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